Funktioniert so ein "Dialog"?

Dialog mit dem Leben

Einmal sprach das Leben im Traum mit mir.

„Wie gefalle ich dir?“ fragte es mich unverhofft. Ich war sprachlos. Wie soll „etwas“ gefallen, was sich so selbstverständlich anfühlt? Darüber nachzudenken, dafür bleibt in meinem Alltag keine Zeit.
„Zwischen Wecker und Nacht habe ich keine Zeit dafür. Du zehrst manchmal an mir. Ich mag dich, aber du bist sehr fordernd“, antwortete ich nach einer kurzen Weile.

„In meinen jungen Jahren, als ich lernte, mit dir umzugehen und begann, dich zu begreifen, habe ich dich oft von deiner schlechten Seite kennengelernt. Du hast mich oft sehr auf die Probe gestellt. Ich verstand dich nicht und wusste mit vielen deiner Entscheidungen nicht umzugehen. Es gab auch Tage, an denen du es gut mit mir gemeint hast, aber diese Tage tauchen nicht oft in meinen Erinnerungen auf. Jetzt, wo ich dich kenne und so langsam gelernt habe, dich zu leiten, muss ich rückblickend sagen, es hatte auch etwas Gutes, nicht immer alles zu wissen, was mich als Kind erwartete“, sprudelten plötzlich die Worte aus mir heraus.

Ich spürte, wie das Leben innehielt, mich betrachtete und mir aufmerksam zuhörte.

„In deiner Jugend wurde es noch einmal turbulent, und ich habe dich erneut gefordert. Das lag aber nicht allein an mir, sondern auch an den anderen Leben, die dir jeden Tag begegneten und mit denen du jahrelang zusammengelebt hast. Aber wenn ich sehe, was aus dir geworden ist, bin ich sogar ein wenig stolz auf das, was du aus mir gemacht hast.“
Ich spürte, wie das Leben sich selbst lobend auf die Schulter klopfte.

„Ja“, antwortete ich. „Du hast mir auch gezeigt, wie vergänglich ihr Leben sein kann – wenn man mit euch nicht ordentlich umgeht oder ein Körper euch nicht halten kann.“

„Wie? Ich bin vergänglich?“ fragte das Leben erstaunt.

„Aus meiner Sicht bist du und deine Geschwister vergänglich“, erklärte ich.

„Was meinst du damit?“ fragte das Leben.

„Nun… mir sind im Leben viele Menschen begegnet. Einige, die mir sehr wichtig waren, leben nicht mehr, auch wenn sie nicht das Alter hatten, von euch verlassen zu werden. Dennoch sind deine Geschwister gegangen und haben die Personen sterben lassen. Manche von ihnen haben Menschen so früh von mir weggeführt, dass ich sie nicht lange in meinem Leben hatte und sie lange vermisste. Es war ihnen egal, was ich davon hielt. Niemanden, nicht einmal dich, interessierte es – so dachte ich jedenfalls manchmal. Später, als ich älter wurde, hast du mir wieder Freude und Liebe gebracht“, fuhr ich emotional fort.

„Ja, ich bin rastlos und manchmal fordere ich viel. Sieh es aber einmal so: Nur so wechselst du die Perspektive auf dein Sein. Würde es dir immer nur gut gehen und du hättest immer alles gehabt, wärst du nicht der geworden, der du heute bist. Du würdest auf andere herabschauen, nicht mitfühlen können und nur an dich selbst denken“, erwiderte das Leben, harsch und etwas wütend.

„Du hättest dadurch nichts von mir gelernt. Du könntest mit dem Herzen sehen und nicht mit dem Bauch fühlen. Du wärst nur ein optischer Mensch, emotional kalt. Mit den Augen sehen kann jeder, mit dem Herzen nur wenige. Emotionen machen einen Menschen erst zu einem Menschen. Wenn du mit dem Herzen siehst, verstehst du manches nicht sofort. Dein Herz vergisst nicht; es blutet lange und unsichtbar, wenn es verletzt wurde. Du merkst es durch Kummer und Schmerz, der dich nach Erlebnissen durchströmt. Dein Kopf versteht es nicht, denn deine Augen sahen nichts. Trotzdem versucht dein Verstand immer wieder, darüber nachzudenken. Es schadet nur. Ich habe oft bei dir gesehen, wie Zweifel dich belasteten und du mit Entscheidungen gehadert hast.“

Ich unterbrach das Leben in seinem Wortfluss.
„Nur so habe ich es geschafft, weiterzumachen. Diese Zweifel haben mich dorthin gebracht, wo ich jetzt bin“, rechtfertigte ich mich.

„Das ist gut so. Du bist mehr als das, was andere in dir sehen. Es ist nicht schlimm, wenn man nicht gleich mit der beruflichen Karriere durchstartet, sondern den Fokus auf Sicherheit und Stabilität in der Familie legt. Denn so mancher, der eine Karriere verfolgt, flüchtet vor seinen eigenen Zweifeln, und so mancher vergisst vor lauter Karriere, ein guter Mensch zu werden. An deine Karriere und dein Geld wird sich später niemand erinnern – an das, was du für andere getan hast, jedoch schon.“

Die Stimme des Lebens wurde immer leiser. Die Nacht war vorbei.

Meinem Verständnis nach: ja, so funktioniert ein Dialog.

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mmm, vielleicht habe ich mich etwas umständlich ausgedrückt. Ich meine mehr den Inhalt :grimacing:

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Oh. :rofl:
Aber auch hier: ja, funktioniert gut. Eine schöne Traumparabel. Ein wenig philosophisch und trotzdem nicht langweilig oder total abgedroschen. Ich mag das.
Der Ehrlichkeit halber: nicht Literaturnobelpreis, aber dennoch schön geschrieben und weit davon entfernt den Leser beim lesen zu verlieren. Also: gut! :smiley:

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