geschlechtsneutrales Schreiben

Hallo!

Da scheinbar viele Schreiber- professionell und als Hobby- Papyrus verwenden, denke ich ist das hier die richtige Stelle um folgendes Thema zu deponieren :smirk:

Geschlechtsneutrales Schreiben bzw. Gendergerechtigkeit.

Ich weiß nicht ob in Deutschland oft von Medien das „Binnen-I“ verwendet wird (z.B. ArbeiterInnen, SchülerInnen…), aber hier in meiner Lieblings-onlinezeitung ( derstandard.at )wird davon reger Gebrauch gemacht. Ich finde das gelinde gesagt, sehr unschön und unnötig! Was meinen die "Profi"schreiber von Papyrus dazu?

Hier gibt es auch einen Artikel über das Firefox „Adon Binnen-I be gone“- diestandard.at

Ich halte weder etwas von diesem vollkommen sinnfreien “I”-Geschreibe noch von solch abstrusen Konstrukten wie Maler/-innen oder dergleichen.

Vor der Emanzipation konnte man “Malerinnen und Maler” schreiben. Oder das mit Maler abkürzen. Nach der Emanzipation scheint das jetzt furchtbar schlechter Stil zu sein…

Politisch mag das inkorrekt sein, aber bei mir gibts “die Maler”, “den Maler” und die “Malerin”. Der Duden findet das übrigens auch vollkommen in Ordnung. Der Korrektor kollabiert, wenn man ihm mit einem “MalerInnen” kommt…

Allerdings schreibe ich keine Romane und muss mich von keinem Lektor prügeln lassen, der Angst haben muss, dass Frau Schwarzer mit dem Nudelholz kommt :wink:

Bis denne,

Pascal

Hallo Alfred,

Bei deiner Anfrage handelt es sich um die sog. “political correctness”. In gutem altem Deutsch: Zeitgeistiger Unsinn. Nur weil mangelndes Selbstwertgefühl oder übertriebener Feminismus es dem weiblichen Geschlecht zu verbieten scheint, sich in männlicher Form angesprochen zu fühlen, obwohl der Kontext dies ausdrücklich gestattet, muss noch lange nicht jeder Furz deswegen die Darmkurve verlassen.

Wer will, OK - wer nicht will, auch OK. Wirkliche Frauen lassen sich dadurch eh nicht aus der Ruhe bringen.

Und die anderen sollten so wenig beachtet werden wie die englische Post das tut, als nämlich die Anfrage an sie gerichtet wurde, ob man statt “Royal Mail” nicht besser “Royal Female” zu schreiben hätte, lautete die Antwort: Wenn die geneigten Damen statt der Briefschlitze an den Briefkästen… :smiley:

Nichts für ungut.

Der Linguist

rofl !! :smiley: :smiley: :smiley: :smiley: :smiley: :laughing: :laughing: :laughing: :astonished:

das schlägt dann manchmal auch Kapriolen: Ausdruck aus Originaltext unseres Betriebsrates: „… die MitgliederInnen…“ :smirk:

Jochen

Ich finde „Menschinnen“ immer noch ungeschlagen …

Wobei ich mich frage, wie weibliche Begriffe gleichgestellt werden. Wird aus der „Hilfskraft“ der „Hilfskräftige“? Neben der „Tunte“ gibt es den „Tunter“, zur „Diva“ den „Diwan“ und die „Amazone“ hat den „Amazon“ als männlichen Begleiter?

Manchmal wünsche ich mir den Strafbestand der vorsätzlichen Tötung der Sprache herbei …

Michael

Unvergesslich auch die Parodie Matthias Richlings auf den Bundespräsidenten, wenn er in breitem Schwäbisch beginnt:

Liebe Deutschinnen und Deutsche… :smiley:

Re: geschlechts"plurales" Schreiben

Ich habe mich mit dem großen ‘I’ nie wirklich anfreunden können, weil es der Kultur unserer Schriftsprache widerspricht. Das Gelesene gehört, heißt etwas Anderes, als wenn man es liest. Aber als Zeichendarstellung fand ich es genial. Mit einem Blick ist sofort erfasst, was gemeint ist.

Natürlich kann man sich lustig machen; die Fähigkeit etwas zur Spitze zu treiben ermöglicht Überspitzungen.

Das Problem, das dadurch deutlich wird, ist aber letztlich ernst.

Sprache spiegelt, drückt aus, prägt unser Denken und Einstellung. Vielleicht darf man sogar soweit gehen und von einer Wirkung von Worten ausgehen. Und unsere Sprache hat eben - wie sollte es auch anders sein - wie unsere Gesellschaft aufgrund unserer kulturellen Entwicklung eine patriarchalische Grundprägung angenommen. Sie aufzuweichen, zu verändern…natürlich sperrte sich da zuerst einmal unsere Sprache und Sprachgefühl. (und vielleicht nicht nur das!)

Doch diese ganzen Bemühungen zeigen und sind ein Ausdruck für eine Entwicklung der anderen öffentlichen Teilhabe von Frauen in unserer Gesellschaft und einer Entwicklung der privaten Beziehung zwischen Mann und Frau, die vor Jahren fast undenkbar schien. Vieles, auch sprachlich, ist eben heute selbstverständlich geworden. Insofern sind die Bemühungen, Frauen auch sprachlich zu repräsentieren, letztlich sinnvoll. Es ändert das Denken. Das könnte man, wenn man möchte, bei allem Lästern, ebenfalls noch im Hinterkopf haben.

Markus Mall

Re: geschlechts"plurales" Schreiben

Hallo Markus,

„Die Rede hör ich wohl, allein mir fehlt der Glaube…“… :roll_eyes:

Aus meinem Bereich (Sprachforschung) kann ich sagen, dass das Argument, sprachkulturelle Sozialisation und Kultur wären ursächlich miteinander verknüpft, bestenfalls eine Halbwahrheit ist, da das Ursache- Wirkungsverhältnis nicht stimmt.

Wenn tatsächliche eine Ursächlichkeit auszumachen ist, dann eher in umgekehrter Reihenfolge, dass nämlich sprachlichen Ausdruck findet, was kulturell längst vorgegeben ist bzw. sich aus anderen Gründen entwickelt hat.

Der heutige Wildwuchs der Anglizismen und Amerikanismen ist ebenso Ausdruck kultureller Anbiederung an den herrschenden (medialen) Zeitgeist wie die Frankomanie des 18. und 19 Jhrts.

Dann:

Weder im Englischen des Mittelalters noch im Schwedischen der Neuzeit hat das langsame Aussterben der Höflichkeitsformen (Sie/Ihr) zu einer „Rustikalisierung“ oder Despektierung des Umgangs geführt.

Weiter:

Auch die Kraftausdrücke der sozialen Subsprachen bzw. der niederen Soziolekte sind nicht Ursache für mangelndes Sozialbewusstsein oder fehlende Umgangsformen etc., sondern eher die Folge bestehender sozialer Missstände.

Es mag nun in der Tat hier oder da auch Wechselwirkungen geben, keine Frage, aber dass maskuline Sprachformen Hauptursache für feminine Unterdrückung, Geringschätzung o.ä. wären, ist eher dem Extremdenken jener Alles-oder-nichts-Feministinnen zuzuschreiben, welche nur noch in maskulinen Feindbildern denken können.

Die eigentlichen Ursachen für die nun in der Tat bestehende Ungleichgewichtung der Geschlechter liegen in der kulturellen Geschichte einer religiös wie wirtschaftlich bedingten Ungleichbewertung sozialer Rollen. Daraus entwickelten sich im Laufe der Zeit Denkmuster, die sich im weiteren u.U. auch sprachlich niederschlagen.

Re: geschlechts"plurales" Schreiben

Moin!

Aber wie möchtest Du es machen, dass es nicht aufgesetzt und aufgedrängt aussieht? Das “Innen” ist einfach nur schrecklich. Bei jeder Nennung beide Formen nennen klingt aber ebenso schlimm: “Lehrerausbilder, bzw. Lehrerausbilderin, bzw. Lehrerinnenausbilder, bzw. Lehrerinnenausbilderin” oder “Ausbilder oder Ausbilderinnen für Lehrer und Lehrerinnen” - klingt einfach nur sch…

Ich sehe nicht, wie man es sinnvoll anwenden kann, ohne dass der Text schlimm lesbar wird.

Michael

Re: geschlechts"plurales" Schreiben

Lieber Herr Stiegelmeyr,

ja! Ich gehe auf keinen Fall von einer Ursache-Wirkungs-Beziehung aus. Zusammenhänge, Wechselbeziehungen, Ausdruck für … da lassen sich gute Argumente finden. Und Sie wissen da wohl viel mehr Bescheid als ich! Auch gehe ich nicht davon aus, dass man durch gezielte sprachliche Intervenitonen Bestimmtes erreichen kann. Im Gegenteil. Oft sind es ja die guten Absichten die genau das Gegenteil erreichen. Aber das Nachdenken, und auch das Ziehen von Konsequenzen und das Ausprobieren, wie es auf sich und andere wirkt, erlebe ich als sinnvoll.

Und es ist, zumindest für mich, interessant, welche Bilder, so nebenbei entstehen, wenn ich von “Maler” rede, schreibe oder von “Malerinnen”.

(Und mit den Höflichkeitsformen? Sind sie wirklich Ausdruck von Höflichkeit oder spiegelt es nicht eher die Art der Machtbeziehungen wider.

Wie werden Eltern angesehen, die man mit dem Vornamen anspricht, wie Eltern, die man siezt? Das aber nur nebenbei)

ja, lieber Michael Vogel!

ich gebe es zu, schön geredet. Dann kommt aber die Praxis. Viele (auch oft ich) resignieren und schreiben am Anfang ihrer Arbeiten, die entsprechende Bemerkung, warum man nun doch nur die männlichen Formen gewählt hat; Frauen, zu gewissen Zeiten, nicht. Die wählten dann konsequent die weiblichen Formen. Das ist natürlich nur der Versuch eines Ausgleichs, keine Lösung. Und manche wechselten.

Ich wählte oft einen pragmatischen Weg. Ich ließ hin und wieder, wenn es zum Sprachfluss passte, auch die weiblichen Formen miteinfließen. Wenn Gruppen vor allem weiblich waren, wählte ich nur die weibliche Form. Bei Ihrem Beispiel würde ich völlig andere Wortkonstruktionen wählen. Wie" Auszubildende" oder “Ausbildende”. Damit ist prinzipiell das Problem natürlich nicht aus der Welt.

Ich schrieb über Selbstverständlichkeiten, heute. Es war ja mal ein protokolarisches Problem, ob am Bundespräsidentin oder Bundeskanzlerin sagen dürfte. Andere Beispiele dürften sich, wenn man sich auskennt, sicherlich schnell finden.

Liebe Grüße

Markus Mall

Re: geschlechts"plurales" Schreiben

@MM schrieb:

Ich denke, lieber Markus Mall, die in diesen Bildern entstehenden oder bestehenden Unterschiede sind Teil unserer individuellen Sozialisation, und insofern haben Sie recht: Ja, es gibt sie, diese Unterschiede, und weil es sie gibt, können sie gezielt gebraucht aber auch missbraucht werden.

Die Frage, die auch Michael schon stellte, ist allerdings: Wie wollen wir damit umgehen? Wollen wir diese Unterschiede verneinen, abschaffen, verniedlichen, anprangern, uns über sie lustig machen, sie komplett negieren, uns über sie freuen, usw.

Der jeweilige Umgang wird wahrscheinlich darüber bestimmen, ob aus diesen Unterschieden eher eine Welt der gehässigen Getrenntheiten entsteht oder die Freude über die Vielfalt von Gemeinsamkeiten.

Schöne Grüße zurück

R/S

Hi.

In einem meiner aktuellen Dokumente, einem “Tipps und Tricks” für ein Grafikprogramm, habe ich das in der Einleitung so gelöst:

»

Geschätzte Leserin!

Damit für Leserinnen und Leser und Programmnutzerinnen und Programmnutzer ein lesbarer, verständlicher, lebendiger Text entsteht, verzichte ich nachfolgend auf die einleitenden Wortmonster dieses Satzes. Erfahrungsgemäß haben Männer jedoch größere Probleme, wenn nur von „Anwenderinnen“ die Rede ist, als Frauen, wen von „Benutzern“ gesprochen wird. Ohne das jetzt psychologisch zu hinterfragen, nutze ich das hier aus und vertraue auf ihr weibliches Verständnis.

«

Man könnte vermutlich einfach generell den Postfix -erich verwenden:

Hilfskrafterich, Tunterich, Diverich, Amazonerich.

:wink:

Ansonsten fand ich immer schon, dass sprachlich gesehen eher die Männer als die Frauen benachteiligt sind: Der Mann wird sprachlich mit dem Neutrum konflationiert. Wird abstrakt von „dem Maler“ gesprochen ist das Geschlecht üblicherweise nicht relevant; sollte es das jedoch explizit doch sein, dann genügt einerseits ein „Malerin“ (Konzept einer weiblichen malenden Person) andererseits muss es jedoch „der männliche Maler“ oder „Der Maler, ein Mann“ sein.

LG,

Jochen

Schöne Geschichte dazu:

Ein junger Mann verunglückt schwer mit dem Motorrad. Sein Vater kommt zufällig an die Unfallstelle und fährt ihn mit quitschenden Reifen ins Krankenhaus.

Der junge Mann wird in den OP gefahren. Einer der Chirurgen im Saal erbleicht und sagt: “Das ist doch mein Sohn!”.

Wer jetzt denkt: “Wie, hat denn der junge Mann zwei Väter”, für den sind “die Chirugen” nur Männer…

Ich habe allerdings auch noch keine Lösung gefunden, da ich sowohl die Wortungetüme als auch das Binnen-I blöd finde. Es gibt allerdings bei einigen Ausdrücken geeignete geschlechtsneutrale Lösungen wie “Studierende” statt “Studenten”, “Redeliste” statt “Rednerliste”. Meines Wissens gab es da auch sogar einmal Sammlungen dazu.

Manchmal gibt es aber eine sozusagen geschlechtsmässige Hyperkorrektur: “Doktorand” ist geschlechtsneutral (lateinisch docterandus = der zur Doktorarbeit Anstehende, docteranda = die zu Doktorarbeit Anstehende"; bei Doktorand fällt die geschlechtsspezifische Endung weg)

Hallo Miro,

Dein Beispiel mit „einer der Chirurgen“ ist in diesem Fall nicht zulässig, da du eine bestimmte Person meinst, die sprachlich sofort definiert werden muss. Die Formulierung ist im besten Fall unglücklich und provoziert ein Mistverständnis. Ordentlich und verständlich wäre wohl eher ein „eine Chirurgin im Saal erbleicht“. Es ist schließlich nur eine einzige Person, unbestimmt zieht nicht.

Wobei mich das „Innen“ - Thema zur Zeit auch verfolgt. Ich stellte mich neulich mit „Thea, Handweber und Schriftsteller“ vor und bekam sofort eine (weibliche) Retourkutsche mit „hoffentlich Handweberin und Schriftstellerin“ zurück. Worte können nicht ausdrücken, wie mich diese übertriebene …Weiblichkeit… nervt.

Mein Lösungsvorschlag für das Thema ist so einfach wie für die meisten Leute inakzeptabel:

Es gibt den Meister (männlich), die Meisterin (weiblich) und das Meister (alle zusammen).

Falls das nicht gefällt, bleibt die Anrede „Herr Meister X“, „Frau Meister Y“.

Historisch gesehen ist die „Meisterin X“ die Ehefrau des Handwerksmeisters, und die „Frau Doktorin“ die Ehefrau des Arztes. Deshalb ist von meiner Warte aus die Endung -in am Ende des Berufstitels weniger angebracht als die Verwendung des unspezifischen Berufstitels mit der geschlechtsspezifischen Anrede.

Mal von der genervten weiblichen Seite aus :smirk:

–Thea

Herzogenaurach, Germany

Der Wandlung in “die Chirurgin” folge ich nicht - denn es sind ja mehrere anwesend.

Das kann man daraus schließen, dass eben “einer der Chirurgen” etwas tut (erbleichen).

Das könnte man nur noch bedingt aus “eine Chirurgin” schließen, dass mehrere Chirurgen anwesend sind.

Insoweit ist die Ursprungsformulierung völlig korrekt, jede Umdeutelung bedeutet Informationsverlust (und den Verlust der Pointe der Geschichte ;)).

Man kann es auch einfach ein bisschen anders formulieren:

Ein junger Mann verunglückt schwer mit dem Motorrad. Sein Vater kommt zufällig an die Unfallstelle und fährt ihn mit quietschenden Reifen ins Krankenhaus. Der junge Mann wird gerade in den OP gefahren, als man plötzlich eine Stimme aus dem Team der Chirurgen rufen hört: “Das ist doch mein Sohn!”

Der Plural ist zwar auch nicht geschlechtsneutral, aber es fällt weniger auf… :wink:

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