Glaubt Ihr an Zufall?

Hallo an alle Mitglieder!
Mein Name ist Udo, ich bin der Autor des Buches „Der Bronzerücken - eine biografisch-philosophische Reise“, kam über eine Krise zum Schreiben und habe im März 2021 im Selbstverlag veröffentlicht, da ich nicht suchen wollte. Inzwischen wird das Buch (deutschsprachig) auch in Japan angeboten.
Ich erwähne es, weil ich meinen gesellschaftlichen Blickwinkel habe mit einfließen lassen. Und irgendwie scheint das Buch immer aktueller zu werden. Wer mag, kann auf Amazon gern in die Leseprobe zum E-Book schauen.
Meine Frage nach dem „Zufall“ soll hier nicht die esoterischen Weiten des Universums auf sich ziehen, zumal ich keiner Konfession angehöre. Aber irgendwie scheint die Menschheit sich schwer zu tun mit dem Dazulernen. Einerseits schwingt sie sich zu immer neuen technologischen Höhen auf, andererseits werden die Menschen nicht müde, sich selber weh zu tun.
Ich selber habe nie geplant, ein Buch zu schreiben. Trotzdem liegt das neue Manuskript schon bereit und wartet nur darauf, durch das erste Buch im Selbstverlag veröffentlicht (finanziert) zu werden.
Mehr habe ich für heute nicht, wünsche aber allen, die sich daran beteiligen wollen, eine Horizont erweiternde Kommunikation.
Herzlich,
Udo

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39 Schweizer Franken für ein Buch zu berappen, das in den online Portalen nicht einmal über eine ordentliche Inhaltsangabe verfügt?
Ich habe irgendwo einen kurzen Klappentext gefunden, worin es über zahntechnische Dinge ging oder die Frage über Sinn oder Unsinn?
Das hilft mir für eine Kaufentscheidung nicht weiter.

Einzig in den Amazon Bewertungen finde ich wertvollere Informationen, jedoch keine Leseprobe. Hier wirst Du als Schriftsteller und Persönlichkeit als authentisch und offen bezeichnet.

Das macht mich neugierig, doch nicht neugierig genug um 39 Franken, umgerechnet 24.- Euro auszugeben.

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Morgen,

also Leseprobe und ‚Blick ins Buch‘ wird bei mir auf Amazon angezeigt. Leider bin ich diese Woche beruflich sehr eingespannt, aber am WE werde ich es mir mal anschauen.

Jedenfalls herzlich willkommen, Udo.

LG
ThAchi

Hallo Mathies,
danke für Dein Interesse!
Auf Amazon findest Du doch das E-Book. Die ersten vier Kapitel sind dort für jeden zugänglich. Danach kann man sich doch noch immer so entscheiden, wie man es für sich möchte…
Gruß, Udo

Hallo ThAchi,
vielen Dank für die freundliche Begrüßung!
Mir gefällt es, den Hinweis auf die Leseprobe zu geben, weil dann wirklich jeder für sich selbst entscheiden kann…
Gruß, Udo

Nicht für jeden, da sich die Leseprobe nur auf probrietäre Kindle -Geräte und -Apps laden lässt.

Ist auf der Amazon-Seite einfach im Browser deiner Wahl lesbar nach Klick auf „Blick ins Buch“ direkt über dem Cover (linke Seite). Dann ist weder Kindle-Gerät noch App dafür nötig.
Du hängst da gerade an der rechte Bildschirmseite am Knopf „Kostenlose Leseprobe senden“ fest, nehme ich an.

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Hallo Udo. Ich hatte noch keine Zeit, die Leseprobe zu nutzen, werde es nachholen. Und - JA! Ich glaube nicht so ganz an Zufälle. Meine bei story.one veröffentlichte Kurzgeschichte „Nichts passiert zufällig…“ erzählt von „Zufällen“ die eventuell nicht zufällig waren (;

Danke Mathies,
danke Stolpervogel,
auf der technischen Seite bin ich raus. Wirklich! Das habe ich alles dem Verlag überlassen, welche Geräte einen Zugang dafür haben dürfen.
Um ehrlich zu sein: Das Thema Community hatte für mich bislang im Leben nicht die Relevanz. Aber jetzt bin ich Deutschlands unbekanntester Autor (ich weiß um die falsche Ausdrucksweise…), und weil die Einladung von Papyrus kam, wollte ich mich wenigstens zeigen. Und jetzt muss ich mich irgendwie auch stellen. Mal sehen, wie sich alles entwickelt…
Gruß in die Runde, Udo

Hallo mawo,
danke für die Rückmeldung. Bin gespannt…
Gruß, Udo

Guten Morgen in die Runde!
Mein Mädchen hat gerade das Haus verlassen.
Gestern bin ich mit dem Lesen von „Zur Welt kommen - zur Sprache kommen“ (Sloterdijk) fertig geworden, wurde in einem anderen Thread zur Preisfindung angeschrieben, und ich merke, wie interessant (wenn nicht sogar wichtig) das Thema Preis und Wert hier im Forum ist.
Noch im Bett kam mir der Impuls, hier zwei Leseproben einzustellen. So kann sich jeder eigene Gedanken darüber machen, wo die jeweiligen Prioritäten liegen. Die erste Stelle ist aus dem biographischen Teil (Zahntechnik), die zweite aus den philosophischen Betrachtungen. (Das Finale aus Sloterdijks Buch hat mich vielleicht unterbewußt zu dem Schritt animiert.)
Gruß, Udo

Es gibt eine Redewendung, in der es heißt, man habe nie die Zeit, es richtig zu machen. Aber man habe immer die Zeit, es noch einmal zu machen. Das kann ganz schön nervig sein.
Die Basis einer jeden zahntechnischen Arbeit ist ein exaktes Modell. Die Chance auf ein exaktes Modell hat man nur, wenn bei der Abdrucknahme im Mund keine Fehler passieren. In meiner späteren Ausbildung sagte man uns, es gäbe zwischen Abdruck und der fertigen Arbeit etwa einhundert Fehlerquellen. Der große Vorteil unserer täglichen Arbeit lag in der räumlichen Lage. Es ist nicht unbedingt üblich, dass das Dentallabor seine Kunden über den Hausflur erreicht. Für uns war es gängige Praxis, bei Bedarf ´am Stuhl´ zu sein und mit der Ärztin oder dem Arzt den jeweiligen Fall zu besprechen. Ich erinnere mich an einen Fall, der für eine Ärztin Grund genug war, mich nach der Besprechung am Patienten zur Seite zu nehmen und mir unter vier Augen zu erklären, die Arbeit müsse so gut werden, um mit diesem Ersatz auf Brautschau gehen zu können. Später, mit der entsprechenden Erfahrung, meinte diese Ärztin einmal anerkennend: „Dem Krüger fällt immer etwas ein.“ Diese Bemerkung kam immerhin von der ehemaligen Chefin der stomatologischen Klinik. Natürlich lief auch in unserer Zusammenarbeit nicht immer alles glatt. Die Termine waren stramm getaktet. Wenn ich am Stuhl die Aussage „Ich brauche einen neuen Abdruck.“ machte, dann war das nicht verhandelbar – auch wenn das gerade nicht passte. Meistens befand sich der Prozess der Herstellung in der Phase, in der ein individueller - also exakt für den Patienten hergestellter - Abformlöffel erforderlich war. (Man unterscheidet anatomische und funktionale Abformungen.) Also nahm nicht nur die Abformung selbst zusätzliche Zeit in der Praxis in Anspruch, sondern auch die Herstellung des neuen individuellen Abformlöffels im Labor.
Ein Kiefer- und Gesichtschirurg im Hause, der auch als Gutachter arbeitete, ließ mich einmal zu sich holen. Wir besprachen einen Fall. In der Besprechung sagte der Chirurg: „Der Krüger überlegt sich jedes Wort.“ Jedes Wort hat Gewicht.
„Wie, Sie wollen mit der Prothese auch essen? Das hätten Sie uns vorher doch sagen müssen!“ Kommt Ihnen diese Bemerkung frech oder gar arrogant vor? Wer schon einmal mit seinem neuen Zahnersatz unglücklich war, könnte es vielleicht so empfinden. Die Äußerung soll aber gar nicht arrogant sein. Wenn der Patient mit einem Foto aus seiner Jugend und den entsprechenden Vorstellungen vorspricht, dann weiß er nicht, dass der unbezahnte Oberkiefer von außen nach innen atrophiert (schwindet). Der unbezahnte Unterkiefer schwindet in umgekehrter Richtung – also von innen nach außen. Das hat Auswirkungen auf die Gestaltung, die Haftung und die Statik der Prothesen. Und die Winkel der aneinanderreibenden Zahnhöcker müssen zu den Winkeln in den Kiefergelenken passen. Maße, die hier von physiologischen Mittelwerten abweichen, erfordern eine besondere Herangehensweise durch den behandelnden Arzt. Sie merken schon, dass es gar nicht so einfach ist, wirklich gut funktionierenden Zahnersatz herzustellen. Übrigens: Wie Sie wahrscheinlich wissen, gibt es in unserer Gesellschaft Kassen- und Privatpatienten. Für uns als Zahntechniker war es zwar ersichtlich, für welche Kategorie Patient wir uns ins Zeug legten, aber auf die Einstellung oder Motivation zur Arbeit an sich hatte es keinen Einfluss. Der Kassenpatient hat die gleiche Qualität verdient.
Noch während meines ersten Jahres besuchte ich einen Modellgusskurs. Dass ein Zahn einen spezifischen Äquator hat, können Sie sich vorstellen, wenn Sie an die Erde im Vergleich denken. Soll ein Kiefer mit einer Klammerprothese versorgt werden, wird zwar der einzelne Zahn, aber auch der Kiefer (im Modell) in Bezug auf seinen prothetischen Äquator vermessen. Je nach Länge und Stärke der Klammerarme geht beim Einsetzen und Herausnehmen der Prothese die Klammer im Mittel 0,5 – 1 mm auf und wieder zu. Im Idealfall sitzt die Klammer im Ruhezustand spalt- und spannungsfrei am Zahn. Da mein Alltag bereits ein gelebter Modellgusskurs war, konnte ich mich schon ziemlich gut auf die Qualität meiner Kursarbeit konzentrieren. Die fertigen Arbeiten zeigte ich nicht nur im Labor, sondern auch meiner Familie. Bei meinen erklärenden Ausführungen konnte ich immer auch die Anerkennung spüren. Endlich war ich wieder angekommen.
Schon ziemlich früh ließ mein Chef die Bemerkung fallen, ein Zahntechniker hätte in der rechten Hand eine Waage. War das eine Erwartungshaltung? Später war es immer mal wieder spannend, einen Tipp abzugeben, wie schwer der Goldrohling für die anstehende Krone oder Brücke sei. Das können drei Gramm sein oder auch dreißig. Die Waage (im Grammbereich) zeigte zwei Stellen nach dem Komma. Schon in meiner ersten Ausbildung zählten Massen. Wenn wir den Saatguthänger zum Drillen beluden, kam dieser schon mal an die Kapazitätsgrenzen von über acht Tonnen. Manche Säcke wogen sechzig Kilogramm pro Stück. Ich weniger als siebzig. Viel hat sich diesbezüglich bis heute nicht geändert, was mich angeht.
Als ein Jahr meiner Hilfskrafttätigkeit langsam vorbei war, fragte ich nach, ob denn nicht die Möglichkeit bestünde, einen Berufsabschluss zu machen. Er sollte mir ermöglicht werden. In der DDR war der Beruf des Zahntechnikers ein abgeschossenes Fachschulstudium, in der BRD eine 3 1/2-jährige Ausbildung im Handwerk. Mir sollten 2 ½ Jahre genügen. Wie andere in dem Jahrgang auch begann ich eine Einzelumschulung. „Aber zwei Mogus (Modellgüsse) pro Tag bekomme ich trotzdem!“, war die Ansage meines Chefs. Für die theoretische Ausbildung an der Berufsschule bedeutete das, dass ich nach einem halben Jahr in den ein Jahr älteren Kurs versetzt wurde. Der fehlende Unterricht wurde durch separaten Unterricht und im Selbststudium erarbeitet. In der Praxis lernte ich jetzt auch die anderen Bereiche mit meinen eigenen Händen kennen. Zeitgleich zu meiner Umschulung startete eine neue Kollegin ihre Ausbildung, die aus einem Studium in der Baubranche kam. Meistens verstanden wir uns sehr gut. Aber wir bekamen auch manchmal von Kollegen zu hören, wir wären wie ein altes Ehepaar. Da wir nach einem halben Jahr nun auch in einer Klasse waren, lernten wir uns noch besser kennen. Gelegentlich verabredeten wir uns auch privat.
Wahrscheinlich durch einen unmotivierten Schüler ausgelöst, gab es an der Berufsschule eine Bombendrohung. Die Auswärtigen sollten nach Hause fahren, die Potsdamer in ihren Betrieben vorsprechen. Das haben wir uns verkniffen und den Tag für uns freigenommen. Darüber nachdenkend, dass sich die Laborinhaber durch die Innungsversammlungen kennen, wurde uns die Unmöglichkeit der Geheimhaltung bewusst. Am nächsten Tag gingen wir also freiwillig zur Beichte. Wir wussten ja selber, wie extrem die Auftragslage war und unser Schwänzen entsprechend kontraproduktiv. Trotzdem hatten wir unterschwellig das Gefühl, Respekt für unser Rückgrat zu ernten. Die Auftragslage war wirklich extrem. Termine von sechs bis acht Wochen habe ich von einem Arbeitsschritt zum nächsten vergeben. Aus medizinischer Sicht ist das viel zu lang. Aber es war so. Ein wirklich guter Kunde fragte einmal meinen Chef, was er denn tun würde, wenn wir keine Arbeit mehr von ihm bekämen. „Dann mache ich erst einmal drei Wochen Urlaub.“, war die Antwort meines Chefs. Das beeindruckte mich sehr. Noch heute - oder besser: gerade heute - ist die Äußerung bemerkenswert, da jeder Kontakt zu einem VIP-Kunden erklärt wird und manche Entwicklung soweit ausgereizt werden kann, bis sich Therapeut oder Anwalt melden oder Mutter Erde (spirituelle Denkweise) sich eine kleine Auszeit nimmt. „Die Welt liegt uns zu Füßen, denn wir stehen drauf.“, hat einst eine vierköpfige Combo gesungen – fantastisch! („Die Fantastischen Vier“) Es ist so spannend, die gesellschaftliche Entwicklung zu beobachten. Wäre ich ein Philosoph, würde ich hier aber mal reingehen! Unser Kunde ist trotz der Bemerkung meines Chefs bei uns geblieben. Er wusste sehr genau, was er an uns hatte. Meine freie Interpretation der Situation: Wenn ich weiß, wer ich bin, dann kann ich auch selbst entscheiden, wohin ich meine Energie gebe. Stark! Was für eine Erkenntnis! Etwas Glück gehört wahrscheinlich auch dazu. Irgendwo habe ich mal gelesen, es gäbe nichts, wovor man Angst haben müsse, wenn man es nur versteht.
Meine Kollegin spezialisierte sich später auf keramische Verblendungen. Dafür hatte sie ein Händchen. Die Verblendungen waren wirklich schön. Auf ihrem Platz stand ein kleines Schild mit dem Spruch: „Wenn dir dein Leben nicht mehr passt, ändere es oder halt´ die Schnauze.“ Für jemanden, der nicht so einfach Veränderungen begrüßt (ich zähle mich dazu), ist die Aussage ziemlich hart. Andererseits ist die westliche Freiheit wohl die Gesellschaftsform, die eine Umsetzung, entsprechend des Schildes am ehesten ermöglicht.
Den größten Respekt hatten wir Jungtechniker vor einer Kollegin, die mit Abstand die erfahrenste Kollegin war und schon in denselben Räumen ihren Beruf erlernte. Sie war auf Totalprothetik spezialisiert. Die Herausforderung besteht in der fehlenden Orientierung, weil ja keine Zähne mehr zur Herleitung herangezogen werden können. Hier ist eine exakte Vor- und Zuarbeit durch den Arzt unabdingbar. Unser Respekt war jedenfalls so groß, dass wir der Kollegin unterstellten, die neuen Zähne aus einem Meter Entfernung einzeln so in die Wachsmodulation werfen zu können, dass diese auf Anhieb auf ihrer richtigen Position stünden. Schnell noch die habituelle Interkuspidation einschleifen - fertig. (Das Einschleifen hört sich genauso an wie beim Zahnarztbesuch und ist für die ungeübten Ohren vielleicht ebenso schmerzhaft.) Diese Kollegin meinte zu Beginn meiner Tätigkeit, der Modellgussbereich sei der schmutzigste in der Zahntechnik. Das störte mich nicht, kannte ich doch das Aussehen meiner Hände nach dem Reinigen von Zentrifugen (Ölfiltern) an den Motoren in den verschiedenen Landmaschinen.
Vor unseren Kindern sprach ich einmal davon, dass kein Zahnarzt nach der Behandlung zu seinen Patienten sagen würde: „Bitte gehen Sie jetzt mal in die habituelle Interkuspidation!“ Der Zahnarzt wird den Patienten eher bitten zuzubeißen. Übersetzt bedeutet es nämlich Schlussbisslage oder gewöhnlicher (maximaler) Vielpunktkontakt. Habituell – gewohnheitsmäßig, inter – zwischen, cuspis – Höcker.

Kapitel 23

Von der Oligarchie zur Demokratie.
Von der Demokratie zur Tyrannei?

„Wenn ich was zu sagen hätte…“, hört man manchmal die Menschen sagen. Noch ist die Meinungsfreiheit möglich. Bleibt sie das auch? Gesellschaftswissenschaftler und Philosophen beobachten entsprechende Entwicklungen sehr genau und tauschen sich darüber aus. Und irgendwie kann und möchte ich mich dem nicht entziehen.
Noch immer beschäftigt mich „Politeia“. Wenn Ihnen, als geneigter Leser, etwas an der Demokratie liegt und/ oder Sie in gesellschaftlicher Verantwortung stehen, dann würden Sie nach Platons Schrift vielleicht das Gefühl haben, dass Demokratie kein bequemes Sofa mit integrierter Ausruhgarantie ist. Platon lässt Sokrates gesellschaftliche Entwicklungen hin zu verschiedenen Staatsformen in der Theorie beschreiben. Wenn ich mich auch wiederhole – vor mehr als 2400 Jahren (geschätzt 409 – 405 v. Chr. (S. 471)). Hat die Entwicklung von der Demokratie zur Tyrannei schon begonnen? In einer Klarheit spiegelt sich in Sokrates´ Beschreibung eine Entwicklung zur benannten Staatsform: „… es sind Tyrannen weise durch der Weisen Freundschaft!“ [567d-568c] (S. 381)
Brauchen wir einerseits mehr Eigenverantwortlichkeit in den gesellschaftlichen Bereichen und andererseits den wohlwollend empathischen Blick für - und nicht den vergleichend distanzierenden Blick auf - den Nachbarn? Das Posieren ist wohl nicht mehr zeitgemäß - und das Bereiten der Bühne dafür vielleicht auch nicht mehr. Bekämen wir das mit der Verantwortung hin, dann gelänge es uns vielleicht auch als Gesellschaft, unsere Kinder besser zu schützen und zu führen. Wir würden keine (Mit-)Schuld bei Nachbarn, Erziehern und Behörden suchen, wenn klar wäre, dass für die Erziehung das ganze Dorf gebraucht wird. (So ähnlich heißt es wohl in einem geflügelten Wort.) Mütter und Väter sollten nicht die besten Freunde ihrer Kinder sein. Sie sollten durch ihren Vorsprung in der Lebenserfahrung ihre Kinder führen und ihnen eine geerdete Basis sein. Und jedes Hindernis sollte den Kindern auch nicht aus dem Weg geräumt werden. Wie sollen sie sonst später ihren eigenen Kindern helfen, Herausforderungen zu meistern, wenn ihnen selber alles abgenommen wurde?
In unserer Verwandtschaft gibt es Tante Ingrid und Onkel Manfred. Zusammen führten sie in Baruth von Juni 1964 bis zum Jahresende 2012 die Gaststätte „Am Mühlenberg“. Seitdem sind sie im Ruhestand. Manfreds Bauernfrühstück ist in unserer Gegend genauso legendär wie das Schnitzel mit Kartoffelsalat. (Den Brathering mit Bratkartoffeln muss ich aber noch für mich erwähnen.) Mit unserem Sohn schaute ich bei ihnen vorbei. In der Runde kamen wir auf seine Interessen, auf seine spätere berufliche Orientierung zu sprechen. Da mich der gesellschaftliche Aspekt irgendwie immer begleitet, sagte ich, dass die Kinder nur auf zwei Dinge achten müssen. Sie müssen in sich hineinfühlen, um herauszufinden, wofür ihr Herz schlägt. Und sie müssen sich bewusst machen, dass sie sich selbst eines Tages verantworten werden. „Höre gut zu, was dein Vater sagt!“, war Ingrids Reaktion. Das meine ich mit dem ganzen Dorf. Das Wort der Alten in unserer Verwandtschaft hat auch für uns Gewicht. Deshalb blieb unsere Mama selbst im Pflegeheim für meine Geschwister und mich die Chefin. Einfach nur die Würde der Alten respektieren und bewahren und ruhig einmal ihre Meinung - aus ihrer Lebenserfahrung heraus - respektieren und vielleicht auch mal annehmen. Heidis Oma hat ihren eigenen Kindern, die teilweise selbst schon Großeltern waren, noch die Meinung gegeigt, wenn ihr danach war. Ich mochte sie sehr. „Eines Tages wirst du dafür geradestehen.“, hat sie einmal zu mir gesagt. Mir fehlte in dieser Situation wohl der weite Blick.
Eine international erfolgreiche Unternehmerin wurde vor vielen Jahren - nach eigenen Worten - einmal von einer caritativen Einrichtung angesprochen und um eine Spende gebeten. Solange man nicht an die gesellschaftlichen Ursachen ginge, bekäme man von ihr keinen Pfennig! Diese Aussage gab mir zu denken. Die Unternehmerin unterstützt auch Unicef, soweit ich es in Erinnerung habe. Mit ihrem Ausspruch ging es wohl um mehr, als nur darum, ein Gewissen zu beruhigen. Das Gesellschaftliche geht wohl uns alle an.
Macht macht Macht. Wie wird der Weg von der Demokratie zur Tyrannei beschrieben? In der Betrachtung von ´Haben oder Sein´ beginnt es mit der Erkenntnis, dass mehr Haben nicht automatisch mehr Wohlsein bedeutet. Mehr Haben bedeutet auch nicht unbedingt mehr Wohlwollen. Es folgen zunehmende Unzufriedenheit, schwindende Empathie für das soziale Umfeld, neue gesellschaftliche Strömungen, die subtil neue Heilsversprechungen verkaufen können. Wurde in der Demokratie zuvor der Drang nach Individualität auf die Spitze getrieben (es war ja legitim – zwar nicht gesund, aber legitim), dann könnte die Bodenständigkeit (Erdung) schon abhandengekommen sein. Da die Masse der Menschen selbst nicht führen, dafür aber umso mehr geführt werden will, werden neue Wege ausgelotet. Jetzt bräuchte sich nur noch jemand zu finden, der bereit wäre, das Heft in die Hand zu nehmen. Nach Sokrates wäre das Volk der Vater des Tyrannen. (Bitte nicht einfach darüber gehen: Das Volk wäre der Vater des Tyrannen… [564c – 571b] (S. 376 - 383).) Der damalige Kabarettist Dieter Hildebrand hat es einmal wunderbar einfach erklärt: „Der Mensch ist Mittelpunkt. Das hätten Sie wohl gern. Der Mensch ist Mittel. Punkt!“ Nüchtern und besonnen betrachtet, hat das Volk vielleicht mehr Macht, als ihm manchmal bewusst ist. Die Verantwortung, die daran hängt, dürfte entsprechend groß sein.
Zum Thema „Wie bedroht ist unsere Demokratie?“ lud ein Philosophie-Professor einen Herausgeber einer Tageszeitung zu einem Dialog ein. Während der Herausgeber der Zeitung relativ entspannt blieb, was das Aufweichen und Unterhöhlen westlicher Werte angeht, konnte der Philosoph dessen Gelassenheit kaum teilen. (Aus meiner Sicht schließt sich hier ein Kreis zu Prof. Harari.) Am Rande des Dialogs wurde erwähnt, dass die industrielle Revolution die Arbeit der Hände verändert hat. Die digitale Revolution (u.a. die Entwicklung der künstlichen Intelligenz) verändert nicht die Arbeit der Hände, sondern die des Kopfes, war die einheitliche Feststellung im Dialog. (Schon heute lassen sich Menschen Chips einpflanzen. Schon heute lassen sich Menschen - um ein paar Euro zu sparen - auf Kfz- oder Fitness-Tarife ein, die sie digital überwachen.)
Schon die alten Römer waren sehr geschickt. Diejenigen, die sich in ihren Eroberungsfeldzügen auf deren System einließen, waren wohl irgendwann selbst wie Römer. Die Gallier wollten sich lieber ihre Autonomie bewahren. Im Fernseher sind sie die Helden, und wir können uns mit ihnen freuen. Im richtigen Leben wiegen Bequemlichkeit und Anpassung an gesellschaftliche Trends wohl schwerer. Ich persönlich denke, dass so mancher Fortschritt hinterfragt werden könnte, falls das mit der Digitalisierung der Köpfe nicht so umfassend gelingt. Das fängt schon damit an, nicht jeden Trend mitmachen zu wollen. Ein nichtdigitalisiertes Auto könnte der Masse der Gesellschaft als gallisches Auto erscheinen. Ohne Armband- oder Fitness-Uhr durchs Leben zu gehen, könnte bemitleidenswert aussehen. Nur stiller Beobachter zu sein, könnte den Eindruck erwecken, nichts zu sagen zu haben. Aber es gefällt mir trotzdem.
Es sind bewegte Zeiten. Auf der Internetseite des Liedermachers Konstantin Wecker fand ich ein Zitat, das der österreichische Schriftsteller Stefan Zweig am 22. Mai 1935 an den französischen Literatur-Nobelpreisträger Romain Rolland geschrieben hat:
„Alles in Europa treibt mit unaufhaltsamer Gewalt
der Vernichtung entgegen, und ich erkenne abermals,
dass es nie die Weisen, nie die Denker sind,
die das dramatische Geflecht der Geschichte weben,
sondern die großen Monomanen, die Mondsüchtigen,
die nur ihre Idee sehen, eine Idee, die die Welt heilen soll,
aber in Wahrheit krepiert sie daran.“
Vielleicht sind die großen Monomanen inzwischen klüger. Vielleicht sind die gebildeten kleinen Individuen - in der Summe: Gesellschaft - ebenfalls klüger. Mutiger dürften sie auf jeden Fall sein. Noch einmal: Ein Wesensmerkmal der Demokratie ist, persönliche Individualität zuzulassen und Individualisierung bis zum Loslösen von gesellschaftlicher Verantwortung hinzunehmen. Die Kehrseite der Medaille könnte aber sein, dass Achtsamkeit und Empathie in den zwischenmenschlichen Bindungen verloren gehen. Werden Forscher in einigen Generationen nach uns (wieder) fragen: „Wie konnte das passieren? Die hatten doch alles!“
Werden wir es schaffen, uns unsere Demokratie zu bewahren? Ich denke, es kommt darauf an… Es kommt darauf an, was uns als Gesellschaft wertvoller erscheint. Ist es das juristische Durchsetzen von Individualität - losgelöst von der Gesellschaft - koste es, was es wolle? Oder stellen wir ein gesundes Gemeinwohl höher? Das beinhaltet vielleicht auch, so mancher gekränkten Eitelkeit klarzumachen, dass sich ein Gericht auch auf den Einsatz des gesunden Menschenverstandes vor Annahme eines zu verhandelnden Falles berufen darf. Würde das unsere Gerichte nicht entlasten? Und ganz ehrlich: Zu gesellschaftlichen Entwicklungen haben die Menschen auch meistens eine Meinung. Die über Jahrzehnte geforderte und geförderte individuelle Freiheit und Selbstverwirklichung spiegelt doch auch ein erweitertes Selbstbewusstsein wider. Gekoppelt mit Bildung sollte es doch Hoffnung machen. Es ist nur die Frage, in welche Kanäle diese Energie gelenkt wird. So gesehen hat doch alles sein Gutes.
„Deutschland braucht dich.“, sagte Michael. Wir kennen uns schon so lange. Und was machen wir jetzt? Wahrscheinlich braucht Deutschland nicht nur mich. Unsere Kanzlerin wird die Schlussphase ihrer Legislatur auch noch ohne mich schaffen. Gesellschaftlich haben wir uns noch einige Baustellen aufgehoben. Da wäre weiterhin das weltumspannende Thema mit der Demokratie. Wirtschaftlich sind wir wohl doch mehr ein Getriebe, als uns manchmal bewusst zu sein scheint. Und im internationalen volkswirtschaftlichen Vergleich sollte Deutschlands soziales Sicherheitsnetz noch relativ engmaschig sein.
Behält Oskar Schindler (der deutsche Industrielle) mit seiner Äußerung Recht, wonach Disziplin Macht sei? Hält uns das Leben gerade einen Spiegel vor, in dem wir sehen (könnten), ob wir Disziplin und Solidarität noch können? Solidarität? Wir führen als Gesellschaft Statistiken, die widerspiegeln, wo sich welcher Reichtum wie konzentriert. Aber warum fürchten immer mehr Branchen um ihre Existenz? Generiert wird der Reichtum doch durch das gesamtgesellschaftliche Spiel. Nach Diffusion - vergleichbar mit dem Verhalten zweier unterschiedlich feuchter Schwämme - sieht unser bisheriges Spiel nicht unbedingt aus. Vielleicht muss es das auch gar nicht. Zumindest materiell haben wir in der westlichen Wertevorstellung mehr Übermaß als Mangel. In der Wirtschaftslehre heißt es, dass der Markt alles regeln würde. Na dann… Brauchen wir Disziplin nur noch im Arbeitsleben, um uns auf zu erreichende Ziele zu konzentrieren? Je länger die ungeplante gesellschaftliche Schieflage andauert, desto ernsthafter könnte das Hinterfragen des bisherigen Spiels werden. Margaret Thatcher (die eiserne Lady) meinte einst sinngemäß, Deutschland habe zwei Weltkriege verloren, sei aber schon wieder die ´Nummer 1´ in Europa. Die in Europa glücklichsten Menschen leben also in Deutschland? Aber wie passt das zum steigenden Bedarf an Therapeuten? Kann es sein, dass die Menschen der eigenen Inspiration nicht mehr folgen (geschweige denn vertrauen) – trotz aller Freiheit? Wird man außerhalb seiner Komfortzone ernsthaft berührt, so kommen oft genug Therapeut oder Anwalt ins Spiel.
Sollte die Leere aus dem Konsumenten nicht verschwinden wollen, wird man ihm vielleicht erklären: „Hat dir keiner gesagt, dass du für dein Leben selbst verantwortlich bist?“ (Selbst dieser Gedanke kommt mir in diesen Tagen gewagt vor, weil eben nicht alles im Leben berechenbar ist.) Wird nicht genau dieser Enttäuschte wieder offen für neue Wege sein? Er wird einen Ausweg aus seinem Dilemma suchen. Vielleicht kommt die Person an einen Punkt, den sie im Nachgang als die entscheidende Weiche in ihrem Leben positiv bewertet. (Im Moment sehe ich mich selbst ein wenig darin.) Aber was ist, wenn die Person nicht herausfindet? Wenn sie sich umbringt, entstehen nach der Abwicklung keine weiteren Kosten. Die Formulierung habe ich absichtlich so hart gewählt. Wer mich kennt, weiß auch um meine Empathie. Für die Person könnte auch ein Ventil sein, das eigene Unwohlsein auf andere Personen übertragen zu wollen, um damit auf sich aufmerksam zu machen. Und wenn diese Personen dann wiederum Therapeuten brauchen, erhält der Vorgang doch eine gesellschaftliche Relevanz, oder?
In einer Grafik schlüsselte ein Fernsehsender den Markt in Anlehnung an die altersspezifischen Unterhaltungs- und Informationsinteressen des Publikums auf. Es gab mehr Gruppierungen, als ich für möglich hielt. Selbst für mich als gesellschaftlich Interessierten war die Grafik überraschend. So sehr im Detail hatte ich mich dann wohl doch nicht dafür interessiert. Meine freie Interpretation: Je älter die Konsumenten waren, desto gefestigter waren sie in der Meinungsbildung. (Das ist ja auch irgendwie logisch.) Das Erwähnen der Grafik halte ich dennoch für sehr lohnenswert, weil zumindest teilweise von einer heranwachsenden Generation „Hauptsache Spaß“ gesprochen wurde. (Wenn ich daran denke, dass meine Eltern Jahrgang 1927 und 1938 waren und entsprechende Erlebnisse hatten, dann könnte man eine spätere Geburt durchaus als Erleichterung betrachten.) Im ersten Moment kam mir die Haltung „Hauptsache Spaß“ leichtsinnig vor - gerade wegen der gesellschaftlichen Strömungen. In demselben Sender stellte man einige Wochen zuvor auch fest, große Teile der heranwachsenden Generation würden sich in parallelen Medien zu den für sie relevanten Themen informieren. Dadurch verschieben sich natürlich Einfluss und Transparenz. Die Kompetenz kann ich nicht beurteilen. Gleichgültig ist die heranwachsende Generation wahrscheinlich nicht.
Als ich im vorletzten Jahr von Prof. Yuval Noah Harari, dessen Buch „21 Lektionen für das 21. Jahrhundert“ las, beschlich mich ein komisches Gefühl. Er zeichnet für die Zukunft das Bild, der Großteil der Menschen könnte immer weniger gebraucht werden. Die Spezialisierung derjenigen, die noch in produktiven Prozessen stünden, wäre sehr hoch und die Kontrolle durch im Hintergrund alles erfassende Algorithmen entsprechend. Und wenn jemand nicht mehr gebraucht wird, dann spürt er es auch – nicht nur in seinem Portemonnaie. Meine freie Interpretation: „Alexa - oder welche Sprachbox auch immer: Spiel´ mir das Lied vom Tod!“ Ist das die große ethische Herausforderung in der Entwicklung des Fortschritts? Kennen wir Gebrauchtlosigkeit in der Urform indigener Völker? Irgendwie wurde doch wohl jeder gebraucht. Wundert es Sie, dass neue gesellschaftliche Strömungen entstehen? Mit zunehmender Unterhaltung - auf verschiedenen Ebenen von außen - nehmen wir den Menschen vielleicht die Möglichkeit, sich selbst zu hinterfragen. Wer bin ich? Das wird wahrlich nicht jeden interessieren. Aber vielleicht sollten wir den Faktor Unterhaltung nicht unterschätzen. (An mir spüre ich deutlich, wenn sich mein Filter dazwischenschaltet. An meinem Energiefluss sollten nicht zu viele herumzerren. Ein Kind wird wohl kaum geboren, um sich ein Leben lang unterhalten zu lassen. Die Prüfungen im Leben kommen so oder so.) So wirklich annehmen möchte ich Hararis These für mich noch nicht. Schließlich hat die Menschheit seit Jahrtausenden immer wieder Lösungen gefunden. Aber es waren Menschen, keine Roboter. Und Prof. Harari hat etwas mit sich gerungen, seine soziologischen Darlegungen überhaupt zu veröffentlichen. Ist er unserer Zeit etwa voraus? Die gesellschaftliche Relevanz stellte er aber über persönliche Befindlichkeiten. Meine Hochachtung und meinen Respekt, Herr Professor Harari!
Vor Kurzem hat mich die Äußerung einer Professorin, die gleichzeitig Mitglied einer Ethikkommission ist, wirklich sehr berührt. Die derzeit vorherrschende gesellschaftliche Ausnahmesituation führe dazu, dass sich die Menschen wieder nach analoger Nähe sehnen. Mein Bauchgedanke: Na endlich! Wir haben es noch selbst in der Hand.