Gründe für den Prota, anwesend zu sein

Wie löst ihr das Problem, wenn Eure Protagonisten bei einem Ereignis anwesend sein müssen, bei dem es rein objektiv für denjenigen keinen Grund gäbe, anwesend zu sein?
In meinem Fall muss mein Detektiv unbedingt Zeuge beim fachmännischen Aufbrechen eines Raumes sein, aber eigentlich hätte niemand einen Grund, ihn dazu einzuladen. Zufällig vorbeikommen scheidet leider auch aus, denn der Raum befindet sich abseits frei zugänglicher Wege, daher ist auch anschleichen und heimlich zugucken… schwierig.
Aktuell mischt sich mein Detektiv einfach selbst aus eigenem Interesse ein und guckt zu, aber richtig plausibel ist das eigentlich nicht. Besonders nicht, da er eigentlich etwas besseres zu tun hätte in der Zeit und in der Praxis vermutlich weggeschickt werden würde.
Habt ihr Ideen oder hattet ihr derlei Probleme selbst schon? Wie habt ihr das gelöst?

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Ja, ich hatte das Problem auch. Kurz vorm finalen Showdown musste ich meiner Protagonistin noch eine Waffe besorgen. Es sollte just jene sein, mit der sie sie ihr Antagonist bedroht hatte. Doch die war an einem Ort, an den sie so gar nicht zurück wollte. In den vorhergehenden 600 Seiten waren bereits so viele „Zufälle“ passiert, dass dieser nun doch eher hanebüchen wirken würde. Folgender Maßen ging ich vor:

Wir wollten nach Thiersdorf und den Samstag auf der Insel verbringen. Bis weit in den Abend hinein. Sabine hatte Wochenenddienst und Christoph kam mit. Es war einer dieser Tage, an denen es bereits vormittags so heiß war, dass man am liebsten nicht mehr aus dem Wasser kam. Um zehn fuhren wir los, vorbei an der Schule, die wie ein schlafendes Tier da lag und auf sein Erwachen im September wartete. Aber diesmal ohne uns. Am Ortsende von Krummaich, bei der Zufahrt zum Fährmannshaus bremste ich.
»Was ist jetzt?«, fragte Robert ungeduldig.
»Ich muss dort rein!«
»Bist du blöd? Warum?«
»Ich weiß nicht. Ist nur so ein Gefühl. Als ob da drin was auf mich wartet.«
»Kessel oder wer.« Es war keine Frage.
Ich antwortete auch nicht. Tatsächlich war es eine Art Hingezogen-Werden zu der alten Ruine, das ich mir nicht erklären konnte. Aber manchmal muss man solchen Gefühlen nachgehen, beschloss ich. Und ging los. Robert und Christoph folgten mir. Mein Herz klopfte bis zum Hals.
Die Paletten mit den Zementsäcken waren noch da. Ich ließ sie links liegen und ging schnurstracks in den Schuppen, den die Nazis als Schießstand benutzt hatten. Nichts. Nur die Tische, auf denen die Waffen und der Tourenplan des Wahlkampfs gelegen waren. Sonst gähnende Leere. Kelemens Leute hatten ganze Arbeit geleistet.
Ich verließ die Bretterbude und ging in das Haus.
»Muss das sein?«, fragte Robert wieder. Ich spürte seine Abscheu fast körperlich.
»Ja, muss sein«, antwortete ich. Ich hoffte, dass ich nicht mehr von diesem Haus träumen würde, wenn ich es einmal in Wirklichkeit betreten hatte.
Es war ein Abbruchhaus, wie jedes andere. Dreckig, leer und halbverfallen. In der Stube im unteren Geschoss stand ein Ofen, das Rohr aus der Wand gerissen. Die Fenster waren zerschlagen, ein Flügel aus den Angeln gefallen, Spinnweben, Rattenscheiße, Staub.
»Bist du jetzt bald fertig?«, drängte Robert noch einmal. Es war ihm sichtlich unangenehm, an den Ort zurückzukehren, an dem er gefoltert worden war.
»Noch nicht ganz.« Ich ging auf die schmale Holztreppe zu, die mir eben erst ins Auge gesprungen war. Sie knarrte unter meinen Füßen. Irgendwie gespenstisch, wenn ich an Geister geglaubt hätte. Aber selbst, wenn es solche gab: Schlimmer als Menschen konnten sie gewiss nicht sein.
Nach der Treppe eine Tür, schwer zu öffnen. Ich schob mich durch, die Burschen folgten. Vor uns ein großer leerer Raum. Auch hier zerschlagene Fenster. Alles voll Vogeldreck. Ich trat ein wenig vor zur Raummitte, die in meinem Traum immer durchgebrochen war. Der Boden knarzte und schwang ein bisschen. Ich trat bewusst vorsichtig auf. Meine beiden tapferen Begleiter blieben am Rand des Raumes stehen. Ich erreichte die Mitte, wippte mit den Füssen auf und ab, dann hüpfte ich. Erst nur ganz leicht, auf den Zehenspitzen, dann fester, stampfte auf den staubigen Boden. Er hielt, brach nicht durch. Nur eine Taube schreckte auf, flatterte hin und her und fand schließlich ein offenes Fenster. Ich blickte hoch.
Genau durch die Mitte des Obergeschosses, auf das der Dachstuhl gesetzt war, ging der breite Giebelbalken. Ich folgte seinem Verlauf und sah etwas darauf liegen, das hier nicht hinpasste: Ein Stück blaue Plastikfolie.
»He Langer«, rief ich Christoph zu, »komm mal her und heb mich hoch!«
Zaghaft kam er, bückte sich, damit ich mich auf seine Schultern setzen konnte, und stand auf. Nun sah ich auf den verstaubten, von Taubendreck übersäten Balken. Vor mir lag ein Sack, der mit der Öffnung voran über einen anderen gestülpt war. Ich griff danach. Und wusste, noch bevor ich ihn in den Händen hielt, was darin war: Kessels Sportbogen samt den Pfeilen.

Also ein bisschen mit einem Hauch phantastischen Realismus getrickst (kommt öfter vor bei mir).
Im realen Leben glaube ich ja nicht an „Zufälle“, bzw. wenn, dann nur im Sinne, dass uns „etwas zufällt“. Oder, beim Schreiben, dass ich als Autor meinen Protas manchmal etwas zuschmeißen muss. Dennoch will ich auch glaubwürdig bleiben. Wie schön, dass das dunkle Land der Seele manchmal sehr geheimnisvoll bleibt und nicht alles erklärt werden kann.

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Für eine konkreten Vorschlag benötigt man Kontext.

  • Der Detektiv könnten denjenigen kennen, der den Raum aufbricht und von ihm eingeladen werden mitzukommen, nachdem er Interesse zeigt. Oder ihn gerade aus einem anderen Grund treffen, wenn derjenige zum Auftrag (?) gerufen wird und auf ein „magst du mitkommen?“ zustimmen.
  • Besagter Raum könnte für den Detektiv irgendwie anders interessant sein, so dass er ihn observiert. Das muss nicht unbedingt persönlich sein, vielleicht hat er eine Kamera installiert?
  • Die Kamera-Variante geht auch anders. Der Detektiv hat gar keinen Bezug zu dem Raum, hört aber davon, dass er aufgebrochen wurde und besorgt sich die Aufnahmen einer Überwachungskamera.
  • Der Detektiv selbst sieht gar nichts, jemand anderes erzählt ihm stattdessen davon.

und, und, und. Man müsste deine Geschichte kennen, um sich etwas auszudenken, dass genau hineinpasst.

Von irrwitzigen Zufällen würde ich in jedem Fall absehen. Als allerletzte Maßnahme musst du das Problem „großer“ angehen, also nicht fragen, warum der Detektiv den Aufbruch sieht, sondern warum das für deinen Plot nötig ist und ob man das Problem nicht anders lösen kann, wenn man umschreibt.

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Für das Genre „Kriminalroman“ würde ich dieser Aussage noch ein dickes Ausrufezeichen hinzufügen. :bangbang:
In anderen Genres werden Unwahrscheinlichkeiten eher verziehen, aber Krimileser sind da streng.

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Ich schließe mich an, solche ‚Zufälle‘, denen man genau anmerkt, dass sie nur passieren, weil dem Autor keine bessere Lösung eingefallen ist, sind für einen Krimi immer übel, meistens sogar tödlich.

Gut, dann soll ihm ein Anwesender davon berichten, oder, so würde ich es wahrscheinlich machen, der Detektiv kennt jemandem aus entsprechendem Umfeld, der ihm noch einen Gefallen schuldet. Den fragt er einfach, so zum Beispiel:

„Hör mal, McMaus, ich hab da ein Problem mit einem XYZ Schließmechanismus. Wie würdest du da rangehen?“
„Ein XYZ, echt jetzt?“ McMaus kaute auf einer Haarsträhne herum. „Schwierige Sache das, sehr kniffelig, aber nicht unmöglich. Hab ich schonmal durchgezogen, am besten funzt das, wenn man …“

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Wenn es eine Praxis ist - könnte er dann nicht einfach einen Arzttermin haben? Oder einen Termin in der „Nachbarpraxis auf dem selben Flur“?

In einem Ärztehaus oder einer Gemeinschaftspraxis. Gute Idee.

Ich denke, „Praxis“ ist in dem Satz das Gegenteil von „Theorie“, nichts mit Arztpraxis.

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Mmh. Ich denke da müsstest du vielleicht noch etwas mehr preisgeben, um einen guten Tipp zu bekommen.

Danke schonmal für Eure klaren Meinungen und Stimmen gegen den Zufall.

Stimmt.

Ja richtig, sollte heißen „man würde ihn in der Realität wahrscheinlich wegschicken“. Meine Geschichte spielt im späten 19. Jahrhundert, Kameras etc sind daher leider als Option raus.

Meine Detektivin muss quasi in Erfahrung bringen, was sich in dem verschlossenen Raum befindet. Um das Öffnen an sich geht es gar nicht so sehr. Es ist nur wichtig, dass niemand Gelegenheit hätte, etwas seit dem letzten Verschließen des Raumes im Raum selbst zu verändern. Daher kann sie auch nicht später vorbeikommen und sich umsehen.
Aus meinem Detektivteam kommt auch nur einer halbwegs in Frage, überhaupt an der Aktion teilzunehmen, und sie braucht eben eine gute Erklärung, sich an Ort und Stelle zu befinden. Meint ihr es reicht als Erklärung, wenn sie sich aus eigenem Antrieb (sie weiß ja, dass sie in dem Fall ermittelt) unauffällig im Hintergrund herumdrückt, und dabei so unaufdringlich ist, dass sie quasi übersehen und daher nicht weggeschickt wird?

Edit: jemanden davon im Nachhinein erzählen zu lassen, wäre natürlich eine Option…

Zufälle sollte es nicht geben. Aber weil es eine Detektivin ist:

Jemand, der an ihr interessiert ist, lädt sie ein im Sinne. „Wir schauen uns Ort x an, möchtest du uns begleiten?“ Nicht, weil er ihre Hilfe braucht, sondern eher, weil er Gründe braucht gemeinsam Zeit zu verbringen.
Sie will ihn vielleicht nicht vor den Kopf stoßen und stimmt zu.
Und holla, es kommt was sinnvolles dabei heraus!

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