Ich will schreiben!

Hallo Leute,
ich bin gerade wehmütig, schockiert, frustriert und noch einiges mehr. Denn ich habe vorhin am PC meinen alten Schreib-Ordner durchsucht, um herauszufinden, wann ich eigentlich meinen ersten Text geschrieben habe. 2002 ist das gewesen.
Dabei stolperte ich auch über den nachfolgenden Text «Ich will schreiben!» aus dem Jahr 2004. Und er stürzt mich in ein Wechselbad der Gefühle.

Zum einen, weil die Zeit so wahnsinnig schnell vergeht! Ich kann mich noch ganz genau erinnern, wie ich auf meiner blauen Couch saß, mit der Schreibmaschine auf dem Schoß und diesen Text schrieb.

Zum anderen, weil dieser Text vor fast 20 Jahren entstand. Er beschreibt meinen damaligen Zustand und mein Verhältnis zum Thema Schreiben. Das erfüllt mich mit Wehmut. Entsetzt aber bin ich, weil sich daran nichts geändert hat. Jeder Satz gilt noch wie vor fast 20 Jahren. Ich bin immer noch da, wo ich damals stand.

Nun gut, ich habe seit einem Jahr Papyrus und jetzt einen ersten großen Schreibversuch mit 50.000 Wörtern. Aber das Frustrierende daran ist: Ich habe damals besser geschrieben, als ich es heute vermag! Ich wurde nicht besser, sondern schlechter! Das macht mich traurig…

Hier nun mein Text. Ich habe ihn nur ein bisschen überarbeitet, ansonsten ist er genauso, wie ich ihn damals in die Schreibmaschine tippte.


Ich will schreiben!

«Was soll ich nur schreiben?», denke ich.
Bequem sitze ich auf meiner blauen Couch, die elektrische Schreibmaschine auf meinem Schoß und weiß nicht, was ich schreiben soll. Die alte Pendeluhr zerlegt die Zeit in kleine Stückchen und tickt dabei laut.
Ich will schreiben!!

«Aber was soll ich denn nur schreiben!», denke ich und seufze in Gedanken laut auf.
«Warum willst Du denn schreiben», fragt ES in mir.
«Will ich? Oder muß ich?», lautet meine Gegenfrage.
«Willst Du schreiben damit Du berühmt wirst?», lässt ES nicht locker.

«Ich will schreiben, damit es gelesen wird.», antworte ich mir selbst. «Es soll gelesen werden, weil es spannend ist und fesselt. Weil es die Leser weg bringt, fortträgt in eine andere Welt, herausreißt aus dem Alltag. Wissen will ich vermitteln in spannender, unterhaltender Form, gefangen nehmen will ich mit atemberaubender, schier unerträglicher Spannung. Das will ich!», denke ich voller Begeisterung.
«Aber ich kann es nicht.», stelle ich nüchtern fest.

«Wieso nicht?», fragt ES mich wieder.
«Weil ich keine Geschichten erzählen kann.», knurre ich mir selbst unwillig zu.
«Wieso nicht?». Ganz schön lästig, dieser Kerl in mir.
«Weil es langweilig ist was ich erzähle und weil mir nichts spannendes einfällt, weil meine Phantasie nicht ausreicht.», frustriere ich mich selbst.
«Keine Phantasie?», wundert ES sich. «Wer hat denn als Kind in stundenlangen Tagräumen Abenteuer durchlebt, die Welt gerettet, ist durchs All geflogen? Warst nicht DU es?»

«Ach, das ist lange her», winke ich ab, «und schon längst vergessen. Es gibt keine Geschichten mehr!»
«Wieso nicht?», höre ich erneut in mir. Scheinbar ist das seine Lieblingsfrage.
«Weil die Geschichten zugedeckt sind, verschüttet, verlorengegangen, verstehst Du?», antworte ich wütend. «Sie sind vorbei, der ganze Schrott aus Lehre, Studium und den Prüfungen liegt darauf. Der Müll aus der täglichen Arbeit, die Probleme - ach - und überhaupt! Hör doch endlich auf!»

«Du hast angefangen», stellt es sachlich fest. «Du willst schreiben … oder mußt.»
«Ja.», seufze ich, diesmal sogar laut und nicht nur in Gedanken. «Ja, es drängt mich. Die Geschichtsfetzen und Bruchteile wollen raus, dann muß ich schreiben, sonst vergesse ich sie wieder. Aber meist ist es doch nur blödes Zeug!».

«Meist? Also nicht immer?», lässt ES nicht locker.
«Ich weiß nicht» antworte ich. Ich weiß es wirklich nicht!
«Dann finde es heraus», fordert ES mich sanft auf.
«Ja wie denn?». Langsam wird sie wirklich lästig, diese Fragerei.

«Du weißt es», meint ES geheimnisvoll in mir. «Du weißt es ganz genau!»
«Was soll ich denn wissen?», stelle ich mich stur dumm.
«Es gibt nur einen Weg, herauszufinden ob Du schreiben kannst. Und Du weißt ganz genau was ich meine», lautet die strenge Antwort.

Ja, ich weiß es, muss ich mir selbst eingestehen. Ich kenne den einzigen Weg, um herauszufinden, ob ich schreiben kann oder nicht. Aber er ist mühsam und ich scheue mich ein wenig davor.

«Also! Was ist dieser Weg, nun sag schon!», fordert ES von mir, hartnäckig und unnachgiebig.
«Es ausprobieren», antworte ich kleinlaut. «Ausprobieren zu schreiben, versuchen Geschichten zu erzählen und dabei zu lernen. Von vorne anfangen, wie damals, in der ersten Klasse. Als ich das Schreiben zum erstenmal lernte.»

Laut stöhne ich auf. Unangenehme Erinnerungen an viel Schweiß und Mühe werden wach. «Und damit soll ich jetzt wieder anfangen?», frage ich zweifelnd und voller Zauder. «Wieder anfangen Schreiben zu lernen, zum zweiten Mal?»

«Ja!», antwortet ES in mir bestimmt. «Nur so wirst Du erfahren, ob Du es kannst. Nur wenn Du es versuchst, wirst Du Antwort auf diese Frage finden!»

Ohje, denke ich, das kann ja heiter werden. Und mühsam!
Aber deswegen schreibe ich. Oder versuche es zumindest.
Ich sitze noch ein wenig stumm da, lese den eben geschriebenen Text noch einmal durch und schalte dann die Schreibmaschine auf meinem Schoß wieder aus.

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Ich würde mal meinen, das ist - nein,das war - nur die Pause. Klare Aussage von Profis wie Andreas Eschbach: Alle 100.000 Wörter macht man einen großen Sprung (kontinuierlich natürlich, aber davor und danach im Vergleich).
Also - üben, schreiben, Textmenge generieren, der Rest kommt dann wieder!

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Danke Ulli,

100.000!
Da muss ich noch viele Geschichten für die Schublade schreiben, fürchte ich!
:slight_smile:

Alex

Hallo
Du bist nicht allein, wenn es um den inneren Kritiker geht. Auch ich habe alte ( über 20 Jahre her) Geschichten von mir wiedergefunden.
Hin und her gerissen, was mich schon damals so bewegt hat zu schreiben, habe ich meine Geschichte gelesen. Wow war das schlecht, war mein erster Gedanke.
ABER
Der Drang meiner Phantasie freien Lauf zu lassen und alles niederzuschreiben hat die Oberhand gewonnen. Es ist egal was und wie du schreibst. Dein inneres ES fragt genau dass was wirklich zählt, wenn du schreiben willst.
Fang an. Der Text ist nicht in Stein gemeißelt und du kannst alles überarbeiten. So wie @Ulli schon geschrieben hat. Nach 100000 Wörtern wirst du ein anderes Gefühl für Formulierungen entwickelt haben.
PS. Ich schreibe seit mehreren Jahren ( ca 2019) an meinem Debüt, welches ein Dauerprojekt geworden ist. Such dir ein Thema was in dir brennt und schreibe.

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