Jagdzeit
Aufgewacht! Raus aus den Federn! Die Müdigkeit aus den Augen gerieben, eine schnelle Katzenwäsche, die bereits am Vorabend zusammengepackte Ausrüstung zusammengerafft – schon holpert Karl über leere Waldwege, lässt den Wagen zwischen den Bäumen stehen, kämpft sich durch Brombeergestrüpp und Nesseln zum Hochsitz.
Der Mond zieht sich hinter die Baumwipfel zurück. Die ersten Vögel begrüßen die Dämmerung. Kühl ist es, und klamm. Karl schenkt sich einen Tee aus der Thermoskanne ein und schaut hinunter zur Lichtung, zum Rand, wo ein Hauch von Bodennebel in die Finsternis zwischen den Bäumen sickert.
Das Revier ist ihm fremd, aber Fuchs und Wildschwein sind gut zu jagen. Das hat ihm der Jagdherr verraten, als Karl um Erlaubnis bat, in seinem Gebiet auf den Rotpelz anzusitzen.
„Nur zu!“, hat der Alte gesagt. „Meine Gesundheit hindert mich seit Jahren, schon lange fürchten mich Meister Reineke und die Schwarzkittel nicht mehr.“
Es knackt im Unterholz. Die Vögel verstummen.
Da! Ein roter Tupfer unter Ast und Blatt. Karl geht mit der Büchse in Anschlag. Vorsichtig wittert der Räuber, ehe er zögernd, beinahe widerwillig auf die Lichtung schleicht. Ein alter Rüde. Im Zielfernrohr wirkt das Fell räudig und stumpf. Als der Fuchs durch das feuchte Gras in die Mitte der Lichtung gestakst ist und unsicher über die Schulter zurückäugt, zieht Karl den Abzug durch. Einen leeren Augenblick steht Reineke starr, dann fällt er zur Seite, zuckt noch einmal und liegt still. Karl hängt sich die Büchse über, steigt von der Kanzel und geht zu ihm hin.
Noch immer schweigen die Vögel. Wieder knackt es im Unterholz.
Karl dreht sich um. Ein Rudel Wildschweine ist zwischen den Stämmen, bildet einen richtigen Halbkreis dort am Rand des Waldes. Karl dreht sich erneut – auch auf der anderen Seite drängt sich eine ganze Rotte an der Grenze von Schatten und Licht.
Ganz vorne, fast schon im Freien, hebt ein riesiger Keiler die mächtigen Hauer zum letzten Gruß.