Liebe Asandra,
vorab erst einmal herzlichen Dank für deinen Mut. Es ist schon ein Wagnis, einen selbst geschriebenen Prolog hier in ein Forum einzustellen und sich dann von allen Seiten kritischem Feedback auszusetzen. Ich ziehe meinen Hut vor dir.
Insgesamt liest es sich spannend, aber ich schließe mich meinen Vorrednern an, bin insbesondere auch am Ende über den Punkt gestolpert, warum Corvus Acmos aufsucht, wie einen alten Kumpel, wo er doch zuvor Todesangst vor ihm zu haben schien.
Mir sind einige unnötige Wortwiederholungen aufgefallen, ich kopiere einfach mal deinen Text hierher (bewusst nicht als Zitat, damit ich etwas einfügen kann). Im gesamten doch recht kurzen Text lesen wir insgesamt 11 x (!!!), dass es dunkel ist / Dunkelheit, Finsternis, mir persönlich ist das viel zu viel.
Du hast außerdem eine Leidenschaft für zwei Verben nacheinander: ein paar weniger und der Text wäre flüssiger lesbar.
In allen Situationen “blinzeln” und “starren / sehen” deine Protagonisten. Hier solltest du dir überlegen, den Text nochmals zu überarbeiten. Die Stilkontrolle von Papyrus könnte dir da wertvolle Dienste leisten.
Es erwachte in der Dunkelheit. Noch war es eingesperrt, doch es gierte nach der → den Artikel würde ich weglassen Freiheit, die in greifbarer Nähe war → hier könnte man auch “lag” schreiben, dann hättest du nicht so oft das Wort “war” im Absatz. Oh, wie lange war es eingesperrt gewesen, umgeben von immer währender Dunkelheit. → Wie wäre es mit Finsternis? In tiefster Einsamkeit versunken und an einem → einen einsamen Ort verbannt. Wie viel Zeit vergangen war? Ein Jahr? Tausend Jahre? Egal. Es verwandelte sich in der → die einzigen → einzige Gestalt, die es kannte.
Es war Acmos. → Warum nicht nur: “Acmos”, statt "es war “Acmos”
8 x “es” in 4 Zeilen ist mir etwas zu viel; 2 x Dunkelheit; 2 x Einsam/keit, 4 x war (2 davon kannst du zumindest umgehen)
Als Erstes → Ist die Reihenfolge wichtig? Sonst nur: Acmos blinzelte … blinzelte Acmos und sah sich um. Vor wenigen Minuten war sein Geist noch in den unendlichen Tiefen des Weltalls gefangen. → Wenn der Sachverhalt vor der Rückkehr liegt, der aber auch schon in der Vergangenheit liegt und abgeschlossen ist, dann müsste jetzt dort Plusquamperfekt stehen. Doch nun kehrte die Kraft in seinen ausgezehrten Körper zurück. Wer wagte es, ihn nach all den Jahren aufzuwecken? → Oben giert es nach Freiheit, nach Entkommen aus einem Verlies. Und jetzt fragt Acmos sich, wer sich wagte ihn aufzuwecken, so wie aus einem schönen Traum? Klingt ja fast nach freiwilligem Aufenthalt im Dauerschlaf. Niemand konnte ihm diese Frage beantworten. → Na wenn es doch eh niemand kann: warum dann so ein (für meinen Geschmack) überflüssiger Füllsatz? Um ihn herum gab es kein Leben mehr. Sein Hunger war zu groß geworden. Er hatte jede Seele verschlungen, die es wagte → gewagt hatte, Plusquamperfekt, einen Fuß in sein Reich zu setzen. Dennoch versiegte sein Hunger nicht. Er war immer da. Genau wie die Dunkelheit um Acmos herum → dass sie um ihn herum ist, wissen wir schon aus der obigen Schilderung. Das könnte m.E. weg. Sie waberte und wogte, erwachte zu neuem Leben. → War die Dunkelheit (zum dritten mal) denn zwischendurch mal tot? Oder warum erwacht sie zu “neuem” Leben? (Denk an Mark Twain: Töte Adjektive!) Sie wandte sich wie eine Schlange um Acmos Hals und er tätschelte sie sanft.
„Sieht aus, als wären wir wieder da,“ flüsterte er, während er vor sich hinstarrte. Er spürte, wie seine Kraft immer stärker wurde. → zunahm
Der König war erneut erwacht.
Und bald würde es die ganze Welt erfahren …
In einem anderen Teil von Lamyra zuckten Corvus Flügel angespannt. → Wie oben schon gesagt: ich finde das auch etwas unkörperlich. Die Krähengestalt war unbequem → Warum? Flöhe? Rascheln sie zu laut? Show, don’t tell. doch sie war das Einzige, was → das Einzige, das → sperrige Formulierung, vielleicht: doch sie allein hielt … ihn in der Welt der Sterblichen hielt. Normalerweise kam er nur nach Lamyra, wenn ein Geschöpf im Sterben lag. Und er war immer darauf bedacht, dass niemand seine wahre Gestalt zu Gesicht bekam. → Wie oben: Ich frage mich auch, wie ist denn die wahre Gestalt und warum muss er sich überhaupt eine andere zulegen? Optimus Prime (Chef der Autobots aus “Transformers”) zeigt sich ja auch in seiner wahren Gestalt, nicht nur als Truck. Oder ist das wie bei den griechischen Göttern, deren strahlender Glanz die Menschen umbringen würde, wenn sie sich in ihrer göttlichen Gestalt zeigen würden? Doch nun war etwas anders. Etwas drängte ihn vorwärts. Er starrte die anderen Krähen an, die mit rot glühenden Augen in den Bäumen hockten.
Sie waren seine Kinder.
Seine Augen und Ohren in Lamyra.
Und er spürte ihre Angst, spürte, wie sich eine unsichtbare Gefahr heranschlich.
„Etwas kommt,“ → Das finde ich überflüssig: Könnten die Krähen nicht gleich “Gefahr, Gefahr” krächzen? krächzten die Krähen und flatterten aufgeregt auf und ab, „Gefahr! Gefahr!“
Corvus blinzelte und starrte → Ich habe leider auch eine Vorliebe dafür, alles doppelt und dreifach zu schreiben, um zu zeigen, dass ich mehr als ein Synonym für “sehen” beherrsche, aber wenn man mal ehrlich ist, tut es ein Verb doch auch, oder? Also blinzelt oder starrt er? Denn beim Blinzeln zucken die Lider, beim Starren tun sie das gerade nicht. in den Himmel. Er bemerkte, wie der sich plötzlich rot färbte und dunkle Wolken vorbeizogen. Auf einmal wurde alles um Corvus herum finster, als ob auf einmal die dunkelste Nacht → auch hier: ein weißer Schimmel: finster oder dunkelste Nacht. Jeder kann etwas mit finster verbinden. Oder wenn du einen Vergleich suchst, dann aber nicht die Nacht, die hat jeder im Kopf, da wäre etwas Originelles schöner anbrach. Corvus kreischte entsetzt auf. Er spürte, dass es nur eine Vision war und doch kroch nackte Angst durch sein Gefieder. Die Dunkelheit → Wir wissen dass es dunkel ist, es würde daher reichen: Das … konnte nur eines bedeuten: Acmos war nach tausenden von Jahren → ist es nötig zu wissen, nach wie vielen Jahren? Vielleicht einfach nur: Acmos war … nach Lamyra zurückgekehrt.
„Ihr Götter!“, Corvus warf den Kopf zurück und krächzte in der → grammatikalisch: in die Dunkelheit → hinein,* „Das kann nicht euer Wille sein! Die Dunkelheit wird das Ende von Lamyra bedeuten!“ *
Corvus blinzelte erneut und sah → Warum muss er schon wieder blinzeln und sehen? Acmos blinzelt und sah sich um; Corvus blinzelt und starrt, Corvus blinzelt und sieht —> zwei Verben hintereinander sind nicht immer spannungserhöhend, vielleicht überlegst du dir jeweils auf eins zu verzichten und ein präziseres zu wählen? , wie es wieder hell wurde. Eine weiße Wolke in Form eines Wolfes glitt über den Horizont und trieb die dunklen Wolken über den Himmel, bis die Sonne wieder zum Vorschein kam. Ein Windstoß fuhr Corvus durch das Gefieder und er atmete erleichtert auf.
Das Ende würde kommen → nahte?, doch es gab immer noch Hoffnung.
Nur das Heulen des weißen Wolfes kann die Dunkelheit vertreiben.–> 9 x Dunkelheit / finster in wenigen Sätzen, wo jeder nun doch weiß, dass es dunkel ist. Das nimmt leider viel von der Spannung.
Corvus flatterte los. Er musste Acmos finden, um ihn → ihm die Nachricht zu überbringen …
Insgesamt würde ich gerne mehr lesen, wenn du den Text etwas weniger “dunkel” gestalten und weniger Doppelverben verwenden würdest.
Übrigens: wie sieht Corvus denn in seiner wahren Gestalt aus? (Nun bin ich neugierig geworden).
Liebe Grüße mit gezogenem Hut
Tintenteufelin