ich beschäftige mich gerade damit, in welcher Erzählperspektive ich mein Buch schreiben will. Ich würde gern die Protagonisten in der Ich - Form erzählen lassen. Da der Leser aber auch wissen soll, wie die anderen Figuren denken, würde für diese Charaktere die personale Erzählperspektive wählen.
Was denkt ihr, kann ich das so machen? Welche Erfahrungen habt ihr mit Erzählperspektiven?
Hi,
ich wechsele oft die Perspektiven, weil ich auch der Ansicht bin, dass der Leser wissen soll, wie die anderen Figuren die Geschichte aus ihrer Sicht erleben. Allerdings habe ich oft schon dafür Kritik einstecken müssen. Teilweise zu Recht, weil es eben schwierig ist, zu folgen, aus wessen Sicht da nun gerade erzählt wird und / oder der Autor seine Meinung zum Besten gibt.
Es ist schwierig, beim Wechsel der Perspektiven einen eindeutigen Faden zu erhalten und den Lesen nicht zu verwirren.
Eine Geschichte nur aus einer Perspektive zu erzählen gefällt mir persönlich nicht so gut. Das kommt wohl aber auch auf die Art der Geschichte an.
Es ist unüblich, die Ich-Form für mehr als eine Figur zu benutzen. Wenn man nicht sehr starke Gründe hierfür hat, ist davon abzuraten. Es ist verwirrend für den Leser, da man sich jeweils neu eindenken muss und schlechter identifizieren kann.
Auch ist es unlogisch, wenn ein Ich-Erzähler, der quasi eine Geschichte “aus erster Hand” erzählt, wissen könnte, was andere Figuren gerade denken. Hier muss man sehr vorsichtig sein - sprich, besser bleiben lassen, damit der Leser nicht nach mehrfachem “Häh …?” das Buch zuklappt und weglegt, weil es ihm unverständlich erscheint.
Also entweder den berühmten “allwissenden” Erzähler nehmen, wenn denn in die Köpfe gleich mehrerer Figuren geschaut und darüber erzählt werden soll, oder eine Figur - eben die Hauptfigur - in der Ich-Form erzählen lassen.
Was mir gerade dazu einfällt: Wir mussten in meinem Deutsch-Leistungskurs immer die Stellen herausfischen, bei denen der Autor seine Meinung zu dem eben Erzählten dazugefügt hat. Vor über 30 Jahren habe ich das gehasst. Nun finde ich es interessant.
Ich sehe das genauso wie Ulli. Fast alle meine Kurzgeschichten schreibe ich aus der Ich-Perspektive, weil ich dem Leser so die Gedanken und Beweggründe der Person einfacher näherbringen kann. Bei meinen Romanen ist das anders.
Also entweder nur Ich-Perspektive (dann nur den Hauptcharakter) oder eben nicht. Bedenke dann auch, dass es aus der Ich-Perspektive schwieriger ist, Cliffhanger einzubauen. Denn wohin willst du springen, wenn du immer aus der Sicht deines Hauptcharakters schreibst? Ich habe mal testweise vor Jahren einen Text mit mehreren Charakteren geschrieben, die alle aus der Ich-Perspektive erzählten. Über jedem Kapitel stand der Name der Person, trotzdem kamen meine Testleser immer wieder mit den Personen durcheinander.
Ich persönlich lese Geschichten, die in der Ich-Perspektive, vor allem wenn sie im Präsens gehalten sind, nicht sehr gerne. Ich bevorzuge deutlich personale Perspektive im Präteritum.
Was man aber immer unbedingt beachten sollte ist, dass wenn man mehrere peronale Erzähler verwendet, am Beginn des Kapitels/Szene dafür sorgen muss, dass der Leser möglichst schnell erkennt, bei wem und wo er sich jetzt befindet.
Da sind bei mir schon mehrere Romane im Rundordner unter dem Tisch verschwunden, weil in Extremfällen selbst nach mehr als einer Seite nicht klar war, bei wem man sich befindet. Sowas nervt mich ungemein.
Gilt das mit den unterschiedlichen Ich-Erzählern wirklich als so schwierig?
Wohlgemerkt: Ich zweifle das nicht an, ich wundere mich nur.
Denn ich kann mich nur an zwei Bücher dieser Art erinnern:
– »Dracula« von Bram Stoker. Da hatte ich überhaupt keine Schwierigkeiten zu folgen, obwohl ich da gerade mal 13 oder 14 war.
– »Trainspotting« von Irvine Welch. Da hatte ich große Schwierigkeiten; aber nicht das Gefühl, dass das an der wechselnden Perspektive an sich lag. Sondern u.a. eher daran, dass man (sofern ich mich recht erinnere) bei jedem Perspektivenwechsel erstmal herausfinden musste, wer da nun gerade als Ich-Erzähler fungiert.
Daher hätte ich nicht erwartet, dass dieser Wechsel allgemein als schwierig gilt.
Andererseits kann ich nicht ausschließen, dass ich noch mehr Bücher dieser Art gelesen, sie aber allesamt vergessen habe. Was dann ja wieder dafür sprechen würde, dass ich eben doch nicht damit zurechtgekommen bin.
Ich mich auch. So schwierig finde ich das gar nicht.
Natürlich kannst du das machen. Zumindet zwei verschiedene Erzählperspektiven dürften kein Problem sein.
Bei Liebesromanen wird das oft gemacht. Mir gefällt das gut. Ich hatte noch nie Probleme zu erkennen, wer gerade dran ist.
Ich habe das auch für meinen Liebesroman gewählt. Ich erzähle jeweils aus der Perspektive meiner beiden Hauptprotagonisten. Es ist, wie @Uwe Hermann schreibt:
Wenn man es schafft, jedem Ich-Erzähler wirklich eine eigene Stimme zu geben, sind auch mehrere im Wechsel kein Problem. Wenn das einzige Unterscheidungsmerkmal aber nur die Überschrift des jeweiligen Kapitels ist, dann schon.
Wie hat Klaus N. Frick mal gesagt (sinngemäß): Regeln sind nur Vorschläge. Wenn jemand aus mehreren Ich-Perspektiven schreiben möchte, soll er/sie das tun. Vielleicht würde uns sonst ein Bestseller entgehen.
Ich empfehle Jodi Picoult, »Beim Leben meiner Schwester«, da ist jeder der vielen Erzähler ein Ich-Erzähler und wechselt kapitelweise. Gewöhungsbedürftig, aber dann sehr gut und einleuchtend. Wenn natürlich jeder Erzähler gleich klingt, sollte man es besser lassen.
eine Story, die mehrere Ich-Erzähler in sich schließt, „gilt“ keinesfalls „allgemein als schwierig“; denn wäre dem so, exisistierte ja eine entsprechende Regel o.ä. (sonst kann jedenfalls nicht mit ‚Geltung‘ operiert werden). Davon kann allerdings überhaupt keine Rede sein. Du mußt dich also nicht wundern …
Es gibt natürlich persönliche Präferenzen, sowohl von Autoren als auch von Lesern. Daß die letzteren von unterschiedlichen Erzählperspektiven „überfordert“ würden oder daß es Verwirrung dabei gäbe, ist ebenfalls nur ein Gerücht. Es kann natürlich passieren, wenn sich der/die Autor/in ungeschickt anstellt oder der/die Rezipient/in eine nur eindimensionale Lesepräferenz hat, aber verallgemeinern läßt sich das sicherlich nicht. M.E. resultieren u.U. aus verschachtelten Perspektiven oder solchen mit mehreren first-person-views sehr interessante Stories, jedenfalls dann, wenn der/die Autor/in über die dafür erforderliche Souveränität gebietet.
Ich würde nicht pauschal sagen, das die Ich-Perspektive ohne weitere Personen in der 3. Person auskommt. Habe selbst mal einen Roman gelesen, indem es um 2 Personen ging und die Autorin beide in der Ich-Form verfasst hat. Sie hat das sauber durch Kapitel getrennt.
Manche Geschichten lassen den Leser näher an das Geschehen, wenn sie in der Ich-Perpektive verfasst werden. Aber man kann sich schnell aufs Glatteis bringen und muss aufpassen. Ich schreibe auch gerade an einem Roman in der Ich-Form. Die Rohfassung war in der 3. Person, doch dann habe ich gemerkt, dass es in der Ich-Version besser ist und alles komplett umgeschrieben.
Die Passagen, die vorher in der 3. Person mit anderen geschrieben gewesen sind, habe ich in wörtliche Rede gesetzt. Zumindest zu einem großen Teil. Ob die ganze Sache gut funktioniert, werde ich in Kürze wissen, dann bin ich fertig mit der Überarbeitung. Allerdings kann es sein, dass ich einige Passagen wiederum ändern muss.
Ich finde zum Beispiel Thriller und Krimis in der Ich-Form schräg und nicht wirklich lesbar. Wenn es aber um eine Geschichte geht, die der Protagonist erlebt hat und darüber nun erzählt, sollte man einfach ausprobieren und manche Passagen in beiden Versionen schreiben und dann vergleichen. Das klappt bei mir super und ich lese es anderen vor und hole mir eine zweite Meinung-
Hier würde ich zumindest ein Stück weit widersprechen wollen bzw. deine Aussage etwas spezifizieren. Vermutlich meintest du das auch, aber neben dem allwissenden Erzähler und dem Ich-Erzähler gibt es ja noch den personalen Erzähler, mit dem man zwar ebenfalls in der 3. Person schreibt, jedoch keinesfalls allwissend, sondern stets aus der Perspektive einer Figur. Eine Art Ich-Erzähler in der dritten Person, wenn man so will. Dieser personale Erzähler wird aber anders als der allwissende nicht in die Köpfe anderer Charaktere schauen können.
@Paulina Wenn ich dich richtig verstehe, dann möchtest du deine Geschichte hauptsächlich aus der Ich-Perspektive erzählen. Aber weil du auch in die Köpfe anderer Charaktere schauen möchtest, möchtest du zusätzlich einige Kapitel in Form dieses personalen Erzählers schreiben, richtig?
Also prinzipiell kannst du das tun, allerdings ist diese Herangehensweise natürlich etwas experimenteller. Es kommt also darauf an, was du für eine Geschichte schreiben möchtest und was du für eine Leserschaft im Sinn hast. An sich kann es Leserinnen und Leser auch verwirren oder abschrecken, wenn die Kapitel permanent zwischen 1. oder 3. Person wechseln.
In einem gewissen Rahmen kann so eine Herangehensweise sicher auch gut für ein breites Publikum funktionieren - etwa in einem Thriller, der größtenteils in einem personalen Erzähler geschrieben ist, aber über Zwischenkapitel verfügt, die in 1. Person aus Sicht des Mörders erzählen (hier dann ggf. kursiv gedruckt, um den Unterschied noch hervorzuheben).
Ansonsten kann es für dein Vorhaben aber ratsam sein, eher auf den personalen Erzähler mit verschiedenen Point-of-View-Charakteren zu setzen.
Als Schreibübung kann es aber allemal gut sein eine Erzählung aus verschiedenen Ich-Perspektiven zu verfassen und so zu üben, jedem eine eindeutige Stimme und Tonalität zu verleihen.