Hüttengaudi mal anders

Anbei eine Kurzgeschichte in Reiseberichtform. Bin gespannt, ob ihr erratet, um welches lustige Volk es sich bei den Feiernden handelt!

Gruß

Super Girl

(Ohne Überschrift, die würde sonst zu viel verraten!)

„Immer rein in die gute Stube! Gut seht ihr zwei aus!“ Mit diesen Worten wurden mein Vater und ich von Ramhaz begrüßt. Der lustige Mann mit der braunen Zipfelmütze ließ es sich nicht nehmen uns mit einer herzlichen Umarmung auf der Skihütte willkommen zu heißen. Ihm folgten drei weitere Zipfelmützenträger. Loko, der mir schelmisch zuzwinkerte, Aydin, die meinen Vater umarmte sowie Zarzak, der sogleich einen Begrüßungsschnaps austeilte.

Wir hingen unsere dicken Pelzmützen an die vorgesehenen Haken, dann verstauten mein Vater und ich unser Reisegepäck. Das Holz unter unseren Füßen knarzte, als wir die Eichenholztreppe nach oben gingen. Mein Vater und ich hatten uns Wechselwäsche und Proviant für die nächsten Tage mitgebracht, die wir auf der Hütte verbringen würden.

Unsere Gastgeber erwarteten uns bereits. Aydin stand, tüchtig wie immer, in der Küche und bereitete das verspätete Mittagessen zu. Ihre Hände wischte sie sich an der grünen Küchenschürze ab, dann schüttelte sie meinem Vater und mir nochmals kräftig die rechte Hand. Dabei stieg mir ein Geruch von heißen Würsten und frisch gebackenem Brot in die Nase.

Wir begrüßten die übrigen Herrschaften, die bereits im Esszimmer Platz genommen und uns nicht im Eingangsbereich begrüßt hatten. Den hinkenden Humarak, den bulligen Ottawa und dessen Vater, der von allen nur Spikes gerufen wurde. Spikes und mein Vater begrüßten sich mit Schulterklopfen, da sie sich von früheren Kneipenabenden kannten.

Dem verspäteten Mittagessen folgte ein gemütlicher Hüttenabend mit Spiel und Spaß. Da ich von vorangegangenen Hüttenbesuchen wusste, dass die anderen gerne bis in die späten Nachtstunden feierten und es obendrein im Bettenlager sehr kalt war, blieben wir überwiegend in der vom Holzofen beheizten Essensstube. Wir spielten Kartenspiele und tranken mehrmals auf Humarak, der sein achtzigstes Lebensjahr erreicht hatte. Dabei floss reichlich Bier.

Am nächsten Morgen, nach einem üppigen Frühstück, kamen nächsten Gäste an. Mit Videlix, Jorin und Feifer, den jüngsten Burschen im Bunde, verstand ich mich prächtig. Ich schüttelte jedem von ihnen kräftig die Hand, so wie es bei den Zipfelmützenträgern der Brauch war. Daraufhin erzählte mir Jorin, dass er als gelernter Koch für den Abend ein Überraschungsmenü für den Geburtstagsjubilar zaubern würde. Dabei sollten ihm Videlix und Feifer zur Hand gehen.

Nach einem herzhaften Mittagessen, es gab Bratkartoffeln mit Speck und gerösteten Zwiebeln, schloss ich mich einer Gruppe für eine Winterwanderung an. Wir tauschten unsere Zipfelmützen mit unseren Pelzmützen und den dicken Wintermänteln. Da es draußen geschneit hatte, war diese zusätzliche Wärme dringend nötig. Mein Vater, Ramhaz, Loko und ich machten uns mit Wanderstöcken bewaffnet auf den Weg. Ich verabschiedete mich von Jorin, der eifrig Zutaten in eine Suppenschüssel gab.
„Bis später dann. Aber ein bisschen Bewegung muss sein!“, rief ich ihm zu. „Immerhin gibt es später noch ein deftiges Abendessen, wie ich euch Hobbyköche kenne!“
Dies bestätigte Jorin mit einem Kopfnicken.

Von der Aussichtsplattform des Rennberghauses aus konnte man direkt auf die Berglandschaft blicken. Somit wurde unser anstrengender Aufstieg entsprechend belohnt. Da Loko, Ramhaz und ich unbedingt in der Rennbergstube einkehren wollten, fügte sich mein Vater nur widerwillig der Mehrheit. Wir gönnten uns einen cremigen Kaffee. Ich mit Milch, mein Vater ohne Milch.

Nach dieser guten Stärkung wanderten wir zurück. Auf halber Strecke stellte Loko fest, dass er seine Wanderstöcke in der Rennbergstube vergessen hatte. Deshalb kehrte ich mit ihm zurück, während die anderen auf uns warteten. Von Loko erfuhr ich im Gespräch unter vier Augen, dass er die Stöcke mit Absicht zurückgelassen hatte, denn er wollte mir ein Geheimnis anvertrauen. Über eine Bodenluke in der Rennbergstube konnte man durch ein Splingloch in eine andere Zone dieser Welt gelangen. Nur Loko und der Wirt der Rennbergstube wussten davon. Und jetzt auch ich. Ich versprach Loko, dieses Geheimnis für mich zu behalten, erst dann kehrten wir, dieses Mal mit Lokos Wanderstöcken zur Gruppe zurück.

Bis zum geplanten Überraschungsmenü am Abend mussten wir uns die Zeit vertreiben. Loko und ich hatten uns in ein Nebenzimmer verkrochen und tauschten Geheimnisse miteinander aus. Dabei erfuhr ich, dass es in dieser Welt noch mehr Splinglöcher gab. Da Loko mittlerweile wieder seine Zipfelmütze trug, kramte er in der Innentasche dieser Mütze und faltete einen vergilbten Zettel auseinander. Es war eine Karte, auf der sämtliche Splinglöcher dieser Welt verzeichnet waren. Zu meiner Überraschung reichte er mir die Karte. Obwohl wir unter uns waren, flüsterte er: „Ich bin im Besitz eines exakten Duplikats dieser Karte. Du kannst die echte Karte ruhig behalten!“ Er zwinkerte mir zu, ich zwinkerte zurück.

Wie gut, dass die anderen so sehr in ihre Gespräche vertieft waren, dass sie unser Fehlen gar nicht bemerkten. Die Zeit verging dann plötzlich wie im Flug. Natürlich unterhielt ich mich auch mit den anderen Herren. Insbesondere Jorin, Feifer und Videlix löcherte ich mit Fragen rund um das Thema Ernährung.

Als ersten Gang kredenzten die Köche uns eine deftige Rinderbrühe mit Fleischeinlage. Der Hauptgang bestand aus kleinen Krautwickeln, Entenfleisch und Kürbismus. Der dritte Gang wurde schließlich als Nachspeise gereicht. Hier bekamen wir gebackene Äpfel mit Nüssen und einer süßlichen Soße, die nach Vanille duftete. Das Überraschungsmenü schmeckte herrlich.

Im Anschluss an das leckere Essen gab es eine große Feier zu Ehren des Geburtstagsjubilars. Es wurden zünftige Lieder gesungen, zu dessen Rhythmus ich mitwippte. Der bullige Ottawa wurde ständig von seinem Vater zum Bier holen ins Bierlager geschickt. Ich löste ihn nach einer Weile ab, denn der Arme tat mir irgendwie leid. Er war genau wie der hinkende Humarak nicht gut zu Fuß.

Es floss reichlich Bier, ich hingegen war mittlerweile auf Wasser umgestiegen, da ich nicht so viel Alkohol vertrug. Spikes verschüttete nach dem gefühlt siebten Bier das achte über seinen Klamotten. Meinen Vater hätte es auch beinahe getroffen, wäre er nicht rechtzeitig zur Seite gesprungen. Daraufhin musste sich Spikes umziehen und eine Hose seines Sohnes borgen. Der Jubilar hielt eine Ansprache und fiel dabei beinahe vom Stuhl, auf den er geklettert war, um sich den nötigen Respekt zu verschaffen. Alles in allem war es ein gelungener und lustiger Abend.

In der Nacht studierte ich die Karte von Loko. Ich beschloss noch während unseres Urlaubes dem Geheimnis der Splinglöcher auf den Grund zu gehen!

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Anbei Teil 2 meines etwas anderen Reiseberichts:

Hilfe für Humarak (Teil 2)

Am nächsten Morgen wurde ich wachgerüttelt. Mein Vater war vor mir aufgestanden und bereits angezogen. Normalerweise war es andersrum, also dass ich als Erste aufstand und ihn weckte. Jedenfalls kultivierten wir uns im Waschraum und eilten wenig später die Eichenholztreppe nach unten, die wieder unter unseren Füßen knarzte. Aber kein Wunder, die Hütte war immerhin schon über 100 Jahre alt, was mir Loko einmal erzählt hatte.

Nach einem reichhaltigen Frühstück wunderten wir uns darüber, dass Humarak, der sonst keine Mahlzeit ausließ, sich nicht zu uns gesellte. Als Humarak auch eine Stunde später immer noch kein Lebenszeichen von sich gab, ging Loko los, um nach ihm zu sehen. Zu diesem Zeitpunkt dachten wir uns nichts groß dabei.

Als jedoch eine weitere Stunde verging, ohne dass sich Humarak bei uns meldete, wurden auch die anderen unruhig. Loko hatte in der Zwischenzeit nichts von dem Geburtstagsjubilar gehört. Er war wie vom Erdboden verschwunden. Deswegen durchsuchten wir die gesamte Hütte nach Humarak. Ottawa, der eine verschlossene Tür aufbrechen musste, fand den Vermissten schließlich in einem privaten Waschraum. Sofort trommelte Ottawa uns zusammen, denn Humarak befand sich in einer ungewöhnlichen Position. Wir fanden ihn über der Toilette gebeugt. Ich wollte gar nicht sehen, was sich dort abspielte und erfuhr im Nachhinein von Ottawa, dass Humarak Blut gespuckt hatte. Dafür erhielt ich einen Auftrag. Ich sollte zusammen mit Jorin und Fiver einen Heiler holen, was wir sogleich taten. Videlix wollte bei Humarak bleiben, mit der Begründung: „Irgendwer muss sich ja um unseren Jubilar kümmern!“

In Windeseile zog ich mich um. Jorin und Fiver taten es mir gleich. Da sich die Jungs in den Bergen besser auskannten als ich, wussten sie, wo sich die nächste Notrettungsstation befand. Und zwar ganz in der Nähe der Rennbergstube. So machten wir uns an den Aufstieg. Insgeheim musste ich trotz der ernsten Situation an die Splinglöcher denken. Wenn es stimmte, was Loko mir am Abend zuvor mitgeteilt hatte, waren diese Splinglöcher eine Möglichkeit binnen Sekunden von einem Ort zum anderen zu reisen. So ein Splingloch wäre also genau richtig, um schnell Hilfe zu holen. Ich war hin- und hergerissen. Sollte ich die Jungs in mein Geheimnis einweihen oder lieber nicht? Immerhin ging es darum, einem gesundheitlich angeschlagenen Bergzwerg zu helfen.

Schließlich tat ich es doch. Ich folgte meinem Gewissen und beichtete zumindest Jorin, was ich wusste, indem ich es ihm ins Ohr flüsterte. Er riet mir, Fiver ebenfalls einzuweihen, der bereits neugierig die Ohren spitzte. Zu dritt eilten wir dann zur Rennbergstube. In Windeseile hatten wir uns einen Plan zurechtgelegt. Fiver würde dem Wirt die Notsituation erklären, während ich Jorin das Splingloch zeigen sollte.

Zu unserem Pech hatte die Rennbergstube geschlossen. Wir rüttelten an der Tür, doch vergebens. Da fiel Fiver ein, dass er einen Trick kannte. So fummelte er mit einem länglichen Gegenstand am Türschloss herum. Irgendwann machte es „Klick“ und „Klack“. Jorin und ich staunten darüber, denn wir hatten zuvor nicht gewusst, dass Fiver ein Schloss knacken konnte. Fiver betonte, dass jede Sekunde zählte. Immerhin hatten Loko und Ottawa festgestellt, dass der Jubilar halb bewusstlos war. Auch ich trat ungeduldig von einem Bein aufs andere. Kaum war die Tür der Rennbergstube geöffnet, verschwand ich eilig nach drinnen. Insgeheim hoffte ich, dass unser Einbruch ungestraft blieb. Fiver schloss die Tür mit demselben Trick, mit der er sie geöffnet hatte. Dann ließ er sein Einbruchswerkzeug verschwinden.

Ich zeigte den Jungs den Weg zum Splingloch. Wir mussten eine hölzerne Treppe nach unten gehen, im zweiten Kellerraum eine Bodenluke öffnen und einen Bierkasten beiseiteschieben. Erst dann offenbarte sich uns das Splingloch. Jorin staunte bei diesem Anblick. Er hatte zwar bereits von seinem Vater gehört, dass solche Splinglöcher existierten, aber selber hatte er noch nie eines gesehen. Fiver erging es nicht anders. Ich unterbrach ihre Anekdoten, indem ich rief: „Wir müssen uns beeilen. Fiver hat selbst gesagt, dass jede Sekunde zählt. Also los jetzt!“
Die Jungs staunten über meine energische Ansprache. Dennoch teilten sie meine Meinung. Deswegen sprangen wir durch das Splingloch, in der Hoffnung bald einen Heiler zu finden.

Fortsetzung folgt!!!

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Feedback zu dieser Kurzgeschichten-Reihe ist übrigens gerne erwünscht.
Anbei nun Teil 3!

Gruß

Super Girl

Auf der Jagd im Wilden Wald (Episode 3)

Wir landeten mitten auf einer Waldlichtung.
„Hey, was soll das? Wo kommt ihr so plötzlich her? Jetzt ist meine Beute weg!“, rief uns jemand zu. Ich konnte die energische Stimme einer Frau, die ich auf zwanzig Jahre schätzte, zuordnen. Weiterhin sah ich einen Hirsch in einiger Entfernung erschrocken wegrennen. Erst jetzt realisierte ich, dass wir mitten in eine Jagd geplatzt waren, denn auch andere mit Pfeil und Bogen bewaffnete Wesen standen um uns herum. Sofort richteten diese Wesen, die ich als Elfen identifizieren konnte, ihre Waffen auf uns.

„Wer seid ihr und was habt ihr hier zu suchen?“, sprach die Elfenfrau an mich gewandt.
„Was ist das für eine Begrüßung? Wir sind Gäste. Das sieht man doch!“, verteidigte ich mich. „Außerdem brauchen wir Hilfe für einen Freund!“
„Das ist kein Grund uns die Beute zu verscheuchen!“
„Jenriella, mäßige dich! Ich muss unsere junge Jägerin entschuldigen. Sie ist leider immer so aufbrausend“, meldete sich eine männliche Stimme zu Wort. Sie gehörte zu einem Elfen, der sich auf einen Gehstock stützte und unbewaffnet war.
„Für dich immer noch Jenny, Opa Waradiel!“

Ich seufzte und entschuldigte mich dafür, dass wir in die Jagd hereingeplatzt waren. Doch die junge Elfe würdigte mich zunächst keines Blickes.

Ich stellte fest, dass Fiver aus unserer Reisegruppe fehlte. Zudem bemerkte ich, dass Jakob es nicht lassen konnte, die energische Elfenfrau anzustarren. Ich ermahnte ihn, dies zu unterlassen. Doch mein Begleiter reagierte erst beim dritten Anstupsen.
„Jakob, man starrt keine fremden Frauen an. Das gehört sich nicht. Hast du etwa vergessen, dass wir auf einer wichtigen Mission unterwegs sind?“
„Natürlich nicht“, stammelte dieser. „Tschuldigung!“

Nach einer kurzen Vorstellrunde aller Anwesenden erklärte ich den Grund für unser Eindringen. Da ich aus Erzählungen meines Vaters wusste, dass Waldelfen nicht gut auf Bergzwerge zu sprechen waren, ließ ich weg, dass ein Bergzwerg unsere Hilfe brauchte. Stattdessen erwähnte ich, dass wir einen Heiler für einen gesundheitlich angeschlagenen Freund brauchten, was nicht mal gelogen war.

Der Älteste der Jagdgruppe gab seinen Begleitern daraufhin ein Zeichen, dass sie ihre Waffen senken sollten. Waradiel, der sich uns vorstellte, betonte, dass er schon lange keine Bergzwerge mehr im Wilden Wald gesehen hatte. Das letzte Mal sei über dreißig Jahre her. Seine Enkelin, die uns so unfreundlich begrüßt hatte, schien kurz zu grübeln. Schließlich schulterte sie ihren Bogen, stopfte den Pfeil zurück in den Köcher und marschierte auf uns zu. Sie murmelte eine Entschuldigung, dann gab sie mir die Hand. Offenbar wollte sie ihren Großvater nicht verärgern. Es folgte ein kurzer Händedruck.

Nur wenige Sekunden später konnten Jakob und ich eine interessante Entdeckung machen. Ein Stein, den Jenny um den Hals trug, leuchtete hellorange auf. Auf Nachfrage, was dies zu bedeuten hatte, erzählte uns Waradiel eine Geschichte über fünf Auserwählte. Jennys Urgroßvater Raniel war vor 35 Jahren der letzte Auserwählte vom Waldelfenvolk gewesen, der mit Gleichgesinnten unterwegs war, um Freunde eines Luk Kranich aus den Fängen von Lord Fethelin zu befreien. Ich kannte diese Geschichte und wurde bei dem Namen „Luk Kranich“ hellhörig.
„Luk Kranich ist mein Vater“, betonte ich daraufhin. „Was für ein Zufall. Ich kenne diese Geschichte von meinem Onkel Ferrol!“, rief Jakob dazwischen.
„Wir sind aber nicht zum Geschichtenerzählen hier!“
„Das weiß ich selber, Kira. Ich bin eigentlich nur mitgekommen, um Hilfe für Humarak zu finden!“
„Oh Mann, ihr habt ja Probleme“, stöhnte Jenny.

Der Stein um Jennys Hals hatte mittlerweile zu leuchten aufgehört. In knappen Sätzen berichtete die junge Elfe mit der lustigen Frisur (sie trug ihre Haare nach hinten zu zwei kleineren Zöpfen gebunden), dass der Stein nur leuchtete, wenn sich Auserwählte in der Nähe befanden. Ich schaute an mir herunter. Ich hatte definitiv nichts Besonderes an mir. Somit musste jemand anderes damit gemeint sein. Oder?

Da Waradiel und Jenny den Ernst der Situation erkannten, sprachen sie kurz in einer uns unbekannten Sprache, wahrscheinlich Elfisch, mit ihren Begleitern. Waradiel würde die Jagdgruppe zurück in ihre Heimatstadt führen und Jennys erste Jagd auf ein andermal verschieben, was die junge Elfe für uns gerne in die Weltsprache übersetzte. Ihr vorheriger Ärger war wie weggeblasen. Stattdessen hatte sie eine Entscheidung getroffen, die sie uns sogleich mitteilte.
„Ich werde euch begleiten, Reisende. Mein Stein hat bis jetzt noch nie geleuchtet. Ich werde herausfinden, ob es noch weitere Auserwählte gibt. Das ist wichtig für mich. Jagen kann ich jederzeit. Ein Leben retten und dabei vielleicht andere Auserwählte finden, kann ich nicht jeden Tag!“
Ich staunte über diesen Sinneswandel.

Ohne Vorwarnung packte sich Jenny Jakob und rannte los. Ich folgte den beiden und verabschiedete mich von Waradiel, der über Jennys Aktion lachte.
„Typisch, Jenriella. Immer voller Tatendrang!“
„Für dich immer noch Jenny, Großvater!“
Offenbar hatte Jenny gute Ohren. Mir missfiel, dass sie plötzlich das Kommando über unsere Mission übernahm. Deswegen versuchte ich ihren Eifer etwas auszubremsen, als ich erwähnte: „Weißt du eigentlich, wo wir einen Heiler finden werden?“

Abrupt blieb Jenny stehen, sodass Jakob unsanft gegen den Köcher der Elfe krachte und sich die schmerzende Stelle rieb.
„Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Tschuldigung!“
„Scheint wohl typisch für dich zu sein, erst loszurennen und dann Fragen zu stellen!“, entfuhr es mir. Woraufhin Jenny beleidigt die Hände vor der Brust verschränkte.

Da wurde es Jakob zu turbulent. Er stellte sich zwischen uns. „Hört auf damit! Streiten bringt uns nicht weiter. Erst mal müssen wir Fiver finden, mit dem wir hergekommen sind. Danach brauchen wir einen Heiler für Humarak. Verstanden?“
„Verstanden!“, riefen Jenny und ich gleichzeitig. Jenny funkelte mich noch einmal böse an. Ich entschuldigte mich für meinen Gefühlsausbruch, doch davon wollte sie nichts wissen. Dieses Mal seufzten Jakob und ich.
„Was für ein Dickkopf, diese Jenny“, dachte ich mir.

Ich musste rennen, um mit Jenny mithalten zu können, Jakob ebenfalls. Denn Jenny wollte nicht dumm rumstehen, wie sie betonte.
„Wie seid ihr eigentlich hierher gekommen?“, wollte Jenny nach einer kurzen Pause, in der wir zu ihr aufschlossen, wissen.
„Durch ein Splingloch“, kam ich Jakob zuvor.
Jenny zuckte mit den Achseln. „Noch nie gehört. Was ist das? Vom Zaubern hab ich keine Ahnung!“
„So eine Art Portal. Mich wundert es, dass Fiver nicht bei uns gelandet ist“, klärte ich sie auf.
„Wer ist dieser Fiver, von dem ihr sprecht? Ein Mensch, ein Elf oder was?“
„Ein Bergzwerg“, antwortete Jakob wahrheitsgetreu. „So wie ich einer bin.“

Plötzlich raschelte es im Gebüsch. Instinktiv wich ich einen Schritt zurück. Jenny zückte ihren Bogen und spannte einen Pfeil. Jakob wies sie an, aus dem Weg zu gehen, was dieser sogleich tat. Gespannt lauschte ich weiteren Geräuschen aus dem Buschwerk. Als kurz darauf ein Hase aus dem Gebüsch hoppelte, konnten wir erleichtert aufatmen. Nur Jenny blieb skeptisch. Offenbar spürte die junge Elfe etwas, was uns verborgen blieb. Aber kein Wunder, sie hatte im Wald Heimvorteil.

„Der Hirsch von vorhin ist noch in der Nähe“, teilte uns Jenny schließlich mit. „Dazu müsst ihr wissen, dass wir Elfen eine besondere Gabe haben. Wir können die Auren von Waldtieren spüren und sie schnell lokalisieren. Das ist praktisch, wenn man jagen will.“
„Aber wir wollen gar nicht …“, begann ich zu protestieren, da unterbrach mich Jenny mit einem „Schhhhhhh. Vertrau mir. Ich weiß, was ich tue!“

Ich wusste nicht, ob ich Jenny vertrauen konnte. Immerhin kannte ich sie kaum. Mein Vater hatte mir einmal erklärt, dass ich im Umgang mit Fremden auf meinen Instinkt hören sollte. Deswegen schloss ich die Augen, um besser auf mein Inneres hören zu können. Wenig später fühlte ich eine wohlige Wärme, die sich in meinem Körper ausbreitete. Da wusste ich, dass Jenny vertrauenswürdig war. Mein Instinkt hatte mich noch nie getäuscht.

Im nächsten Moment vernahm ich ein leises Surren neben mir, gefolgt von einem dumpfen Schlag. Als ich die Augen wieder öffnete, grinste mich Jenny frech von der Seite an. „Keine Sorge, Kira, ich habe den Hirsch nicht getötet. Ich habe absichtlich daneben geschossen und zwar aus einem einfachen Grund. Ich spüre etwas Unbekanntes in diesem Teil des Waldes. Und ich habe dieses Unbekannte bereits lokalisiert.“ Jenny deutete in die Richtung, in die der Pfeil geflogen war. Er war in einem Baumstamm stecken geblieben, wie ich nach näherem Betrachten erkennen konnte.

Leise und geduckt folgten Jakob und ich unserer Führerin. Etwa fünfhundert Meter weiter blieb Jenny stehen. Sie entfernte den Pfeil aus dem Baumstamm und steckte ihn zurück in ihren Köcher. Jakob gratulierte Jenny zu diesem Distanzschuss.
„Ach, das war gar nichts. Wir lernen Bogenschießen von Kindesbeinen an der Elfenschule, genauso wie das Fährtenlesen und die Auren der Waldtiere aufzuspüren. Dieses Wissen wird seit vielen Generationen weitergegeben. Heute sollte meine erste offizielle Jagd beginnen. Ich habe ehrlich gesagt Angst davor ein anderes Lebewesen zu töten, auch wenn es nur ein Hirsch ist. Aber wehe, ihr erzählt das meinem Großvater. Dann gibt’s mächtig Ärger“, sprudelte es aus Jenny heraus.
Den Grund für Jennys Schuss konnte Jakob als Erster ausmachen. Er stupste mir in die Seite.
„Ein Splingloch. Wahrscheinlich sind deswegen Hirsch und Hase geflüchtet!“ Dabei deutete er in die entsprechende Richtung.

Durch Jenny erfuhren wir, dass dort Nordwesten lag. Das Splingloch schimmerte genau wie sein Vorgänger in der Rennberghütte in blau-roten Farbtönen, die in ein leichtes Violett übergingen. Darüber staunte nun Jenny.
„Nichts wie rein in das Splingloch. Vielleicht finden wir auf diese Weise Fiver und einen Heiler“, rief ich. „Immerhin scheint es bei euch keinen zu geben!“

Jenny starrte lange auf das Splingloch, bevor sie sich entschied und verkündete: „Ich bin zwar keine Expertin, würde aber sagen, dass wir an denselben Ort denken müssen, sonst trennen wir uns. So wie es bei euch und Fiver passiert ist!“
Einverstanden mit diesem Plan sprangen wir zu dritt durch das Splingloch, dass sich wenig später hinter uns schloss.

Fortsetzung folgt!!!

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