Kinder können grausam sein. So war es immer schon!
Auch damals als sich jenes Ereignis in mein Gedächtnis einbrannte, das so normal war, wie es der Norm entsprach in jenem kleinbürgerlichen rechten Milieu in den Arbeitersiedlungen der siebziger Jahre.
Jungs und Mädchen waren noch in getrennten Klassen untergebracht, die Einheit meist zu dreißig Schüler. Es gab Schulmilch und Kakao auf dem Flur, einmal im Jahr kam dar Arzt zum Durchimpfen der Kinder. Eigentlich waren wir eine Klasse wie hunderte andere auch, Aber was heißt das schon!
Es gab Zwei, bestenfalls drei Schüler die etwas Reifer schienen als der Rest. Meist waren sie Klassensprecher und Stellvertreter und kamen aus etwas Bildungsnäheren Familien. Es gab die Helden, jene die stärker und mutiger waren als die meisten von uns. Und es gab die Halbstarken; Maulhelden mit Leibwache (oft ein kräftiger aber naiver Bauernjunge) Anton war ein solcher. Ein zwielichtiger Charakter, der es liebte mit seinem Opfer zu Spielen wie eine Katze. Gustav war ein Solches. Ein Opfer wie aus dem Bilderbuch. Vierzehn, fünfzehn vielleicht, so wie wir, aber gefangen im Körper eines Zwölfjährigen. Das grausame Spiel war stets dasselbe, und erinnerte an den Hollywood-Klassiker täglich grüßt das Murmeltier.
Die Klingel läutete die Pause ein und der Lehrer verließ das Klassenzimmer. Antons Weg führte zielstrebig nach hinten, jeder wußte, was nun geschehen würde. Wie zufällig streifte seine Hand das Federpedal mit den Stiften, die polternd zu Boden fielen.
Arschloch, nur leise, fast flüsternd drang der Protest an Antons Ohr. Oh entschuldige! Was hast du gesagt? Das Spiel konnte beginnen.
Der Ring schloss sich um die Kontrahenten. Ein Aufpasser lief zur Tür und stand Wache. Aktion! Mitleid kannten wir nicht, Gustav G. war nur jemand, der seine ihm zugedachte Rolle spielte. Jahre sind vergangen, und aus den Schülern von damals, wurden Lehrlinge, Arbeiter, Studenten. Mancher ging verloren durch Unfall, Krankheit oder Leichtsinn.
Es war an einem Sommer, vielleicht in den frühen Achtzigern, die alter Papierfabrik brannte lichterloh. In Windeseile hatte die Nachricht sich rumgesprochen. Der Schulunterricht war gerade zu Ende und einige Kinder wollten es sich nicht nehmen lassen, das Ereignis von der Nähe zu betrachten. Der kürzeste Weg führte durch eine Auenlandschaft, stets den Fluss entlang. Ein kaum benutzter Trampelpfad, den nur Einheimische kannten. Zwei Mädchen die gerade von der Schule kamen, nahmen diesen Weg. Nur eines kam zurück!
Die Boulevardzeitung titelte am nächsten Morgen in großen Buchstaben auf Seite eins: Gustav G. Die Bestie von …! Alsbald gingen die ersten Flugblätter rum. Hängen müßte man so einen! Kurzen Prozess machen mit der Bestie. Der namensgleiche Wirt beeilte sich, in einer Annonce zu versichern, dass er mit jenem Untier weder verwandt noch verschwägert ist. Auch der Stadtrat gleichen Namens beeilte sich, dies öffentlich kundzutun. Zu guter Letzt veröffentlichte das Magazin ein altes Foto der Bestie im Kreis seiner Familie. Gustav G. mit Frau und seinen fünf Kindern. Ich erkannte ihn, es war das dritte Kind von Links!
Gefällt mir sehr gut…
Eine tolle Geschichte, die mich sehr anspricht. Am Schluss hin wird es aber ein bisschen unübersichtlich (für mich): Wer war jetzt das 3. Kind von Links? Der Stadtrat, der Wirt oder Gustav selbst?
Egal. Liegt sicher an mir. Schreib weiter, NoName!
Tatsächlich habe ich aber auch Verständnisprobleme. Gibt es einmal das Familienfoto des erwachsenen Gustav mit Frau und Kindern und einmal ein altes Schulfoto vielleicht? Deine Geschichte gefällt mir sehr gut. Sie ist lebendig, als wäre ich Teil der Klasse oder der örtlichen Gemeinschaft gewesen. Als wären es meine Erinnerungen.Oder war der erwachsene Mann auf dem Bild Gustav G.senior? Und das dritte Kind von links der ehemalige Mitschüler.
Tatsächlich ist die „Bestie“ der Vater des Schülers. Das 3. Kind von Links der Schüler, und Der Stadtrat und der Wirt nur Namensverwandt.
Leider muß ich gestehen, dass ich manchmal etwas zu ungeduldig bin, und Geschichten auch schon mal veröffentliche bevor ich sie gründlich Korrekturgelesen habe!
Dadurch kommt es zu solchen Ungereimtheiten. ;-( Mein Fehler!
No problem. Du hast das härteste und genaueste Korrektorat ever: uns!
Da beide Gustav heißen musst du ja nur ein klitzekleines senior hinzufügen. Ansonsten ist alles gut, wie es ist. Kein Wort zu wenig, kein Wort zu viel.