Hab mal eine alte Kurzgeschichte wieder hervorgekramt …
Herr Peters drückte mir einen Arbeitsauftrag in die Hand. »Ihr beiden geht heute zu Schumann, Villenstraße 18. Der Garten ist ziemlich groß. Ich denke, ihr werdet eine Woche brauchen.«
»Alles klar, Chef«, antwortete mein Kollege Michael. Wir luden die Gartengeräte auf einen Pick-up und fuhren los.
Eine halbe Stunde später hielt Michael vor einem schmiedeeisernen Tor. Carla Schumann Pianistin, stand auf einem Messingschild neben der Einfahrt.
»Ist das nicht die berühmte Klavierspielerin?« Michael drückte auf die Klingel.
»Carla, nicht Clara, du Banause. Clara Schumann ist schon seit mindestens hundert Jahren tot.«
»Ach ja, richtig.« Michael grinste.
In der Sprechanlage knackte es. »Ja bitte?«
»Firma Peters.«
»Ah, die Gärtner. Einen Moment.«
Die beiden Torflügel schwangen summend auf. Michael fuhr die gekieste Auffahrt entlang und hielt vor einer großen Freitreppe. Die Villa wirkte ein wenig fehl am Platz, inmitten des verwilderten Gartens. Fast wie ein Ufo, das im Dschungel gelandet war.
Eine junge Frau, schätzungsweise Anfang Dreißig, kam die Treppe herunter. Sie sah Marie Fredriksson von ›Roxette‹ zum Verwechseln ähnlich.
»Guten Morgen. Ich bin Carla Schumann.« Sie gab erst Michael, dann mir die Hand.
»Moin. Michael Mayer und das ist mein Kollege Chris Schäfer.«
Ich schaute ihr länger in die strahlend blauen Augen, als angemessen. »Ganz schön.«
»Ja, finde ich auch.« Sie musterte mich lächelnd. »Sie können meine Hand jetzt loslassen.«
Ich ließ ihre Hand los, als hätte ich mich verbrannt, und schaute mich zum Garten um. »Da ist ja einiges zu tun.«
»Seit dem Tod meines Vaters vor ein paar Jahren ist hier nichts mehr gepflegt worden. Ich wohne erst seit Kurzem wieder im Haus meiner Eltern.«
Michael schaute sich ebenfalls um, rieb sich die Hände und meinte: »Wir sind die Männer, wenn es mal so richtig schmutzig zur Sache gehen soll.«
Ich stöhnte innerlich auf. Dass er immer wieder mit diesem eindeutig zweideutigen Spruch ankommen musste. Frau Schumann stutze kurz, dann lachte sie.
»Tja, dann nehmen Sie mal ihre Werkzeuge und stürzen Sie sich in den Dreck. Ich bin die nächsten Wochen auf Konzertreise. Wenn Sie etwas brauchen, wenden Sie sich an Maria, mein Hausmädchen. Wiedersehen.« Sie stieg in ein Cabrio und brauste davon.
»Sehr schnittig«, meinte Michael.
»Frau Schumann oder der BMW?«
»Beide.«
Vor der Arbeit liefen wir erst einmal über das Grundstück, um zu entscheiden, wo wir anfangen sollten. Als wir hinter das Haus traten, pfiff Michael anerkennend durch die Zähne. Auf der Rückseite erstreckte sich ein großer Pool und auf der Terrasse stand eine Loungegruppe auf der mindestens zehn Personen Platz hatten.
»Ich habe mich immer gefragt, wo diese riesigen Sitzgruppen stehen, die in den Prospekten abgebildet sind.« Michael fläzte sich auf das Polster und zündete sich eine Zigarette an. Sofort kam eine ältere Frau aus der Terrassentür gestürmt und schimpfte auf Michael ein. Auf Spanisch, wie ich feststellte. Wie sich herausstellte, sprach die Frau kaum ein Wort deutsch. Michael hob beschwichtigend die Hände. Und nachdem er sich wortreich entschuldigt hatte, brachte sie uns Kaffee.
Maria erwies sich als wahrer Engel. Sie kochte uns jeden Tag ein Mittagessen, das einem Staatschef zur Ehre gereicht hätte. Und nach dem Espresso fiel es uns jedes Mal schwer, wieder an die Arbeit zu gehen.
Aus einer Woche wurden zwei. Nicht weil es die Arbeit erforderte, sondern weil es ein Arbeitsplatz war, wie wir ihn selten hatten. Keine nervigen Kunden, die uns den ganzen Tag in den Füßen standen. Und natürlich es leckeren Essens wegen.
Am letzten Arbeitstag war ich allein, da nur noch ein paar Aufräumarbeiten anstanden. Plötzlich kam Maria aufgeregt zu mir gerannt. Es gab wohl ein Problem mit ihrer Katze und sie müsse jetzt sofort nach Hause. Ich solle, wenn ich fertig war, den Schlüssel in den Briefkasten werfen.
Anstatt ihn einzuwerfen, steckte ich ihn in meine Hosentasche. Ich fuhr an die Tanke, kaufte ein paar Dosen Bier und bestellte eine Pizza in die Villenstraße 18.
Das Wasser war herrlich kühl. Ich kraulte ein paar Bahnen, und ließ ich mich dann treiben. Der heiße Tag ging in eine laue Sommernacht über. Erste Grillen zirpten. Ein perfekter Tagesabschluss.
Anschließend nahm ich mir eines der Badetücher, die im Technikhaus des Pools gestapelt waren. Ich lümmelte mich auf eine Liege, kippte ein Bier und föhnte mir Metallica in die Ohren. Trotz der Lautstärke fiel ich in eine Art Halbschlaf. Und so zwischen wachen und schlafen, drängte sich Frau Schumann in meine Gedanken. Ich bekam eine Erektion.
»Das ist ein Anblick, den man nicht alle Tage hat.«
Zu Tode erschrocken, sprang ich auf. Dabei stieß ich die Bierdose um, deren Inhalt sich auf die neuen Kalksteinplatten ergoss. Frau Schumann stand vor mir, im Bademantel.
»Frau Schumann? Was … was machen Sie denn hier?«
»Ich wohne hier. Schon vergessen?« In ihren Augen blitze der Schalk.
»Nein, ich … es … tut mir leid. Entschuldigen Sie. Ich … ich mach das gleich sauber.« Als ich nach dem Handtuch griff, rutschte ich auf dem Pizzakarton aus und fiel ihr vor die lackierten Fußnägel. »Autsch.«
Frau Schumann lachte, dass ihr die Tränen kamen.
»Du bist echt süß.« Sie sank ganz außer Atem auf eine Liege.
Na ja, süß war das nicht gerade. Noch nie war mir etwas so peinlich gewesen. Ich rappelte mich auf und wickelte mir das Handtuch um.
»Auf den Schreck brauch ich einen Drink. Du auch? Chris, richtig?«
Ich nickte. »Haben Sie Whisky?«
»Klar.«
Sie drückte mir ein Glas in die Hand. »Nenn mich doch Carla.«
»Aber Sie sind eine Kundin. Natürlich nicht so eine Kundin.« Verdammt, Chris, was redest du da?
Sie sah mich schelmisch an. Und ich tauchte in das Blau ihrer Augen. »Carla.« Lächelnd stieß ich mein Glas gegen das Ihre. »Ich konnte einfach nicht widerstehen«, sagte ich mit Blick auf den Pool.
Carla ließ den Bademantel von ihren Schultern gleiten. »Sollen wir vorher noch eine Runde schwimmen?«