Hallo Karin,
für gute Fantasy bin ich immer zu haben und dein Projekt klingt vielversprechend, also hab ich mal einen Blick reingeworfen.
Meine Kritik ist wie immer ehrlich, brutal, begründet – und niemals böse gemeint! Bereit? Dann starten wir durch.
Du hast einen ansprechenden Schreibstil, der sich gut und flüssig liest, nur mit den Ausrufezeichen würde ich etwas sparsamer umgehen.
Soweit so gut, ab dann wirds problematisch.
Es ist selten optimal, einen Roman mit einem Haufen tiefschürfender, mit massig Andeutungen gespickten Gedanken von Wemauchimmer zu beginnen, eben weil man Wenauchimmer noch nicht kennt und sich auch noch nicht im Mindesten für ihn und seine Belange interessiert. Am allerwenigsten möchte man zu diesem Zeitpunkt etwas aus seiner Vergangenheit erfahren, wo er mit Leuten, an Orten und aus Gründen, die man als Leser noch nicht durchblickt, irgendwie zugange war.
Auf diese Weise bekommt man keinen Zugang zur Story, sondern bleibt außen vor, erste ungeduldige Leser legen die Sache an dieser Stelle bereits wieder weg.
Leider wird es dann noch ungünstiger, denn ab dem dritten Absatz startest du eine Erklärwelle mit ersten, allgemeinen Informationen. Von Zauberern und Hexen ist die Rede, von einem verschobenen Gleichgewicht, von einem ominösen neuen Mitspieler im Spiel, der Protagonist (?) erzählt in Ichform aus seinem Leben, von noch einem weißen Zauberer und seinen Kräften, und es prasseln noch mehr Beschreibungen von noch mehr Figuren und Geschehnissen auf den Leser ein.
Bitte nicht falsch verstehen, du hast da eine Menge toller Ideen eingebracht, die mir durchaus tragfähig für eine ganze Story scheinen, du hast all das aber als kompaktes Komplettpaket gleich an den Anfang gestellt, wo sich – ganz brutal gesagt – noch kein Schwein dafür interessiert und von diesem Infodump eher abgeschreckt wird.
Ganz wichtig: Zu Beginn eines Romans braucht der Leser nicht auf den ersten drei Seiten über sämtliche politische Zusammenhänge, Verwandtschaftsverhältnisse der Adelshäuser, Besetzung des Götterhimmels etc. aufgeklärt zu werden, weil
- er sich das alles eh nicht merken kann,
- er sich noch gar nicht dafür interessiert und
- sich so ein Abriss in Kompaktform meist zu unpersönlich, eher zäh und wenig spannend liest.
‘Was es mit den seltsamen goldenen Beeren des Drachenmoosbaumes auf sich hat, die man nur pflücken darf, wenn alle drei Monde der Welt voll sind, weil einen sonst der Fluch des Zauberers Grumplwald trifft und außerdem dann die Gottin Schnarchaide ihre Gunst von Haus Apfeldorn abziehen und dem Haus Birnenblatt zuwenden würde, zwischen denen schon seit Äonen eine heftige Rivalität tobt, weil … ‘
… all das kannst du in aller Ruhe später erklären bzw. einfließen lassen, wenn diese Informationen wirklich gebraucht werden, also wenn der Leser lange genug mit Prinzessin Birnenblatt mitgelitten hat und darauf brennt, endlich zu erfahren, was die eigentlich gegen die Apfeldorns haben und so weiter.
Um deine Leser von Anfang an zu packen und in die Geschichte hineinzuziehen, startest du vielleicht lieber mit einer Szene irgendwo in deiner Welt, wo dein Protagonist am besten gleich mitten in irgendwelchen Schwierigkeiten steckt. Damit ist der Leser völlig zufrieden, Hauptsache, es passiert was, es klingt spannend und man kann mit dem Prota, den man da auch gleich etwas persönlicher kennenlernt, mitfühlen/fiebern/leiden/.
Auf diese Weise vermittelst du deinen Lesern auch das Gefühl, dass sie sich gefahrlos (das bedeutet hier, ohne gelangweilt oder genervt zu werden ) auf deine Geschichte einlassen können, denn du hast eine spannende Story zu erzählen und wirst garantiert und zum richtigen Zeitpunkt alle offenen Fragen beantworten.
»Mein Name ist Swiwa und mit mir fing das Unglück an.«
Das zum Beispiel wäre ein großartiger erster Satz, der schonmal Interesse weckt und auf den man sehr schön eine Handlung aufbauen könnte. Wie wärs?
Meiner ganz ehrlichen Meinung nach hat deine Story viel Potenzial und du bist durchaus auch in der Lage, sie zu schreiben. Nur den Anfang würde ich komplett umbauen, denn so, wie es jetzt ist, würde ich spätestens nach der Leseprobe aufgeben.
Soweit fürs erste, ich hoffe, du bist jetzt nicht böse oder entmutigt, und ich hoffe auch, dass du mit meinen Kommentaren etwas anfangen kannst.
Es ist meine ganz persönliche Meinung und damit eine Sicht der Dinge unter vielen, sie erhebt auch keinerlei Anspruch, die einzig Richtige zu sein und ich bin in keiner Weise beleidigt, wenn du das alles völlig anders siehst.