… in meine beiden neuen Ermittlerinnen.
„Angel“ in VOLLTOD kommt bei Lesern UND Leserinnen gleichermaßen gut an. Jetzt hoffe ich, dass die beiden Ermitterinnen meines Mystery-Krimis (mit schwarzem Humor) ebenso ihre Fans finden werden. Deshalb interessiert mich eure Meinung sehr. (Ich hoffe, die Kostprobe ist nicht zu lang.)
LENAS FALL
Mehr liegend als sitzend lümmelte sich Lena Kalten in ihrem vergammelten Drehsessel. Ihre Füße auf dem Schreibtisch und die Hände hinter dem Kopf gefaltet, balancierte sie gekonnt auf nur zwei Rollen. Ständig knapp am Kipppunkt. Wie immer, wenn sie intensiv nachdachte, trieb sie es bis zum Äußersten. Das förderte ihre Konzentration immens. Bis ein energisches Klopfen sie aus ihren Gedanken riss. Und aus dem Gleichgewicht. Einen Wimpernschlag später schlug sie mitsamt Stuhl auf den Boden.
Die Tür flog auf und prallte gegen einen Aktenschrank.
»Kalten?« Die Stimme von Kriminalrat Üppler donnerte in das kleine Büro. Die Hände in den breiten Hüften schaute er sich suchend um. »Wo steckt die schon wieder?«
»Wer?«
Üppler wirbelte herum.
»Wer wohl? Die Kalten natürlich.«
»Keine Ahnung, Chef. Eben war sie noch da.« Anne Hagen hielt eine Papiertüte in die Höhe. »Ich war nur rasch beim Bäcker.«
Kriminalrat Üppler wies mit großer Geste zu Lenas verwaistem Schreibtisch.
»Die soll sich bei mir melden, wenn sie wieder auftaucht. Auf der Stelle.«
Er schob Anne beiseite und nahm Kurs auf die Tür. Dann blieb er noch einmal stehen und nahm Lenas Assistentin ins Visier.
»Was essen Sie da?«
»Nussschnecke. Sehr lecker. Möchten Sie eine?«
Anne sah, dass Üppler wankte. Sie gab ihm den entscheidenden Stoß.
»Na los, Chef. Damit wenigstens Ihr Magen arbeitet.«
Er nickte finster und fischte ein Teilchen aus der Tüte. Kauend verließ er das Büro.
Anne sah ihm nach. Erst als sich die Tür hinter dem Vorgesetzten geschlossen hatte, wandte sie sich zu ihrem Arbeitsplatz. Mit einem spitzen Schrei warf sie die Arme so heftig in die Höhe, dass die Tüte zerriss. Zwei Plunderteilchen segelten über die Kommissarin hinweg. Wie ein Zombie erhob sich Lena reichlich derangiert hinter ihrem Schreibtisch; das Haar so wirr wie der Blick.
»Scheiße …« Anne rang nach Luft. »… hast du mich erschreckt. Wo kommst du denn auf einmal her?«
Lena richtete Frisur und Kleidung.
»Was wollte Üppler?«
»Keine Ahnung. Er klang aber angepisst. Hast du dich vor ihm unter dem Schreibtisch versteckt?«
Lena schüttelte den Kopf. Sie machte ein paar Dehnübungen gegen die Rückenschmerzen. Ihr Blick suchte die beiden Plunderteilchen am Boden.
»Sind das meine?«
Anne sammelte die Übrigen auf und prüfte sie gewissenhaft, bevor sie nickte.
»Eins musste ich Üppler überlassen. Vielleicht beruhigt es ihn ein wenig. Du sollst dich bei ihm melden.«
»Der kann mich mal.«
Lena hob erst ihren Stuhl, dann die Teilchen vom Boden auf. Sie nahm wieder Platz, pustete Staub von ihrem Gebäck und biss hinein.
»Klang aber dringend«, sagte Anne.
Lena schlang einen Bissen herunter.
»So klingt Üppler immer. Was kriegst du von mir?«
»Ungefähr hundert Euro.«
Lena hob eine Augenbraue.
»Für zwei Teilchen?«
»Ach so. Ich dachte, du meintest alles. Die Teilchen haben fünf Euro gekostet. Sieben, mit dem für Üppler.«
»Das bezahlst du schön selbst. Mein Geld bekommst du nachher.«
Lena war schon im Begriff wieder einen Fuß zu heben, sah dann aber doch davon ab. Stattdessen drehte sie sich zum Tisch und stützte ihre Ellbogen auf die Platte. Nachdenklich knabberte sie an ihrem Gebäck.
»Das gefällt mir nicht.«
»Ich hab’ noch eins mit Nugatcreme«, sagte Anne.
Lena deutete mit ihrem angebissenen Hefeteilchen zur Tür.
»Was will der Arsch von mir? Haben wir Mist gebaut?«
»Nicht mehr als sonst. Ruf ihn doch an.«
Lena tippte sich an die Schläfe.
Schon klingelte ihr Telefon. Sie nahm ab und bereute es, kaum, dass sie Üpplers Stimme erkannte. Sogar Anne konnte den Kriminalrat hören, weil Lena den Hörer ein Stück vom Ohr hielt. Dabei war der Lautsprecher gar nicht eingeschaltet. Üppler brüllte so laut, dass man kaum ein Wort verstand.
Lena verzog das Gesicht. Die Lippen formten einen stummen Fluch, bevor ihre Stimme barsch wurde.
»Oberkommissarin, bitte, Herr Kriminalrat … Natürlich bin ich im Büro … Ich war nur kurz weg … Wie? Sofort?«
Lena legte auf und zeigte ihrem Telefon den Mittelfinger.
»Ärger?«, fragte Anne.
Lena winkte ab.
»Irgendein Auftrag. Ein Scheißauftrag, vermutlich.«
Anne verschluckte sich fast.
»Ein Fall? Für uns?«
»Freu dich nicht zu früh. Wie ich Üppler kenne, ist das kein Fall, sondern eine Falle. Der will mich absägen, der Arsch.«
Sie erhob sich und rieb Krümel von Händen und Jeans.