Gefüllte Paprika

Das Essen

Rauch zieht durch das Haus. An mein Ohr dringen Stimmen, hier und da ein lautes Gelächter. Die Wortfetzen habe ich alle schon mal gehört. Es gibt nichts Neues, immer dieselben Gespräche. Freunde der Eltern haben unser Heim eingenommen, stinken es voll mit Parfum und Zigaretten, erfüllen meinen Raum mit ihren Geräuschen, vertreiben mich, verdrängen mich. Haben Sie doch eben schon Kaffee getrunken, warum gehen sie nicht? Ich verkrieche mich in meinem Zimmer. Tür zu, versuche mich ihrer Raumnahme entziehen, der Gestank sickert durch jede Ritze, der Schall dringt durch Raum und Zeit. Jetzt höre ich das Geklapper von Besteck und Geschirr, habe ich es geschafft, der Tisch wird abgeräumt. Werde ich wieder frei atmen können, wird meins wieder meins sein? Erneutes Geklapper. Warum sind sie noch hier?

„Essen!“ - Mutter ruft – oh nein - ich rege mich nicht.
„ESSEN!“

Langsam öffne ich die Tür meines Zimmers, zwischen Zigaretten und Parfum rieche ich jetzt einen sich vermengenden Essensduft, die Befürchtung erlangt Gewissheit. Mutter hat den ganzen Tag in der Küche gestanden. Die Eltern haben auch zum Essen geladen, als dass es nicht reichen würde sie zum Kaffee das Haus besetzen zu lassen. Hungrig schleiche ich aus meinem Zimmer, ich höre sie schon alle, wieder reden sie über mich, wie ich das hasse! Können sie nicht über sich selbst herfallen? Ich trete dazu und werde gleich durch die stinkende Menge belegt: Warum, wieso, weshalb? Sie nötigen mich, mich an den Tisch zu setzen, pubertär widersetze ich mich. Nein ich werde nicht mit Ihnen essen! Oh, die Lehrerin beugt sich zu mir. Sie knuddelt mich, ich rieche nur den alten nach Kaffee stinkenden Atem. Ich schaffe ist nicht mich zu entwinden, oh dieser Gestank!

„Achtung, heiß und fettig!“ Mutter stellt lachend die heisse Keramikform auf den Tisch. Lecker sieht es aus, bunt, dampfend, brutzelnd. Es kämpft gegen den Gestank der Gesellschaft. Ich werde auf keinen Fall mit den Gästen essen! Nein, das werde ich auf keinen Fall tun! Worte, Drohungen, Blicke auf mir, ich gebe nach. Aber nur kosten!

Ui, schmeckt das gut! Eine wunderbare Süße breitet sich auf meiner Zunge aus, dazu das Salz, die noch nicht betäubten Riechzellen werden durch die würzige Füllung umschmeichelt. Wie gerne nähme ich nach und würde mehr davon essen …

Stille! Alle Augen ruhen auf mir, erdolchen mich:
„Und, wie schmeckt es Dir?“
– „Zum KOTZEN“!

Liebe Leser!
Vielen Dank, dass ihr euch mit meinem Text beschäftigt habt.
Ich war leider zu spät für die Seitenwindwoche 1 :face_holding_back_tears:
Ich freue mich über jeglichen Kommentar :slight_smile:

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ja, ein Kind mit besonders sensiblen Sinnen hat es nicht leicht in der Erwachsenenwelt, und muss zu ausgefallenen Mitteln greifen, um sich zur Wehr zu setzen.
Ein bisschen steigert sich dein Protagonist schon in die ganze Sache hinein, was aber bei Kindern häufig vorkommt. Es tut dem Lesevergnügen jedenfalls keinen Abbruch und ist auch absolut im Rahmen des Nachvollziehbaren.
Ich finde deine Geschichte sehr eindringlich und kann mir gut vorstellen, wie sich dein Protagonist fühlt.

Wirklich passiert oder fiktiv?
Mich würde echt interessieren, wie die Szene dann weitergegangen ist.

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• Mit Butter, bitte!

• Die Sonne schien Julius durchs Fenster hinten in den Nacken, während er seine Zeitung las. Sie hatte noch ganz schön viel Kraft, obwohl es schon Mitte Oktober war. Doch das störte ihn nicht, vielmehr wärmte es seine alten Knochen. Wobei heute eigentlich genug Hitze in der Küche herrschte, denn seine Frau Helene werkelte schon seit 2 Stunden am Herd herum. Sie machte mal wieder eins ihrer Lieblingsrezepte: Birnenduftklütjen!
• Wenn er ehrlich war mochte er ja lieber mal was Deftiges. Gegen einen leckeren Braten hätte er sicher nichts einzuwenden gehabt. Aber er musste zugeben, wenn Helene kochte , duftete es immer ganz wunderbar in der ganzen Wohnung. Gerade jetzt wo sie den Speck zu den schon angedünsteten Birnen in den Topf tat, verbreitete sich ein ganz herrliches Aroma in der Küche. Er wusste, dass Leni gleich den Hefekloß obendrauf legen würde, den sie schon vorbereitet hatte. Und dann würde es etwa zwei Stunden dauern bis sie essen konnten. Helene hatte es genau geplant, denn dann würden ihre beiden Enkelinnen aus der Schule kommen und sie würden gemeinsam essen. Sie kamen jeden Tag zur Mittagszeit zu ihnen, aßen und machten ihre Hausaufgaben hier. Er hatte nichts dagegen. Er liebte seine beiden Enkelinnen sehr. Seine Frau sicher nicht weniger als er, nur dass sie ihre Gefühle oft nicht so zeigen konnte. Es sei denn durch ihre Kochkünste, so wie heute, wenn sie die Leibspeise der Kleinen mit soviel Aufwand auf den Tisch brachte. Zwei Tage würde es jetzt Birnenduftklütjen geben, das war schon in Ordnung, denn am zweiten Tag, briet Leni, den in Scheiben geschnitten Hefekloß in Butter an , um ihn zu erwärmen. Davon bekam er nochmal einen viel intensiveren Geschmack, er schmeckte dann nach Heimat für Julius, nach Zuhause, eben so wie es sein sollte…
• Und da klingelte auch schon. Die Zeit war wie im Flug vergangen. Seine zwei Enkeltöchter stürmten herein, nachdem er ihnen die Tür geöffnet hatte. Sie liefen gleich in die kleine Küche, wo es so gut duftete. Und wie aus einem Mund fragten sie: „ Gibt es Birnenduftklütjen, Oma Leni?“
• Sie strahlten übers ganze Gesicht, weil sie die Antwort schon kannten. Und Helene hatte trotz ihrer manchmal etwas rüden Art auch ein kleines Lächeln in ihren Mundwinkeln. Da wusste Julius, dass sie genau für diesen Augenblick, den ganzen Vormittag in der Küche gestanden hatte.
• Sie setzten sich , nachdem sie ihre Hände gewaschen hatten alle an den Tisch und begannen zu essen. Und zunächst hörte man nur das leise Klirren des Bestecks und das leise Schmatzen beim Kauen. Bis die kleine Tanja plötzlich mit vollem Mund sagte:“ Aber morgen mit Butter, bitte!“
• Es herrschte plötzlich Stille am Tisch. Alle schauten die Kleine an und sie schaute von ihrer Oma zu ihrem Opa. „Oje „, dachte sie, „jetzt sind sie bestimmt böse, weil ich genörgelt hab!“ Aber Julius schaute seine kleine Enkelin nur an und lächelte, als er sagte: „ So mag ich es auch am liebsten.“ Und dann lächelten alle, während wir weiter kauten.

Hallo Yoro,
ich freue mich, dass du meinen Text gelesen hast. Ist nicht immer etwas Realität in unserer Fiktion? :upside_down_face:
Das Ereignis löst sich so auf , dass der Protagonist eigenwillig die Szene verlässt … oder wird er auf sein Zimmer geschickt?
Na sagen wir mal, der Worstcase in einem Streitgespräch ist doch, dass ein Kontrahent einfach geht, in der Familie, wie im Beruf. Also geht der Protagonist wortlos aus der Situation. Er will ja sein Gesicht nicht verlieren…

Danke für Dein Interesse.
:smiley:

Tja, ich hab deshalb gefragt, weil ich ‚ein Kind der 60er‘ bin, voll durch die antiautoritäre Phase durchgejagt wurde und solche Antworten wie hier von deinem Protagonisten bei uns damals an der Tagesordnung gewesen sind, bzw. oft sogar noch schlimmer.