Insignien in der Geschichte

Weiß jemand etwas darüber, ob und wann im Laufe der europäischen Geschichte mal Reichsinsignien gestohlen wurden, als diese vielleicht noch mehr als nur symbolischen Wert hatten und welche Konsequenzen das hatte?

Gab es je Insignien, die eine solche Bedeutung hatten, dass jemand, der sie sich widerrechtlich angeeignet hätte, sich auch die Macht hätte aneignen können?

Bei Wikipedia steht, dass der Fischerring des Papstes bis ins 19. Jh genutzt wurde, um bestimmte Dokumente zu beurkunden oder zu versiegeln. Was, wenn der Ring in falsche Hände gelangt wäre? Hätte man dann Dokumente fälschen können? Oder den Papst erpressen können?
Und Entsprechendes auch mit Königen machen können?

Oder hatten Insignien immer nur eine symbolische Funktion ohne echte Macht?

Reichsinsignien, beziehungsweise Reichskleinodien, wechselten im Laufe der Geschichte öfter den Besitzer, allerdings nur im Rahmen militärischer Feldzüge. Anders wären sie wohl nur schwer zu bekommen.

Wenn es sich um Gegenstände handelt, die als Beurkundungsinstrument fungierten, dürfte es damals nicht anders gewesen sein, als es heute auch ist. Das Strafrecht kennt bezüglich des „Dienstsiegels“ einige strafbare Handlungen, wie das Beschädigen oder Unkenntlichmachen. Sollte also jemand dem Papst den Fischerring stehlen, um sich selbst zu „beurkunden“, würde das irgendwann auffallen und der Täter wohl nach vatikanischem Recht „bestraft“, sofern der Vatikan ihm habhaft wird.

Der Besitz einer Insignie reicht meines Wissens aber nicht aus, um sich dadurch „die Macht“ anzueignen. Nimmt man einem König die Krone weg, wird man nicht selbst zum König, aber sicher dessen Lanzenfutter. ^^ (Außer man ist Prinz Nuada und hat die Goldene Armee im Rücken, dann erlangt man durchaus die Macht, sofern man die Krone an sich nimmt. :slight_smile:)

Ginge es um Dokumente, sieht das schon ein wenig anders aus. Man stelle sich vor, jemand ließe die Unabhängigkeitserklärung der USA verschwinden. Rein rechtlich würde es die USA erneut zu einer Kolonie der Briten machen, was natürlich niemand wirklich ernst nehmen würde. Aber rechtlich gesehen, shit happens.

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Das ist mir unter normalen Umständen schon irgendwie klar.
Aber was wäre, wenn die Thronfolge nicht ganz eindeutig oder von einigen angezweifelt würde?

In meinem Fantasy-Roman gilt seit ca. 2 Generationen ein Gesetz, das Frauen die Thronfolge erlaubt, selbst wenn sie noch einen jüngeren Bruder haben. Bevor das Gesetz erlassen wurde, hatten männliche Thronfolger immer den Vorrang vor allen ihren Schwestern.

Der Prinz ist jünger als seine Schwester, findet aber, dass sie als Königin nicht geeignet ist. Ein Teil seiner Untertanen sieht das auch so. Deshalb will der Prinz sich selbst auf den Thron putschen. Dazu will er den Siegelring stehlen, um seinen Putsch später in der Krönungsurkunde zu legitimieren. Wenn er das Militär auf seine Seite bringt und seine Schwester in irgendeiner Burg gefangen hält, hofft er, sich als König durchsetzen zu können, weil das Gesetz seiner Urgroßeltern von vielen eh als Schnapsidee angesehen wird. („Frauen auf dem Thron, also bitte!“)

Er wäre also nicht irgendeiner, der sich die Krone aufsetzt, sondern hätte königliches Blut. Allerdings braucht er die Insigne für die letzte Legitimation …

Ich dachte erst, Deine Frage zielt auf historische Tatsachen ab, an die Du Dich halten willst. In einer Fantasywelt hingegen kannst Du die Bedeutung von Insignien doch frei gestalten, solange es im Kontext Deiner Geschichte glaubwürdig bleibt. In der Artus-Saga ist ein Schwert die Legimitation und verleiht die Königswürde. Hätte ein anderer Excalibur aus dem Stein gezogen, gäb’s heute stattdessen vielleicht die Saga von Otto, dem Bauern.

Er könnte, wenn Dir das glaubhafter erscheint, auch den Ring stehlen, ein Dokument fälschen, in dem der König die Thronfolge-Regelung revidiert, die angebliche Echtheit mit dem Siegelring dokumentieren, den Ring wieder auf Papas Schreibtisch legen und nach seinem Tod die Fälschung präsentieren.
„Schau mal, Schwesterchen, was ich in der Couchritze gefunden habe! Ein Umschlag von Vater, mit seinem Siegel verschlossen. Es ist noch unversehrt …“
Oder … oder … Wie gesagt, in einer Fantasywelt liegt das komplett in Deiner Hand, ohne dass Du Dich darum sorgen musst, dass ein Historiker sein Veto einlegt :wink:

Gruß,
misc

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Zwei Recherce-Tipps:

  1. Erlkönigmanöver
    Ich meine mich erinnern zu können, dass in Löhrs „Erlkönigmanöver“ ein fiktiver Goethe, nebst anderen Dichterfürsten, versucht, die gestohlene Kaiserkrone nach Preußen zu schmuggeln.

Korrektur: Das mit der Krone war Löhrs „Hamlet-Komplott“ und nicht der Erlkönig

  1. Österreich
    Nach der Abdankung wurde 1918 der Kronschatz samt Krone von der Kaiserfamilie (per Bahn in Reisekoffern) in die Schweiz geschmuggelt und trotz Aufforderung nicht an die neue rechtmäßige Regierung zurückgegeben. Ziel sollte es sein – wenn ich das richtig verstanden habe – mit Hilfe der Kronjuwelen wenigstens die Monarchie in Ungarn zu sichern. Dazu brauchte es Geld und deshalb sollten die Edelsteine aus der Krone gebrochen und verhökert werden. Die erwiesen sich aber im Nachhinein größtenteils als billiger Tant und wertlose Fälschungen, was die Pläne gänzlich zunichte machte und sicher auch den Glanz der KuK-Monarchie in anderem Licht funkeln ließ.
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Ich denke nicht, dass durch Diebstahl einer Insignie die Macht in vollem Umfang automatisch auf den Dieb übergegangen wäre. Aber die psychologische Bedeutung mancher Insignien sollte man nicht unterschätzen.

Beispiel hier

Schon das Mitführen der Heiligen Lanze bei Kriegszügen garantierte angeblich dem Herrscher die Unbesiegbarkeit. Daher ließ auch Otto III. auf seinem Zug nach Rom 996 die Lanze dem Heer voraustragen. Otto III. schätzte die Lanze so sehr, dass er im Jahre 1000 eine Kopie an den polnischen Herzog Boleslaw I. von Polen weitergab, als er diesen zum „socius et amicus“ (lateinisch für „Verbündeter und Freund“) ernannte. Boleslaw I. leitete aus diesem Vorgehen für sich die Königswürde ab. Otto III. hatte die Lanze stets bei sich gehabt, auch als er im Alter von 21 Jahren in Italien ohne direkte Nachkommen starb.

Bei der Überführung seines Leichnams nach Aachen im Jahre 1002 in Begleitung des Erzbischofs Heribert von Köln brachte der spätere Kaiser Heinrich II. die Reichskleinodien in seine Gewalt, um sich die Thronfolge zu sichern. Die Heilige Lanze war jedoch schon vorausgeschickt worden, und so setzte Heinrich II. auch den Bruder Erzbischof Heriberts, den Bischof von Würzburg, gefangen, um so die Herausgabe der Lanze zu erzwingen. Bernhard II. übergab die in seiner Obhut befindliche Heilige Lanze erst an Heinrich II., als dieser im Juli 1002 bei der Nachwahl (zum König) in Merseburg das alte sächsische Recht zu achten versprach.

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