Heldenreise - Abfolge mal anders?

Hallo liebe Community,

dies ist mein erster Post und mir stellt sich gerade folgende Frage:

Die vorgegebene Heldenreise von Papyrus mit seinen 12 Punkten ist schonmal gut, um hier meine Geschichte zu strukturieren. Könnte ich die Punkte 2 bis 5 durch die Protagonistin in einer Rückblende bzw. in Rückblenden erzählen lassen?

Damit meine ich, dass der Roman bei 1. startet, im Zuge der Beschreibung der Welt etc. auch erzählt, wie sie da hingegkommen ist, wo sie ist.
Ans Eingemachte geht es dann mit 6. Bewährungsproben etc.

Vielen Dank vorab und viele Grüße

Flo

Hi Flo, willkommen im Forum.

Grundsätzlich kannst du deinen Roman natürlich genau so gestalten, wie es für dich selbst am Besten passt. Die vorgegebene Heldenreise ist lediglich ein beispielhafter, dramaturgischer Aufbau, der sich daran orientiert, wie bewährte Erzählstrukturen funktionieren. Das heißt, wenn du diesen Aufbau wählst, wirst du eine im besten Sinne “massentaugliche” Dramaturgie erhalten und musst dir nicht mehr so viele Gedanken machen, ob deine Leser der Geschichte folgen können, weil sie mit dem Aufbau aus zahlreichen anderen Erzählungen und Filmen vertraut sind.

Wenn du nun eine andere Reihenfolge wählst, dann ist das natürlich durchaus machbar, aber dann musst du dir wahrscheinlich sehr viel mehr Gedanken darüber machen, ob deine Dramaturgie funktioniert. Also hat die Handlung an den passenden Stellen Wende- und Höhepunkt, funktioniert der Spannungsbogen und die Dynamik der Geschichte. Wenn du zum Beispiel dei Pulver bereits im ersten Drittel der Geschichte verschiesst und danach dann ausführlich über die Hintergründe der Welt berichtest, könnte das für den Leser zu Langeweile führen. Ich sage absichtlich “könnte” weil du das natürlich trotzdem selbst in der Hand hast. Auch die Vorgeschichte kann extrem spannend sein. Wie gesagt, die vorgeschlagene Heldenreise kann dir ein wenig Arbeit abnehmen. Muss sie aber nicht.

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Alles klar! Danke dir :slight_smile:

Noch eine Frage: Da mein Antagonist auch eine große Wandlung durchmachen muss, um zu dem zu werden, der er ist, stelle ich mir gerade die Frage, ob ich die Geschichte von diesem auch in diese oder eine ähnliche Form gieße. Was meint ihr dazu?

Klar geht das. Die Heldenreise ist ja keine verpflichtende Vorschrift. Mehr so ein Muster, in das dann im Nachhinein doch die meisten Geschichten irgendwie hineinpassen.

Die Gefahr bei Rückblenden ist eher, dass man zu viel “erzählt”, statt es den Leser direkt miterleben zu lassen (das berühmte “show don’t tell”). Insofern solltest du da ein bisschen ein Augenmerk drauf haben, dass dein Leser sich nicht erst einmal durch zu viel erklärende Hintergrund-Info (auch wenn die interessant und wichtig ist) lesen muss, bevor er im Hier und Jetzt ankommt (oder halt da nur ganz kurz ankommt, dann einen Berg Hintergrund-Rückblende schlucken muss und dann geht es erst viele Seiten später im Hier und Jetzt weiter).

Andererseits kranken viele Geschichten auch daran, dass der Autor zu früh einsteigt und erst einmal nicht viel spannendes passiert, weil es in der Heldenreise ja heißt: Exposition … der Held wird erst einmal in seiner normalen Umgebung gezeigt. Das heißt aber nicht notwendigerweise, dass wir ihm seitenlang beim Aufstehen, Zähneputzen und Frühstücken zusehen müssen.

Ich würde sagen, lass deine Geschichte da anfangen, wo du findest, dass sie wirklich beginnt, also kurz vor dem Punkt, wo dem Held etwas passiert aufgrund dessen er dann aktiv wird. Und lass den Hintergrund dann so nach und nach einfließen, aber nicht in einer monolithischen Rückblende, sondern eher so als Brotkrumen, die du dem Leser in einzelnen Gedanken, Dialogen etc. hinstreust. Die meisten Leser sind ganz gut darin, sich so etwas dann zusammen zu puzzeln. Oder, wenn das für deine Geschichte besser passt, mach halt eine richtige längere Rückblende, aber dann wähle für die Rückblende eben auch eine lebendige Perspektive und Erzählstil, also lass den Leser dabei sein, und das ganze nicht nur im Kopf deines Hier und Jetzt Protagonisten als rational verarbeitete Erinnerung auftauchen.

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Hi,

danke dir. Mein Ansatz ist der, dass die Heldin ein Buch (Tagebuchroman) in die Hände bekommt, in dem sie dann sukzessive - während ihr normales Heldendasein weiterläuft - die Hintergrundinfos zum Antagonisten erfährt. Als Bild im Kopf habe ich irgendwie die Unendliche Geschichte, wo Bastian auf dem Dachboden das Buch aufschlägt und zu lesen anfängt :wink:
Eine monströse Back-Story hatte ich nicht vor, aber etwas Platz brauche ich dennonch. Was ich mich frage: wenn ich diese Hintergrundinfos bit-by-bit bringe, sprich, wenn die Heldin jeden Tag nur einen Teil davon liest, kann ich mich dann trotzdem - für den Tagebuchroman - entlang der Heldenreise hangeln? Macht sowas in der Art nicht auch irgendwo Pat Rothfuss?
Danke für die Hilfe :slight_smile:

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Ich liebe Rückblenden. Die Gefahr des zu viel erzählens besteht immer, nicht nur bei Rückblenden. Ich muss auch aufpassen, dass ich nicht ins Schwatzen gerate und damit die Handlungsgeschwindigkeit bremse. Aber streichen geht immer (auch wenn es einem stets leid tut um den tollen Text.).
Was mir bei Rückblenden gefällt ist, dass sich dadurch Handlung nicht nur sehr gut straffen lässt, man erzählt halt nur, was wichtig war, sondern dass ich ein Ereignis aus der Sicht einer Figur darstelle. Damit bringe ich nicht nur Geschehnisse und Informationen nachträglich in die Geschichte ein, ich charakterisiere gleichzeitig die Figur, die es erzählt.
Außerdem kann ich gut in der Handlung an einer spannenden Stelle einsteigen, damit den Leser fangen und später in einer Rückblende Erklärungen einfügen. Es gibt Romane, die komplette Rückblenden sind. Ich erinnere mich, dass ein Buch mit dem Epilog begann und schließlich die gesamte Handlung erklärte, wie es dazu kam.

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Beispielsweise ist ‘Der Name der Rose’ eine einzige, komplette Rückblende. In solchen Fällen ist es kein Problem, weil der Leser nicht zwischen früher und jetzt hin- und hergereicht wird.

Rückblenden können sehr spannend und richtig toll sein, sind aber mit Vorsicht zu genießen.
Hat man den Leser mit der Hauptstory endlich am Haken, sollte es schon sehr gute Gründe geben, um ihn aus dem Lesefluss zu reißen und abrupt in ein völlig anderes Szenario zu verpflanzen. Es kann klappen, aber wenns schiefgeht, zählt es zu den Dingen, die beim Lesen extrem unangenehm auffallen.

Ganz übel finde ich die Rückblenden, die als Info-Schwerlaster missbraucht werden, also bis zum geht-nicht-mehr mit Fakten und Informationen zur Backstory vollgestopft sind.
Wenn ich nach spannendem Beginn erstmal zehn Generationen in die Vergangenheit versetzt werde, um dort haarklein erklärt zu bekommen, was es mit der Fehde zwischen Haus Oberbrüll und Haus Untertroll genau auf sich hat, werde ich etwas unwillig. Wenn ich dann auch noch ausführlichst erfahre, welche Götter den dortigen Olymp bevölkern, wie das System der Handwerksgilden funktioniert, welches Rechtssystem dort herrscht, wie eine standesgemäße Hochzeitszeremonie vor sich geht und warum der einheimische Schnarchvogel nur bei Vollmond brütet, bin ich weg.

Ich finde, Rückblenden sind nicht so ganz einfach zu schreiben. Wenn man sich da rantraut, würde ich wirklich nur das reinpacken, was unbedingt nötig ist, und unbedingt sehen, dass man es auch spannend und interessant rüberbringt.

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Ich finde sie bei Harry Potter gut gemacht - mit dem Denkarium bzw. auch mit Riddles Tagebuch. Da wird wirklich gezeigt und nicht nur erzählt.

Geil. Jetzt habe ich richtig Lust, eine Trollgeschichte zu schreiben …
Aber nein, ich werde brav an meiner Geschichte weitermachen.

LG
Pamina

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So habe ich es gemacht. Es ist quasi eine Geschichte in der Geschichte.

Vielleicht verzapfe ich als absoluter Newcomer und Quereinsteiger nun absoluten Blödsinn. Aber wäre hier “Cloud Atlas” nicht so ein typisches Beispiel?

Vielleicht solltest Du Dir kurz überlegen, was die Form der Darstellung zur Geschichte beiträgt.
Sprich: Warum willst Du das so machen? Das hilft vielleicht bei der Entscheidung.

Auch zwischen Pat Rothfuss und Michael Ende gibt es Unterschiede. Das geht dann weiter in
vielen feinen Abstufungen bis zur vollständig epistularischen Form. Ein bekanntes Beispiel
dafür ist Dracula.

Irgendwo in der Mitte sind die Leute wie Sanderson. Der beginnt zum Beispiel in Mistborn
jedes Kapitel mit einem kurzen Auszug aus dem Tagebuch des Antagonisten.

Es ist in solchen Fällen auch ratsam, sich Bücher anderer Autoren zu suchen, die es so ähnlich machen, und es sich dort genau anzuschauen, *wie *sie es machen, und sich zu überlegen, *warum sie es wohl so gemacht haben.
*
Grundsätzlich ist die Reihenfolge von Ereignissen natürlich wesentlich. Stille, Schlag, Schrei erzählt eine andere Geschichte als Schrei, Schlag, Stille.

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Rückblenden sind für mich immer schwierig zu lesen. Ich finde der Autor John Katzenbach macht das sehr gut, in dem er immer nur maximal ein bis 2 Sätze Rückblenden einsetzt, um den Leser über wirklich nur notwendige Geschehnisse der Vergangenheit aufklären zu können. Daher würde ich mir schon im Vorfeld, also beim Plotten, genau überlegen, wie sinnvoll Rückblenden sind. Wenn man diese Materie nicht genügend beherrscht, und in Erklärungen abrutscht, anstatt in Handlungen, wird es sehr langweilig für den Leser.

Hallo Andreas,

das ist genau, was ich gerade mache :slight_smile: Ich denke, das ist zielführender, als Unmengen an Literatur zum Thema zu lesen.

Absolut, den lese ich tatsächlich gerade, um zu sehen, wie dieser Tagebuchroman aufgebaut ist.

Was ich in Summe rauslese: Wenn Rückblenden, dann ordentlich. Ich finde auch, das Rowling das mit der Back-Story zu Voldemort gut gemacht hat. Oder eben, Rothfuss mit seinem Kvothe :slight_smile:

Danke euch allen und viele Grüße
Flo

Ein aktuelles Beispiel ist „Herzfaden“ von Thomas Hettche. Da ist die Schrift zweifarbig. Rot für Gegenwart und blau für Vergangenheit. Ein Mädchen aus der Gegenwart trifft auf einem Dachboden auf die Marionetten der Augsburger Puppenkiste und auf Hannelore Oehmichen genannt Hatü. Sie erzählt dem Mädchen ihre Lebensgeschichte und den Aufbau der Puppenkiste in den Wirren des 2. Weltkriegs.
Mir hat das Buch sehr gut gefallen.
Und ja, ich bin ein Fan von Rückblenden.
Im Film kommen die natürlich besser, weil man in einer kurzen Sequenz wesentliches erfährt. Im Buch ist das schwerer umzusetzen. Allerdings können Rückblenden in Büchern die Geschichte vertiefen und zeigen, warum die Figur ist, wie sie ist bzw. was ihr zugestoßen ist, dass sie so geworden ist, oder warum sie mit etwas hadert.

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So etwas finde ich immer sehr schön. War das nicht bei der Unendlichen Geschichte auch so? Ich meine mich zu erinnern, dass es da rote und grüne Schrift gab. Ist aber wahrscheinlich schwieriger, dafür dann einen Verlag zu finden, denn es macht den Druck ja entsprechend teurer. Obwohl, vielleicht ist das mit der modernen Technik nicht mehr so aufwendig, wie es mal war.

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eBook-Ausgaben sind dann allerdings nicht möglich. Oder hässlich (graue Schrift).

Sicher richtig. Mir sind gedruckte Bücher lieber. Sie in Händen halten, die Haptik, der Geruch, und ich mag es, von vielen Büchern umgeben zu sein.
Das ist ein bisschen so wie bei Filmen, die auf einer großen Leinwand einfach schöner sind :wink:

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Nochmal eine Frage zu der vorgegebenen Heldenreise in Papyrus: zwischen 3. und 4. taucht hier “Das Geschenk” auf. Was ist hiermit gemeint? Dr.Google hilft mir hier irgendwie nicht weiter? Danke vorab!

Damit ist gemeint, dass der Held für seine Reise mit bestimmten “Geschenken” ausgestattet wird. Sehr schön kennen wir das alle von James Bond und Q, der immer wieder neue technische Spielereien für Bond vorbereitet, wie Uhren mit Sprengsatz, Autos, die ferngesteuert gelenkt werden können, und solche Extras.
In vielen Geschichten und auch Märchen wird der Held mit solchen Geschenken ausgerüstet, bevor er sich auf den Weg macht. Das kann ein Tischlein sein, dass sich selbst deckt, drei Haselnüsse, die Wünsche erfüllen, oder einfach nur die normale Ausrüstung, die man braucht, um vom Auenland nach Mordor zu kommen … (Auch wenn es vielleicht nicht für alle Mahlzeiten ausreicht, die ein Hobbit so zu sich nimmt - 1. und 2. Frühstück, 11-Uhr-Imbiss, Mittagessen, 5-Uhr-Tee, Abendessen, Nachtmahl … Hab ich was vergessen?)

LG
Pamina

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