Hallo zusammen,
ich wage mich auch mal mit einem unfertigen Projekt aus dem Nest. Die Idee lässt mich einfach nicht los, blockiert mich bei einem anderen Projekt, das eigentlich bis Ende August fertig sein MUSS. Aber nun ja.
Der Textauszug ist der geplante Einstieg in eine Romantasy (Mischung aus Romance und Fantasy). Es geht um Gestaltwandler wie Werwölfe, Seelenverwandte, die Mondgöttin und alles, was dazugehört (oder auch nicht). Eigentlich überhaupt nicht mein Genre, aber die Muse tut, was sie meint, tun zu müssen.
Eben weil Fantasy ist das vielleicht nicht für alle etwas ist, sich in dem Auszug aber recht kurz hält, würde ich mich dennoch über eine ehrliche Einschätzung freuen. Irgendwas passt für mich nicht, ich kann den Finger aber nicht darauf legen. Vielleicht liegt es auch nur daran, dass das Genre mir eben fremd ist. Aber vielleicht sehe ich auch einen eklatanten Fehler nicht.
Die Gewissheit, hier und heute sterben zu müssen, traf ihn so unvorbereitet, wie der Felsbrocken, unter dem er eingeklemmt war.
Er wusste nicht, was ihn mehr ärgerte. Dass er nicht auf seine Umgebung geachtet hatte, als er seinen Wolf laufen ließ, oder dass er so dumm gewesen war, in einer unbekannten Gegend allein unterwegs zu sein, ohne jemandem Bescheid gegeben zu haben.
Als Sohn des Alpha hätte er es besser wissen müssen. Jedem Welpen seines Rudels wurde sehr nachdrücklich klar gemacht, dass der erste Freilauf des eigenen Wolfes nicht ohne Begleitung erfolgen sollte. Es war einfach zu gefährlich.
Nicht nur, weil man wie er jetzt in solch eine dumme, missliche Lage geraten konnte. Sondern vor allem, weil andere in Gefahr gebracht wurden.
Er hatte sich sicher gewähnt. So abgeschieden, wie das Dorf lag, in dem sein Vater gerade Verhandlungen führte, war er sich sicher gewesen, keine Menschen zu treffen, die sein Wolf als Gefahr hätte erkennen und angreifen können. Nur deswegen hatte er dem Drang nachgegeben, sich zu verwandeln und die Kontrolle an seinen Wolf abzugeben.
Nur wurde eben diese Sicherheit jetzt zu seinem Verhängnis.
Sein Hinterlauf steckte unter einem riesigen Felsbrocken fest, den er allein auf keinen Fall bewegen konnte. Und da er nicht in der Lage war, sich in seine menschliche Form zurück zu verwandeln, konnte er auch nicht um Hilfe rufen, so aussichtslos das auch sein mochte. Immerhin hätte er sich dann weniger hilflos gefühlt, wenn auch nicht weniger dumm.
»Huch.«
Er zuckte merklich zusammen, so sehr riss ihn die Stimme aus seinen düsteren Gedanken. Das kleine Mädchen, das ihm sich langsam näherte, war ihm vorher nicht einmal aufgefallen, so vertieft war er in sein Selbstmitleid gewesen.
Er wollte sie warnen, als sie bis auf Armeslänge an ihn herankam, doch er brachte außer einem Knurren keinen Ton über die wölfischen Lippen. Wie sehr er es hasste, nicht an die Oberfläche zu kommen!
»Sieht aus, als bräuchtest du Hilfe, Damien.«
Noch bevor er realisierte, dass sie scheinbar seinen Namen kannte, obwohl er sie noch nie gesehen hatte, spürte er ihre kleine Hand an seinem linken Ohr. Als sein Wolf sich immer weiter in ihre Berührung lehnte, wurde ihm klar, dass sie ihn kraulte. Und das ließ seinen Wolf sich, aus welchem Grund auch immer, beruhigen.
»Es war nicht sehr klug, so weit vom Dorf wegzulaufen. Hier kommt fast nie jemand hin. Du hast Glück, dass ich heute nicht ins Dorf darf, deswegen haben wir dich gefunden.«
Sie streichelte ihn weiter und er spürte, wie sein Wolf ihn selbst immer weiter nach hinten drückte. Aber das durfte auf keinen Fall passieren, er musste es wieder an die Oberfläche schaffen, musste wieder die Kontrolle übernehmen. Also setzte er alles daran, sie auf sich aufmerksam zu machen.
»Ich weiß«, antwortete sie, als hätte sie seinen stummen Hilferuf verstanden. »Wir müssen dich erst befreien, bevor dein Wolf sich zurückziehen wird. Also lass mich mal sehen, was wir tun können.«
Er hätte so gern laut aufgelacht. Wenn er nicht in der Lage war, sich zu befreien, wie sollte es dann ein kleines Mädchen von vielleicht acht Jahren schaffen? Er war groß und stark, sein Wolf noch um einiges stärker, sollte er doch der nächste Alpha werden. Sie jedoch sah aus, als würde der kleinste Windhauch sie vom Boden abheben lassen.
Sein Wolf winselte, als die kraulende Hand sich entfernte und das Mädchen sich langsam seinen Hinterlauf näherte und den Stein befühlte.
»Das wird wehtun.« Die Traurigkeit in ihrer Stimme war es, was seine ganze Aufmerksamkeit auf sie konzentrierte. »Und ich werde das nicht allein schaffen, ich muss einen Freund um Hilfe bitten. Erschrick nicht, er ist ein Bär.«
Verdammt, war er in das Revier von Bären vorgedrungen und nicht mehr auf dem Grund und Boden der Wölfe? Dann war seine Situation noch viel schlimmer, als er bisher befürchtet hatte.
Ihre kleinen, nackten Füße verschwanden so schnell im Wald, dass er kaum reagieren konnte. Und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, bis er die Büsche rascheln und das Unterholz knacken hörte.
Der Bär, der schließlich zum Vorschein kam, ließ seinen Wolf erstarren. Er hatte schon große Bären gesehen, jedoch noch nie einen solchen Koloss. Das Tier war mit Sicherheit dreimal so groß wie er selbst und vollgepackt mit Muskeln. Bei jedem Schritt bewegten sie sich unter seinem braunen, zotteligen Fell.
»Er wird den Fels wegrollen, dann kannst du dich befreien. Und du wirst keinen Streit anfangen!«
Sie sah ihm fest in die Augen und so wenig sein Wolf das auch mochte und sich in seiner Dominanz angegriffen fühlte, so schnell beschwichtigte er, indem er den Kopf senkte und ihren Arm ableckte, als sie wieder sein Ohr kraulte.
»Wir können anfangen«, sagte sie zu dem Bären und es dauerte keine dreißig Sekunden, bevor der Fels von seinem Bein verschwunden war. Es dauerte weitere dreißig Sekunden, bis die Schmerzen richtig einsetzten und seinen Wolf aufjaulen ließen.
Das Mädchen ließ sich davon nicht beirren, kraulte weiter sein Ohr und hinderte ihn so daran, sich sein Bein anzusehen.
»Du musst noch ein wenig warten, dann ist es verheilt. Erst dann kannst du dich zurückverwandeln.«
Sie stand auf und er bedauerte den Verlust ihrer kleinen, kraulenden Hand, fühlte sich plötzlich unendlich allein, auch wenn sie noch neben ihm war. Als er sah, dass sie den Bären umarmte und ihm etwas ins Ohr flüsterte, konnte er seinen Augen kaum trauen. Wusste sie denn nicht, wie gefährlich Bären sein konnten? Auf der anderen Seite: Vor ihm hatte sie auch keine Angst gehabt. Vielleicht kannte sie das Gefühl gar nicht?
»Doch, ich hab auch Angst«, sprach sie in seine Gedanken hinein. »Aber nicht vor euch beiden. Und er ist mein Freund, daher vor ihm noch weniger.«
Sie kehrte zu ihm zurück, setzte sich neben ihn und sein Wolf legte den Kopf vertrauensvoll auf ihre überkreuzten Beine, ließ sich weiter von ihr kraulen, während sein Bein langsam heilte.
»Ich werde dir noch helfen, dich zu verwandeln, und dann werde ich gehen. Versuch gar nicht erst, mir zu folgen. Du solltest schnellstmöglich ins Dorf zurück, dein Vater wird bald aufbrechen wollen. Sag niemandem, dass du mich hier getroffen hast. Das darf niemand wissen.«
Ihre ruhige Stimme lullte ihn ein, brachte seinen Wolf dazu, die Augen zu schließen und ihre Berührungen zu genießen. Es war ein süßlicher Geruch, der seinen Wolf dazu brachte, den Kopf hochschießen zu lassen und suchend zu schnuppern, um die Fährte aufzunehmen.
Damien verstand nicht, was das zu bedeuten hatte. Es war noch zu neu, seinem Wolf die Kontrolle zu überlassen und dieses Verhalten hatte er noch nie bei den erwachsenen Wölfen seines Rudels beobachtet. Es fühlte sich an, als würde sein Wolf entzweigerissen, käme er nicht binnen Sekunden in die Nähe des Geruches.
Was hatte das zu bedeuten?
Das Mädchen neben ihm kicherte. »Sie wird sich dir nicht zeigen, sie mag keine anderen Wölfe. Aber eines Tages wirst du sie wiedersehen, das verspreche ich dir. Und jetzt helfen wir dir, dich wieder zu verwandeln.«
Er schwankte zwischen Erleichterung und Panik, weil ihm plötzlich klar wurde, dass sie ihn gleich nackt sehen würde. Ihm war klar, dass das in Wolfsrudeln völlig normal war, er hatte mehr nackte Haut gesehen als jeder normale Teenager in seinem Alter. Aber war sie ein Wolf? Er konnte keinen an ihr riechen. Wusste sie also, was passieren würde?
»Damien, ich weiß, dass du ein Wandler bist, also wird es wohl für mich normal sein, oder?«, riss sie ihn aus seinen Überlegungen und er konnte ihr nur zustimmen. »Schließ die Augen und konzentrier dich auf meine Stimme, ich werde dich leiten.«
Er tat wie geheißen und tatsächlich, nach einigen Augenblicken spürte er, wie er näher an die Oberfläche kam und wie sich seine Knochen langsam wieder in die eines Menschen verwandelten, den Wolf hinter sich ließen. Ein letzter, tiefer Atemzug und er war wieder zurück in seiner Menschengestalt.
Und dann sah er sie, die Wölfin, deren Geruch er aufgenommen hatte. Sie war schneeweiß mit leuchtend goldenen Augen, die dem Licht des Sonnenaufganges Konkurrenz machen konnten. Sie kam langsam in seine Richtung und trug ein Bündel Kleidung im Maul. Wenn er das richtig sah, trug sie seine Kleidung.
»Warum macht sie das?«, fragte er leise und wagte es nicht, seinen Blick von ihr zu nehmen, aus Angst, sie würde sich dann in Luft auflösen.
Sie war noch jung, sicherlich einige Jahre jünger als sein eigener Wolf. Aber es war, als sei sie von einer uralten Aura umgeben. Als hätte ein Teil ihrer Seele seit Anbeginn der Zeit auf dieser Erde gewandelt.
»Weil sie hilft«, war die einzige Antwort, die er zusammen mit einem Schulterzucken erhielt.
Langsam näherte er sich der Wölfin, um seine Kleidung an sich zu nehmen und vielleicht auch, um ihr weißes Fell zu berühren und herauszufinden, ob es so weich war, wie es aussah, doch sie ließ das Päckchen fallen und knurrte ihn an. So nachdrücklich, dass sein Wolf ihn anschrie, keinen Schritt weiter in ihre Richtung zu gehen, obwohl er innerlich zerrissen schien und ihr näherkommen wollte. Etwas an ihr zog seinen Wolf magisch an, brachte ihn dazu, die Kontrolle übernehmen zu wollen. Was ging hier vor sich?
»Wo kommt sie her? Wer ist sie? Ist sie eine Wandlerin? Wohnt sie hier im Dorf?«
»Nein.« Die Trauer in der Stimme des Mädchens war nicht zu überhören. »Es darf niemand wissen, dass du sie gesehen hast, hast du mich verstanden?« Sie griff nach seinem Arm und zwang Damien so, sich in ihre Richtung zu drehen. »Du wirst niemandem sagen, dass du mich oder sie hier getroffen hast. Vor allem nicht, dass du uns zusammen gesehen hast. Hast du mich verstanden?«
»Du hast mir keine Befehle zu erteilen«, wehrte er sich, doch das Aufblitzen in ihren hellblauen Augen ließ ihn innehalten. Irgendetwas in ihrem Blick ließ seinen Wolf innerlich zurückweichen.
»Du willst nicht, dass irgendjemand weiß, wie dumm du gewesen bist, hier allein zu streunen, obwohl du das Gelände nicht kennst. Und wir wollen nicht, dass jemand erfährt, dass wir hier waren. Das ist ein absolut fairer Tausch, findest du nicht?«
Der Logik konnte er nicht widersprechen. Es widerstrebte ihm, doch schlussendlich nickte er.
»Okay, ich werde niemandem davon erzählen. Wer ist sie? Und wer bist du überhaupt?«
Sie ließ seinen Arm los und entfernte sich von ihm, ging zu der Wölfin und kuschelte sich kurz an ihren Hals.
»Ich bin nicht wichtig und wer sie ist, kann und darf ich dir nicht sagen. Beeil dich, ins Dorf zu kommen.«
»Warte!«, rief er ihnen hinterher, als sie schon fast zwischen den Bäumen verschwunden waren. »Wie kann ich dir danken, dass du mich gerettet hast?«
»Du schuldest mir einen Gefallen. Eines Tages werde ich vor dir stehen und dich ein einziges Mal um etwas bitten. Und du wirst mir diese Bitte erfüllen.«
Etwas an ihrer Aussage kam ihm seltsam vor, aber er konnte nicht den Finger darauf legen, was es war. »Du scheinst ja schon zu wissen, um was du bitten wirst. Was ist es?«
»Ich werde dich bitten, mich sterben zu lassen.«
»Was?«
Er erhielt keine Antwort mehr, die beiden verschwanden zwischen den Bäumen und so sehr er auch suchte, er konnte keine Spur von ihnen entdecken.
Ihr Satz hallte auf dem gesamten Weg ins Dorf in ihm nach.
Was hatte er damit zu tun, ob sie sterben konnte oder nicht? Wer war sie?
Er wünschte, er könnte seinen Vater oder einen der Ältesten danach fragen, um alles über sie herauszufinden. Doch er hatte ihr ein Versprechen gegeben und daran würde er sich halten.
So schwer es ihm auch fiel.