Ein Schreibprojekt.
Wir beginnen mit dem Anfang einer Geschichte und werden diese im weiteren Verlauf gemeinsam weiter schreiben.
Die Handlung darf im Verlauf abweichen, unlogisch und unstimmig sein.
Die Texte dürfen von den Mitgliedern innerhalb des Themas nicht bewertet oder kommentiert werden.
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Also, dann möchte ich mal loslegen.
Pippoloppo, der Clown, zog sich seine überlangen Wimpern von den Augenlidern. „Ich kann es nicht mehr“, flüsterte er leise seinem Spiegelbild zu. „Ich kann es nicht mehr!“ Stille Tränen rannen durch die dicke Schminke und vermischten das Weiß mit dem Rot. „Weißt du, früher … Ja, früher, da haben mir die Kinder zugejubelt. Sie haben geklatscht! Kannst du dich an ihre strahlenden Augen erinnern, wenn ich meine Blume aus dem Knopfloch gezogen habe? Weißt du das noch?“ Er nahm die rote Schaumstoffnase ab und schneuzte in ein Taschentuch. „Heute starren sie auf diese kleinen Dinger, die sie ständig in den Hosentaschen tragen. Selbst im Zirkus können sie nicht davon lassen!“ Er warf sich auf seinen Schminktisch und vergrub das Gesicht in den Händen.
„Gräme dich nicht!“, hörte er sein Gegenüber sagen. „Es werden bessere Zeiten kommen. Wir können das gemeinsam schaffen! Und ich habe auch schon eine Idee!“
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Jo-Jo, die Clownsdame stand auf, begab sich in die hinterste Ecke des alten Zirkuswagens und kramte aus einer Holztruhe ein dickes und verschnürtes Bündel heraus. Sie löste die Schleifen und faltete behutsam das Tuch auseinander. Ein dicker, vergilbter Wälzer kam zum Vorschein. “Was ist das?”, fragte Pippoloppo verdutzt. “Das, mein lieber Freund ist ein seit Generationen gehütetes Familiengeheimnis. Meine Ur-Ur-Urgroßmutter hatte dieses Buch als Geschenk zu ihrer Hochzeit bekommen. Es war ein Geschenk des berühmtesten Clowns der Welt”.
“Und was ist an diesem Buch so geheimnisvoll?”, Pippoloppo wischte sich mit dem übergroßen Taschentuch die Tränen aus dem Gesicht. “Es wurde noch niemals aufgeschlagen”, antwortete Jo-Jo.
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Neugierig betrachtete Pippoloppo das dicke Buch. Tatsächlich, der Buchrücken war noch ungebrochen, keine einzige Falte zu sehen. Eine Schnalle aus korrodiertem Metall verschloss die Buchdeckel.
“Darf ich es mal in die Hand nehmen?” Jo-Jo reichte ihm das Buch. Vorsichtig drehte er es hin und her.
“Und was steht da drin?” Zu gerne hätte er das Buch aufgemacht, traute sich aber nicht.
“Keine Ahnung. Das ist ja das Geheimnis. Niemand weiß das. Aber das Buch hat meine Familie über all die Jahre begleitet. Immer, wenn jemand traurig oder verzweifelt war, hat es Trost gespendet.” Jo-Jo beobachtete Pippoloppo genau, sie wartete auf den magischen Moment. Gleich musste es soweit sein.
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“Ich glaube, dieses Buch öffnet sich seinem Leser nicht auf die übliche Weise. Sonst wäre das Siegel schon längst gebrochen worden.” Pippoloppo streichelte zärtlich über die Schnalle. “Allein es in den Händen zu halten, erfüllt mich mit tiefer Zufriedenheit! Nein, wirklich …” Er sah Jo-Jo mit großen Augen an. “Ich spüre … Ich … Hast du auch schon einmal das große Verlangen gehabt, deine Stirn auf den Einband zu legen?”
Die Clownsdame schüttelte den Kopf. “Nein”, sagte sei leise. “Und selbst wenn. Das hätte ich mich nie getraut.”
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Pippoloppo fühlte, wie dieses Buch ihn magisch anzog. Er senkte langsam den Kopf und berührte mit seiner Stirn sachte den Einband.
Ein metallenes Klicken ließ ihn aufschrecken. Die Schnalle, die den Buchdeckel verschlossen hielt, war aufgesprungen.
Staunend sahen sich die beiden Clowns in die Augen. Jo-Jo nickte Pippoloppo aufmunternd zu und der traurige Clown öffnete den Buchdeckel. Er blätterte auf den Seiten, doch er konnte die Zeichen nicht lesen. Das Buch war in einer ihm völlig fremden Sprache geschrieben.
Nach der hälfte des Buches erschien ein weiterer Buchdeckel. Pippoloppo schlug auch diesen Buchdeckel auf und darunter lag ein Hohlraum.
Jo-Jo kam näher und die beiden betrachteten die drei Gegenstände, die sich darin befanden. Vorsichtig nahmen sie die Gegenstände heraus. Es waren ein Schlüssel, eine in Wachstuch gefaltete Karte und eine Goldmünze.
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Pippoloppo drehte die Münze gedankenverloren in seiner Hand und versuchte, die Zeichen darauf zu deuten. “Ohne zu wissen, was in dem Buch geschrieben steht, werden wir nie hinter sein Geheimnis kommen. Du sagst, deine Ur-Ur-Ur-Großmutter hat es von den berühmtesten Clowns geschenkt bekommen?”
Jo-Jo nickte.
“Ich glaube, wir müssen herausfinden, wer diese berühmtesten Clowns waren. Vielleicht erfahren wir dadurch, was das für eine Schrift ist. Und dann können wir übersetzen, was vor 150 Jahren geschrieben wurde. Weißt du noch genau, wo deine Ur-Ur-Urgroßmutter geheiratet hat? Wo sie gelebt hat? Dort sollten wir mit der Suche beginnen.”
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Jo-Jo schloss die Augen. Sie versetzte sich zurück in ihre Kindheit. Sie saß mit der Mutter am Feuer. Im großen Kessel über der Feuerstelle schmorte das Gulasch und Jo-Jo fühlte die freudige Erwartung, wenn sie sich nach der letzten Vorstellung alle zusammen am großen Tisch versammeln und zu Abend Essen würden. Die Artisten, die Reiter, die Clowns und die Zauberer, alle waren Teil einer großen Familie. und während der Duft des Kessels sie umgab, erzählte ihr die Mutter Geschichten aus der Vergangenheit. “Budapest”, sagte Jo-Jo völlig verträumt. Die Clownsdame öffnete die Augen, blätterte durch das Buch. “Aber das ist nicht ungarisch”. Ihre Hand glitt über über das mit Tinte beschriebene Papier. “Das ist irgendwie, magisch”.
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“Woher wusstest du, dass es 150 Jahre her ist? Schau mal, hier steht ein Datum: 5. Mai 1871.” Pippoloppo zuckte mit den Schultern.
“Das ist mir eingefallen, als ich das Buch durchgeblättert habe, da wusste ich es auf einmal. Aber wenn es nicht ungarisch ist, was ist es dann? Magisch ist doch Unsinn. Lass nochmal sehen.” Er nahm das Buch und blätterte langsam durch die Seiten.
“Das ist eine kyrillische Schrift, aber nicht Russisch, irgendwie anders. Bulgarisch, vielleicht.” Jo-Jo zog die Augenbrauen hoch.
“Woher weißt du, wie Bulgarische Schrift aussieht?” Er lächelte wehmütig, als er an Alina dachte.
“Alina. Sie war Bulgarin und meine erste große Liebe, damals, mit 18.”
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Jo-Jo nahm das Wachstuch und entfaltete es. Es war ein handschriftliches Abbild eines Stadtplans. An der linken oberen Ecke war in großen Buchstaben ein Name eingezeichnet: София
Jo-Jo sah Pippoloppo fragend an, “Sagt dir das etwas?”.
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Pippoloppo schniefte. „Sofia. Es war eine wunderschöne Stadt an den Ufern des Iskar. Bevor… Bevor… Sofia in den Schatten verschwand. Das Lachen erstarb auf den Straßen, die Menschen wurden stumm und fahl. Das Böse nahm an diesem Tage seinen Anfang und sprang von einer Hauptstadt Europas zur nächsten. Seitdem leben wir auf dem Lande und in Städten, die zu unbedeutend und dünn besiedelt sind, um den Hunger der Finsternis zu wecken. Unser Humor hat uns lange am Leben gehalten. Doch es breitet sich aus. Hörst du noch ein Lachen dort draußen?“
Er schreckte auf. Da war tatsächlich ein Lachen. Ein glockenhelles, unbekümmertes Lachen.
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Jo-Jo blickte gedankenverloren auf den Stadtplan. Vor ihrem inneren Auge tauchte ein kleiner Zirkus am Rande der Stadt auf. Er war schon lange verlassen. Durch die Risse im Zelt wehte Schnee in die zugemüllte Manege. Zwei, drei ausgebrannte Wagen standen daneben und eine Schaukel quietschte rostig im Wind.
Tränen liefen ihr über die Wangen.
Dem Clown tat es weh, sie weinen zu sehen. Er ergriff ihre Hände und sah ihr aufmunternd ins Gesicht. So war das in ihrem Beruf; andere zum Lachen bringen, auch wenn einem selbst nicht danach war. Wie soll man Menschen für etwas begeistern, wenn man nicht mit dem Herzen dabei ist?
Ein Klopfen an der Tür unterbrach seine Gedanken.
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Schnell schob er das Buch, die Karte und den Schlüssel unter ein buntes Tuch, das zufällig noch auf seinem Schminktisch lag.
Er reichte Jo-Jo ein Papiertaschentuch, mit dem sie ihre Tränen trocknete. Niemand sollte sie weinen sehen. Sie nickte.
“Ja? Wer ist da?” Die Antwort war ein Hämmern an der Tür.
“Lasst mich rein, bitte! Ich, ich … ich bin’s, Mia, sie sind hinter mir her!”
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Pippoloppo öffnete die Tür. “Hallooo, Mia, tritt ein in unsere gemütliche Stube”. Mia war ganz außer Atem. “Ich brauche erstmal einen Schnaps”. Jo-Jo hatte bereits die Gläser gerichtet. Es war mittlerweile zu einem allabendlichen Ritual geworden, dass Mia Zuflucht bei ihnen suchte. Sie war der Star in der Manege, nannte sich Tamira und brachte mit ihrer magischen Hypnose manche Damen und Herren so sehr in Wallung, dass sie kurz nach Ende ihrer Show so schnell wie möglich das Weite suchen musste. “Ich danke Euch, Mädel und Bub”, sagte Mia und leerte das Glas mit einem Zug. “Sagt mal, was habt ihr denn da gerade für einen Zauber in eurem Wagen veranstaltet?”. Die beiden Clowns schauten unschuldig drein. “Wir?, was?”, kam es wie aus einem Mund. “Mir kam es eben gerade so vor, als hättet ihr in eurem Wagen ein wahres Feuerwerk veranstaltet. Vielleicht bekomme ich Migräne von diesem ganzen Stress”. Jo-Jo tätschelte Mia liebevoll auf die Schulter, “alles gut, mein Mädchen. Wir haben nur unsere neue Nummer geprobt”. Mia schaute die beiden Clowns mißtrauisch an, “ne, ne, ne. Ich spüre da gerade etwas ganz anderes. Ihr habt gerade ziemlich was auf die Augen und Ohren bekommen. Schwindelt mich ja nicht an, ich bin Tamira, Magier des Übersinnlichen. Mir könnt ihr nichts vormachen”. Jo-Jo schenkte nach und schaute zu Pippoloppo hinüber.
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Pippoloppo nickte Jo-Jo zu und die Clownsdame zog das bunte Tuch beiseite.
Mia starrte auf das Buch und die drei Artefakte. “Ach Du meine Güte”. Sie stand auf, schreckensbleich im Gesicht. “Habt ihr etwa, nein, ihr habt nicht? Oder doch?”. “Haben wir nicht doch oder was?”, fragte Jo-Jo erschrocken. Mia nähert sich vorsichtig dem Buch und betrachtete den Einband und die Schnalle “ihr habt es nicht einfach so aufgerissen?”. “Nein, haben wir nicht, also eigentlich ist es von selbst, oder fast wie von selbst aufgesprungen”. Mia schaut ernst zu Pippoloppo hinüber. “Das Buch öffnet sich dem, der dieser Aufgabe würdig ist”.
“Was, was meinst Du damit”, Pippo´s Hände knäulten ruhelos am Taschentuch.
"Du bestehst die Prüfung und bringst der Welt ihr Lachen zurück oder ", Mia goss sich selbst das Glas ein und leerte es mit einem Zug “oder wir versinken in der Finsternis, voller Trübsal und Traurigkeit”.
“Ich?”, Pippoloppo rannen sogleich wieder Tränen über die Wangen. “Ich kann das doch nicht”.
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“Ich wusste nicht, dass das Buch überhaupt noch existiert!” Mia setzte sich hin. “Mein Großvater hat mir immer erzählt, dass es ein Buch gibt, das dem Zirkus den Weg zurück ins Licht zeigt, falls alle Lichter der Manege einmal ausgehen sollten. Er hat es genauso beschrieben. Mit genau diesen drei Gegenständen zwischen den Seiten. Ich hielt es für ein Mythos, denn er sagte außerdem, dass Magier es verschlossen hätten und es sich von selbst öffnen würde, wenn seine Zeit gekommen war.”
“Hat dein Großvater dir auch gesagt, was zu tun ist, wenn es sich öffnet?”, wollte Jo-Jo wissen.
Mia schüttelte den Kopf. “Er hat nur gesagt, dass das Buch ein Wegweiser ist.”
“Kennst du jemanden, der diese Seiten lesen kann?” Pippoloppo schlug den vorderen Teil des Buches auf und zeigte ihn Mia.
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Mia sah sich die Schriftzeichen an und schüttelte den Kopf.
“Na, ich jedenfalls nicht. Was ist das für eine Sprache?”
“Bulgarisch, vermutlich. Kyrillische Buchstaben. Auf der Karte steht Sofia, das muss ein Stadtplan von Sofia sein.”
Plötzlich lachte Mia laut auf. Jo-Jo und Pippoloppo guckten verdutzt.
“Das erinnert mich an einen alten Freund, der kommt aus dem ehemaligen Ostblock. Ich werde mal sehen, ob ich ihn erreichen kann.” Sie zog ihr Telefon aus der Tasche und suchte eine Nummer. Sie wählte und stellte auf Lautsprecher.
“Da.”
“Privet, Ruvan, kak dela? Heute mal auf Deutsch, izvini.”
“Haha, meine Liebe. Damit sind Deine Russischkenntnisse auch bereits erschöpft, wie ich weiß. Was gibt’s?”
“Ich bin hier bei meinen Freunden Jo-Jo und Pippoloppo, Du kennst sie ja auch. Jo-Jo hat das Buch und Pippo hat es aufmachen können. Aber wir können es nicht lesen, sieht kyrillisch aus, Bulgarisch vielleicht.” Stille. Lange hörten sie nichts.
“Das Buch ist aufgegangen?”
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[SPOILER=“Offtext”]
Boah, Leute! Ich kann kein Russisch. Nach Privet hört’s auf … [/SPOILER]
Zweites Kapitel
Pippoloppo lenkte den alten Benz, während Jo-Jo neben ihm saß und in dem Buch blätterte. Hinter ihnen schaukelte gemächlich der Wohnwagen, der auf der Front mit einem fröhlichen Clownsgesicht bemalt war.
“Unglaublich, dass Mia Romolo dazu überreden konnte, uns für eine Woche frei zu geben.” Pippoloppo setzte den Blinker und fuhr auf die Autobahn. “Unser Chef soll ziemlich große Augen gemacht haben, als sie ihm von dem Buch erzählt hat.”
“Ja, ist schon verrückt”, antwortete Jo-Jo und kontrollierte im Seitenspiegel, ob Mias Gespann ihnen folgte. “Da ist das Buch so lange verschlossen in meinem Familienbesitz und plötzlich ist alles anders.” Sie blätterte in den Seiten. “Meinst du, dieser Ruvan kann entziffern, was hier steht?”
“Das, meine Liebe, werden wir bald herausfinden.”
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