Okay! Hier ist der erste Teil des ersten Kapitels. Ich habe noch mehr geschrieben, aber ich denke das sollte erstmal reichen.
Kapitel 1
Die Vibration seiner Armbanduhr riss Salomon aus dem Schlaf. Hastig tastete er nach den Knöpfen, um das verräterische Summen zu stoppen. An einem gewöhnlichen Tag hätte ihn die wohlige Wärme seiner Daunendecke wieder sanft in die Arme des Schlafes gelullt, zurück in die wirren Traumwelten, die ihn jede Nacht aufs Neue heimsuchten. Aber heute war kein gewöhnlicher Tag. Der Tag der Prüfung war angebrochen und die Nervosität hatte ihm schlagartig den Schlaf aus den Augen gejagt. Er hob den Kopf und spähte vom Bett aus in den Raum hinunter. Die schwach glimmenden Kohlen des Kamins tauchten den Raum in ein schummriges Rot, dämmrig, doch gerade hell genug, um erkennen zu können, dass die anderen noch tief und fest schliefen.
Er wollte heute vor allen anderen aufbrechen, noch bevor die ersten Sonnenstrahlen die Nacht brachen. Wie ein Fuchs im Morgengrauen, leise, flink, ohne großes Getöse. Die Abschiedszeremonie und die ermutigenden Reden würden ihn nur noch mehr aufrühren und ablenken. Darüber hinaus war ihm die Vorstellung, dass er vor Kamilla oder seinem Vater zu emotional werden könnte, befremdlich. Er hatte seinen eigenen Plan gefasst, und den musste er durchziehen, koste es was es wolle.
Er schob seine Decke beiseite, löste die Armbanduhr und klemmte sie vorsichtig zwischen Matratze und Bettkasten. Dann kletterte er leise wie ein Schattenwesen die Leiter seines Doppelstockbetts hinunter, schlich zum Fenster, hielt den Atem an und drehte den Riegel der hölzernen Fensterläden behutsam zur Seite.
Der Nachthimmel präsentierte sich kalt und klar. Die Sterne funkelten hell und ein schwaches Polarlicht war am Himmel erschienen. Das geisterhafte, fahle Grün flackerte über den zerfallenen Dächern der Stadt und spiegelte sich in den brüchigen Fensterscheiben der zerklüfteten Häuser wider.
Die Stille der Nacht hatte etwas Beunruhigendes an sich, doch es war ihm der Beweis, dass ihm noch reichlich Zeit blieb, bevor das erste Jagdhorn die anderen Jungs zum Aufbruch rief.
Er schloss die Fensterläden wieder, diesmal nur halb, um kein Geräusch zu riskieren, und spähte noch einmal in den Raum.
Kamilla lag nur eine Armlänge von ihm entfernt. Ihre schmalen Lippen waren wie immer leicht zusammengepresst und unter ihren geschlossenen Augenlidern huschten ihre Augen hin und her. Salomon hätte zu gern gewusst wovon sie Träumte, später wird er sie vielleicht fragen können. Wenn heute alles gut geht, jedenfalls. Ihm kam ein schlimmer Gedanke, doch er verwarf ihn zugleich wieder und lauschte in den Raum.
Das rhythmische Brummen, das sein Vater von sich gab, überzeugte Salomon, dass auch er nichts mitbekam. Falknar war in der Nacht zwischen die beiden gekrochen, schmiegte sich selig an Kamillas Brust an und sah dabei aus, als wäre er wieder ein Säugling. Salomon spürte einen Klos in seinem Hals, als er sich vorsichtig über Kamilla lehnte und Falknar einen Kuss auf die Stirn drückte.
Dann zog er an dem schwarzen Lederband, das er um seinen Hals trug, bis er den kalten Stein seines Wotansknoten zwischen den Fingern spürte. Er fuhr alle drei Dreiecke mit seinem Zeigefinger entlang und betete, dass er seine Familie heute Abend wiedersehen würde. Danach verabschiedete er sich, lautlos, mit einem tiefen Seufzer und einem abschließenden Nicken.
Ohne sich noch ein letztes Mal umzudrehen, schritt er barfuß über die gegerbten Lammfelle zur Garderobe und verließ die Wohneinheit, Stiefel und Ledercape fest unter den Arm geklemmt. Im finsteren Treppenhaus tastete er sich geschickt am kalten Geländer hinab, alle vier Stockwerke bis zum Erdgeschoss.
Draußen angekommen, blieb Salomon wie angewurzelt stehen. Der Gemeindeplatz, normalerweise ein Ort des Trubels und der Lebendigkeit, lag verlassen da, nur vom fahlen Nachtlicht erhellt. Die Feuerstelle, aus der sonst wild tanzende Flammen loderten, war nur noch ein kalter, erloschener Haufen, aus dem ein lebloser Qualm waberte, der sich wie ein rauchiger Schleier über die Werkbänke der Außenküche legte.
Als sein Blick auf die Statuen der alten Götter fiel, riss er ehrfürchtig die Augen auf. Sie ragten wie majestätische Berge vom Podium empor, kolossale Riesen aus dunklem Holz, die von den besten Handwerkern der Gemeinschaft gefertigt worden waren.
Es war ihm zu Ohren gekommen, dass die Arbeiten an den Statuen vor Monaten begonnen hatten, aber niemand hatte sie bisher sehen dürfen. Er war sich nicht sicher, was beeindruckender war, das Kunsthandwerk der Bildhauer oder die Tatsache, dass sie es geschafft hatten, die riesigen Figuren über Nacht aufzustellen.
Die Gesichter der Statuen wirkten nahezu lebendig, und ihre Körperhaltung war von beeindruckender Kraft. Sie verkörperten die Macht und Weisheit der alten Götter und riefen in Salomon ein überwältigendes Gefühl der Bewunderung hervor. Gleichzeitig spürte er angesichts ihrer Größe und Erhabenheit seine eigene Kleinheit und Unvollkommenheit.
Für einen kurzen Augenblick träumte er sich vor Augen, wie er die Fackel an den mit Stroh bedeckten Sockel hielt und die Flammen emporschlugen. Die Menge würde ihm zujubeln und er würde triumphierend die Faust heben und dann mit stolzer Brust neben seinem Vater Platz nehmen.
Doch sein Traum zerbrach so schnell wie er kam. Zweifel schossen ihm in den Kopf. “Was ist, wenn es anders kommt? Was, wenn mein Plan reiner Wahnsinn ist? Nur ein Hirngespinst, ein verblendetes Ergebnis meiner schlaflosen Nächte?”. Ihm war, als hätte er einen Gürtel eng um seine Brust geschnürt. “Bin ich nicht der gleiche Versager, der ich immer war, zu unfähig überhaupt ein Eichhörnchen zu töten? Verdammt, 12 Sommer zähle ich jetzt schon”, Er ballte die Faust und drückte zu, dass es schmerzte.
“Ein dutzend Jahre, in denen ich es zu nichts gebracht habe.”
Bei seiner letzten Kontribution trafen ihn Frida’s Worte wie Ohrfeigen.
„Da ist ja wieder unser Bärenjäger, äh, ich meine- Blaubeerenjäger!“
Die Erinnerung an das Gelächter der Küchenmädchen ließ seine Wangen immer noch glühen, es war eine schmerzliche Wärme in der nächtlichen Kälte.
Am meisten schmerzte es ihn nicht, für seine Unreife verspottet zu werden - das hätte er wohl verkraftet. Was ihn wirklich traf, war die Erkenntnis, dass sie vielleicht recht hatten. Er war ein grottiger Jäger. Seine Hände waren zart und schwach, und sein Geist sträubte sich mit aller Kraft gegen das Töten eines unschuldigen Tieres.
Doch er wollte es nicht wahrhaben, konnte es nicht akzeptieren. Es war nunmal seine Pflicht, nicht nur vor den Augen seines Vaters und des Stammes, sondern auch vor den neuen Göttern, die sich sicher bald von ihm abwenden würden, wenn er abermals versagte.
Seine schmalen Brauen schoben sich zusammen und in seinen Blick legte sich eine Entschlossenheit, die so endgültig war wie der Tod.
„Heute“, ging es ihm durch den Kopf, "heute werd ich es tun, heute oder nie. Entweder ich erlege heut mein erstes Wild, oder Morvah sei mein Zeuge, ich krieche in ein gottverdammtes Loch irgendwo am Bach und warte, bis die Natur mich wieder in ihren Schoß zurück nimmt.”
Die Rüstkammer lag schräg gegenüber, auf der anderen Seite.
<< Ich könnte rennen, wenn ich schnell genug bin, würde mich Harwulf in der Dunkelheit nicht sehen. Aber falls doch… würde der zottelige Sturkopf mich garantiert verpfeifen.“ Salomon haderte einen Augenblick und entschied sich dann, dass es das Beste sei, vorerst keine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen.
Er drückte sich an die Hauswand, schlich an der Nordmauer entlang, und duckte sich dann in das dichte Gebüsch.
Mit geschmeidigen Bewegungen kroch er durch das Unterholz, das rascheln der Blätter mischte sich mit seiner raschen Atmung. Im Handwerkswinkel angekommen, huschte er von Garage zu Garage, bis er das Haus der Rüstkammer erreichte. Wie ausgemacht, hatte Orlaf das Fenster auf Kipp gelassen. Mit flüsternder Stimme sprach er ihm seinen Dank aus, zwängte dann mit Mühe seinen Arm durch den engen Spalt und tastete nach innen, bis seine Finger den Riegel erreichten. Mit einem leisen Quietschen öffnete sich das Fenster, und er schlüpfte hinein.
Die Dunkelheit der Waffenkammer gab ihn ein kurzes Gefühl der Erleichterung. Während seine Augen sich an das schwache Licht gewöhnten, vernahm er einen Duft von Holz, Leder und Bienenwachs. Es war der Geruch der Grenzläufer, der Nogari und der Gefahr. Das Bild der kampferprobten Starkwächter kam ihm in den Kopf, wie sie sich hier morgens einkleiden und ausrüsten mussten. Er nahm einen Atemzug, der seine Brust füllte und stellte sich vor, wie er einen Teil ihrer Kraft und ihren Mutes ein atmete.
In der Mitte des Raumes stand ein hüfthoher Schrank, der mit Speeren bestickt war, die aufrecht in Reih und Glied standen wie ein Regiment stummer Frontsoldaten. Er schritt an ihnen vorbei…
Wie liest es sich? Ich wollte möglichst wenig Infodumping betreiben und dennoch die Welt aus seiner Sicht beschreiben- Kann man sich hineinversetzen oder ist die Welt schwer greifbar?