Ich hoffe mal wieder auf Eure Anregungen. Zurzeit bin ich etwas unschlüssig, was die Kapitelstruktur meines Buches angeht. Ich ordne es gerade zum ersten Mal, fange mit den Kapiteln also vorne an. Zwar hatte ich am Anfang irgendwann mal „Kapitel 1“ drüber geschrieben - aber dann folgten gut 400 Seiten Text und keine weiteren Kapitel mehr
Ordnung muß her. Zumal ich festgestellt habe, daß für mich die Kapitelstruktur wichtig ist. Neulich hatte ich eine kleine Schreibblockade, bis ich darauf kam, daß ich einen Kapitelschnitt an einer für mich falschen Stelle gesetzt hatte. Umgesetzt - und ich konnte weiterschreiben.
Aktuell überlege ich wegen einer Szene wieder, wo sie hingehört. Weiterschreiben kann ich diesmal unabhängig davon (auch wenn das Geschriebene vermutlich unterschiedlich ausfallen würde, je nachdem, wo sie landet). Es geht mir mehr um die dramaturgische Struktur des Ganzen, und dafür hätte ich gerne Eure Einschätzung.
Die bisherige Struktur:
Kapitel 1 hat in mehreren Szenen die Protagonistin und das Motiv vorgestellt.
Kapitel 2 hat Antagonist 1 (es gibt zwei) vorgestellt, in einer einzigen Szene.
Kapitel 3 begleitet in mehreren Szenen die Protagonistin dabei, wie sie sich auf den Weg macht, ein Geheimnis ihrer Vergangenheit zu lösen.
Soweit. Strukturtechnisch ist also erst wenig passiert. Was ich mich - und Euch - frage:
Die nächste Szene
deutet den zweiten Antagonistenplot an und schafft dadurch eine bedrohliche Stimmung (hoffentlich). - Kapitel 3 endet - bislang - mit einer ziemlichen Wohlfühlszene; die Protagonistin findet etwas lange Verlorenes und ist darüber sehr glücklich.
Kapitel 4 wird - vermutlich - eine Nebenfigur einführen und Antagonistenplot 2 leicht vertiefen (oder etwas ganz anderes werden).
**Wohin also mit der nächsten Szene? **Überlegt habe ich:
Sie könnte Kapitel 3 beschließen, um einen Spannungspunkt zu setzen. Allerdings wäre das ein Bruch mit den bisherigen Szenen des Kapitels, da diese alle der Protagonistin folgten. Ist so ein Bruch störend oder hilfreich?
Sie könnte Kapitel 4 beginnen. Das widerstrebt mir bis jetzt am meisten, weil ich dann Kapitel 4 so umstrukturieren müßte, daß es an anderer Stelle Spannung verliert. Wenig sinnvoll.
Oder sie könnte ein eigenes Kapitel werden. Auch Kapitel 2 hatte ja einen Antagonisten eingeführt und bestand nur aus einer einzigen Szene. Das jetzige Kapitel 4 würde somit zu Kapitel 5 werden.
Ihr habt mir schon geholfen, denn alleine das Aufschreiben zeigt mir: Es gibt eigentlich nur noch zwei Möglichkeiten, nämlich Punkt 1 oder Punkt 3. Danke dafür
Jetzt seid Ihr dran. Welche Variante findet Ihr besser, und warum?
warum machst Du Dir jetzt schon Gedanken um die Kapitel? Schreib doch erst mal alle Szenen und überlege dann, wo die Kapitelgrenzen am besten hinpassen. (Ich mache das immer so.) Es ändert doch nichts am Text, ob eine Kapitelgrenze hier oder da liegt. Ich finde sowieso, dass Kapiteln viel zu viel Bedeutung beigemessen wird. Die Grundeinheit eines Romans ist die Szene. Wenn Du die Szenen richtig planst und einen Spannungsbogen aufbaust, kannst Du am Ende leicht die Kapitelgrenzen herausfinden. Oder die Kapitel auch ganz weglassen. Es gibt genügend Bücher, die ohne Kapitel auskommen.
Es ist sehr schön, wenn sich Deine Gedanken durch das Aufschreiben der Fragen geklärt haben. Ich selbst verstehe dabei leider nur Bahnhof. Die Platzierung einer Szene könnte ich nur beurteilen, wenn ich wüsste, was genau passiert und auch, was in den anderen Szenen passiert. Es ist mir natürlich klar, dass Du das noch nicht so genau verraten willst. Aber ich fürchte, ich kann Dir dann nicht helfen. Ich würde in jedem Fall dazu raten, erst mal die Szenen zu planen und dann zu schreiben. An die Kapitel kannst Du am Ende des Romans noch denken.
Ich würde basierend auf meinem jetzigen sehr begrenzten Informationsstand über dein Werk auch spontan für “3” plädieren.
Das ist aber in allererster Linie meinem eigenen Leseverhalten geschuldet. Ich lese immer (!) bis zum Ende eines Kapitels, bevor ich ein Buch aus der Hand lege (wenn ich selbst darüber entscheiden kann). Insofern mag ich es als Leser sehr, wenn Kapitel tatsächlich die kleinste in sich abgeschlossen Einheit eines Buches sind. Dafür ist es für mich dann auch völlig in Ordnung, wenn ein Kapitel mal nur 2 Seiten hat. Mehr Probleme habe ich, wenn sich die Kapitel über 30, 40 oder mehr Seiten ziehen, weil ich dann mindestens eine halbe Stunde am Stück zur Verfügung haben muss, um bis zum nächsten “Breakpoint” zu kommen. Klingt komisch, ist aber so. Menschen ohne Macke sind K****.
ich lese ähnlich wie @CaptGregSparrow am liebsten bis zu einem Kapitelende. In meinen Romanen habe ich mir vielleicht auch deswegen verschiedene Regeln gesetzt. Allerdings weiß ich nicht, ob die von einem Lektorat so akzeptiert werden würden.
In einem Buch, das genau 15 aufeinander folgende Tage beschreibt, bin ich ganz strikt: ein Tag = ein Kapitel. Das habe ich aber nur in dieser Geschichte so gemacht (und die Kapitel auch entsprechend genannt). Aber das war auch eine besondere Konstellation, das würde ich nicht generell so machen.
In meinem langjährigen Epos, an dem ich zimmere, habe ich mich dazu entschieden, das Kapitel zu wechseln, wenn…
der POV (Point of View) sich ändert (ich bin in den Köpfen von 5 Figuren, möchte aber einen Perspektivwechsel nicht im Kapitel haben)
eine längere Zeit ohne Handlung verstreicht
ein Ortswechsel stattfindet
ein (Teil-)Spannungsbogen sein Ende findet
So vielleicht. Ich sehe es da wie @Pamina22 : Um dir raten zu können, bin ich leider zu wenig in deiner Geschichte drin. Das hast du besser im Gefühl.
Ich habe auch schon mal gehört, dass ein Kapitel ähnlich aufgebaut ist wie eine ganze Geschichte (mit Spannungsbogen und Twists und so weiter), nur eben im kleinen Rahmen. Vielleicht hilft dir auch das, ein wenig Struktur hineinzubringen.
In meinem Epos gibt es übrigens auch ein Kapitel, was nur eine halbe Seite lang ist. Da erwartet eine Protagonistin die Heimkehr von einer Gruppe von Leuten und ist sehr froh, als sie diese erblickt. (Stell dir das so ähnlich vor, wie wenn eine junge Frau am Hafen ein lang ersehntes Schiff einlaufen sieht. Mit dem Kapitel wollte ich nur zeigen, dass da eben “das Schiff endlich eingelaufen ist” - obwohl es sich in meinem Buch um etwas ganz anderes handelt, ist nur ein Analogon).
Kapitel mit nur einer Szene sind doch nicht schlimm, die Spannungsbögen sind ja ähnlich.
Ohne den Text zu kennen, würde ich auch erstmal nach Sinngehalt gruppieren, also Option Nr. 3.
Wenn man den Text kennt, kann man natürlich auch das Erlebnis für den Leser berücksichtigen:
wann wird ein Kapitel zu lang? (s. Sparrow)
mit welcher Emotion möchtest Du den Leser zurücklassen?
hat Deine Kapitelstruktur Einfluß auf die Schlagzahl (pacing) und soll das so sein?
Herzlichen Dank für Eure Einschätzung! Und wie einig Ihr Euch alle seid Tja, manchmal sieht man die Kapitel vor lauter Buchstaben nicht. Ein eigenes Kapitel soll es werden. Das ist das, womit sich mein Bauch inzwischen, auch dank Eure Rückmeldung, auch am wohlsten fühlt.
Auf ein paar Dinge möchte ich noch kurz eingehen:
Das funktioniert bei mir nicht. Die Szenen stehen im Wesentlichen, es fehlen nur noch Bindestücke und ein paar Mittelkapitel. Ich kann gar nicht anders, als in Szenen zu schreiben, passiert automatisch. Üblicherweise haben sie auch einen Spannungshöhepunkt, hoffe ich jedenfalls Nun muß ich sortieren, damit aus dem Haufen Szenen ein Buch wird. Und dazu brauche ich Kapitel, die helfen mir ungemein.
Und magst Du lieber spannende Kapitelenden, entspannte oder eine Mischung aus beidem?
Das ist ein interessantes System! Das mit dem POV ist bei mir tatsächlich bisher auch so, allerdings ist es mir erst bei Lektüre Deines Systems aufgefallen. Bewußt habe ich keine Regeln gesetzt. Für mich muß es ein inhaltlich stimmiger Cut sein, ähnlich wie bei Szenen, nur eben in einem größeren Rahmen.
Das hat es doch immer, oder? Soll das so sein - ich arbeite dran!
Man muß am Ende eines Kapitels weiterlesen wollen - ja, klar. Die Frage, die ich mir stelle, ist: Heißt das, jedes Kapitel muß spannend enden? Oder reicht es, wenn am Kapitelende noch nicht alle Fragen beantwortet sind?
Was mir noch aufgefallen ist, was evtl. bei mir eine Regel ist: Pro Kapitel habe ich bis jetzt nicht mehr als einen Plot-Strang. Das wäre mir - für dieses Buch - zu viel hin und her.
Und wie sympathisch, sie zitieren Writing Excuses. Das ist ja derzeit meine Haupt-Lernquelle
Ich denke, das ist ein bisschen Situationsabhängig. Für mich braucht nicht jedes Kapitel einen Cliffhanger oder ein sehr spannendes Ende, solange ich noch offene Fragen habe. Im Gegenteil lese ich auch immer gerne bis zum Kapitelende und bin ab und zu auch mal für eine Verschnaufpause dankbar. Zu viel Spannung bewirkt im Übrigen bei mir auch gerne mal das Gegenteil, bis ich mir am Kapitelende seufzend denke “schon wieder?” - und das Buch dann trotz des spannenden Kapitelendes weglege.
Danke für den Link, die kannte ich noch gar nicht.
Ich hätte auch für 3 gestimmt. Aber ich glaube einfach -und aus deinem Beitrag hört man das auch heraus, Buchling -, dass man das beim Schreiben einfach merkt, wo das Kaptiel hin muss. Ich höre meist in den Kapiteln mit offenem Ende auf. Also, nicht mitten in einer Szene, sondern an einer Stelle, wo die Story vorangetrieben wird. Mini-Cliffhanger quasi. Und jedes Kapitel ist aus der Sicht eines anderen Protagonisten geschrieben.
Hab noch ein bisschen recherchieren müssen, weil ich noch was im Hinterkopf hatte. Dank einer (nicht digitalen) Schreibfreundin hab ich 's endlich wieder im Kopf präsent: Die Scene und Sequel - Struktur. Das ist zwar nicht unbedingt zwingend eine Kapitel, aber vielleicht kann man sich daran orientieren. Hier gibt es eine Erklärung und Einführung dazu: https://storymonster.de/scene-sequel-struktur
Gute Seite!
Scene and Sequel ist mir ein Begriff, wird dort aber in einer Weise erklärt, daß ich mich in ein Korsett gezwängt fühlen würde, würde ich versuchen, gezielt so zu schreiben. Einige meiner Szenen funktionieren trotzdem wie beschrieben; andere nicht. Vielleicht stelle ich irgendwann mal testweise eine rein, die nicht danach strukturiert ist, und frage, ob sie trotzdem funktioniert
Was ich dafür umso hilfreicher fand, waren die Hinweise zum Deep Point of View