**Teil 1
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Franziska Freitag gab ihrem Leben mit Anfang zwanzig eine neue, aber entscheidende Richtung und schulte zur Auftragsmörderin um. Freiberuflich und erstmal nur halbtags würde sie jeden noch so dreckigen Auftrag annehmen und alles und jeden um die Ecke bringen, außer harmlose Tiere und Pflanzen, wie zum Beispiel altersschwache Meerschweinchen und wehrlose Vergissmeinnicht. Ihre Fridays for Future Bettdecke mit lächelndem Luisa Neubauer Aufdruck verpflichtete da ein bisschen.
Franziska Freitags erster Auftragsmord führte in eine Berliner Nobelgegend und sie fühlte sich bestens vorbereitet für den Job. Über Amazon hatte sie sich einen unauffälligen schwarzen Jumper bestellt. Mit niedlichen Plüschohren. Der Ganzkörperschlafanzug machte einen schlanken Fuß, aber bei den für Fingerabdrücken so wichtigen Handschuhen hätte sie besser das Kleingedruckte lesen sollen. Die Fäustlinge hielten zwar kuschelig warm, aber zum Abfeuern einer Waffe gänzlich ungeeignet. Auch im Hochsommer.
Zum Glück musste Franziska Freitag nicht heimlich einbrechen oder umständlich an der Haustür klingeln, denn die Terrassentür stand einen Spalt weit offen. Und wenn’s offen ist, ist man willkommen. Das Schicksal schenkte der ambitionierten Killerin einen Welpenschutz oder zumindest einen weitreichenden Anfängerbonus. Davon war Franziska Freitag überzeugt, als sie ihr Opfer, schlafend und schnarchend auf der Couch im gemütlichen Wohnzimmer liegen sah.
Während Franziska Freitag vorsichtig durch das Zimmer schlich, berührte sie tollpatschig mit ihrem Rücken den Lichtschalter, schaltete danach mit dem Hintern den Fernseher ein und bei der Suche nach der Fernbedienung schubste sie noch eine schwere Vase mit roten Rosen auf den gekachelten Fußboden. Franziska Freitags Opfer schlief unbeeindruckt weiter.
Nach einer kurzen Frühstückspause, mit Kaffee und einem Sandwich doppelt Käse, griff Franziska Freitag zum Messer. Sie hatte sich nur schweren Herzens gegen eine Pistole entschieden. Die Schießübungen auf dem Rummelplatz hatten in ihr die Erkenntnis wachsen lassen, dass sie nicht mal einen Plüschhasen treffen könnte, selbst wenn er sich freundlicherweise die Mündung selbst an die Schläfe drücken würde. Außerdem waren die fingerlosen Handschuhe Mist. Überhaupt war so ein Messer viel persönlicher und auch nachhaltiger, weil wiederverwertbar und hinterließen keine Patronenhülsen oder Schmauchspuren. So ein Messer konnte man leicht nach vollbrachter Tat über der Spüle mit kaltem Wasser abwaschen und sich danach gemütlich auf Couch damit die Beine rasieren. Messer waren super, da war sich Franziska Freitag sicher. Zur Vorbereitung hatte Franziska Freitag vorgestern Nachmittag nochmal Halloween - Die Nacht des Grauens von John Carpenter angeschaut. Recherchearbeit, um den richtigen Umgang mit großen, scharfen Küchenmessern zu lernen. Michael war halt ein echter Meister in der Küche.
Franziska Freitag beugte sich vorsichtig über das schlafende Opfer. Das Messer hielt sie mit beiden Händen bedrohlich, aber auch wackelig und nicht minder bedeutungsschwanger über seinen schnarchenden Kopf.
Bei der Schlafmütze handelte es sich übrigens um den wenig bekannten und auch kaum berühmten Schriftsteller Peter Baumfeld. Er hat für den Fortlauf der Geschichte nicht viel beizutragen. Ich erwähne ihn nur, weil ich echt nett bin. Jedenfalls tat Peter Baumfeld in seinem Leben nicht viel mehr als schlafen und schreiben, was bewundernswert war und er sah, wenn die Sonnenstrahlen sein Gesicht berührten, ein bisschen wie ein großer runder Fußball aus, dem man die Luft herausgelassen hatte. Franziska Freitag entschied, die peinlichen Fäustlinge endlich auszuziehen und zur Sache zu kommen.
Sollte sie das Messer mit voller Wucht in seinen Schädel rammen oder wäre es klüger, einfach einen Schnitt am Hals zu versuchen? Franziska Freitag konnte kein Blut sehen, was das Unterfangen nicht leichter gestaltete. Sie blieb etwas über zwei Stunden, so über Peter Baumfeld gebeugt stehen. Unfähig, den kaltblütigen Mord zu begehen. Bis es draußen zu regnen anfing und ihr die Beine einschliefen. Franziska Freitag hatte ihren Regenschirm vorsorglich zu Hause vergessen und der Gedanke daran, pitschnass zur Bushaltestelle laufen zu müssen, sorgte in ihr für schlechte Laune.
Immer wieder versuchte Franziska Freitag das Messer in den wehrlosen Peter Baumfeld zu stechen, doch sie schaffte es nicht. Einmal war sie der Schnarchnase sogar so nahegekommen, dass sie die Spitze des Messers an sein Ohr hielt. Dann gab es an der Tür ein Geräusch und Franziska Freitag sprang hinter den gigantisch großen 20K-Protz-Fernseher und ließ das Messer in Peter Baumfelds Ohr stecken. Frau Baumfeld, geborene Lichtkette, trat in einem blauweiß gestreiften Bademantel ins Zimmer und rieb sich die verschlafenen Augen. Dann kramte sie die Fernbedienung aus dem Ohrensessel und schaltete den Fernseher aus. Frau Baumfeld kehrte die Scherben der zerbrochenen Vase unter den Teppich und schmiss die Rosen in den Abfall. Erst dann bemerkte sie die Waffe, die ihrem Ehemann aus dem Kopf ragte. Sie seufzte fast schon mütterlich, zog das Messer heraus und legte es behutsam neben das Kopfkissen. Dann schaltete sie das Licht im Zimmer aus und ging hinaus.
Franziska Freitag, die ohnmächtig geworden war, erwachte eine halbe Stunde später hinter dem obszön großen Fernseher. Sie hatte von Donuts geträumt. Mit Schokoglasur.
Franziska Freitag ging zurück zur Couch, nahm das Messer vom Kopfkissen und stellte sich in Position. Doch zu dem tödlichen Schnitt war sie auch jetzt noch nicht fähig. Peter Baumfeld drehte sich auf die Seite und Franziska Freitag konnte nun zum ersten Mal das Gesicht ihres Opfers erkennen und dachte sich leicht erschrocken: *Verdammt, den kenne ich. *
Peter Baumfeld und Franziska Freitag hatten mal was miteinander. Ist schon ein paar Jahre her und sie hatte diese eine Nacht in Wanne-Eickel auch erfolgreich verdrängen können, aber jetzt kamen ihr die Erinnerungen an zu viel Sekt und sehr schlechten Sex, wie Mahnungen der GEZ als Bumerang zurück in ihren Kopf geschossen.
Franziska Freitag musste den Tatsachen ins Auge. Sie war keine Mörderin und wollte auch keine mehr sein. Peter Baumfeld war zwar zugegeben ein Trostpreis im Bett, aber dafür musste man ihn ja nicht gleich abstechen. Sie überlegte, vielleicht am Nachmittag nochmal vorbeizukommen, um mit Frau Baumfeld bei einer Tasse Gebäck über das moralische Dilemma zu sprechen. Folgenschwere Entscheidungen wie einen Mord sollte man nicht leichtfertig auf leeren Magen treffen. Daher war es mit Sicherheit besser, nicht allzu viel darüber nachzudenken, ermahnte sich Franziska Freitag. Wann immer sie über Wichtiges nachdachte, bekam sie nämlich Hunger und die Sandwiches hatte sie schon aufgefuttert. Also nicht denken! Lieber auf den Körper verlassen. Der ist eh viel verlässlicher. Er erscheint zu Verabredungen, sieht im Sommerkleid blendend aus und besonders bei Massagen ist er wirklich gut zu gebrauchen.
Franziska Freitag machte Feierabend und hing ihren Job an den Nagel. Sie konnte keinen Menschen umbringen, also ließ sie das Messer fallen und floh. Sie beschloss nach Hause zu gehen, ihren Dackel Hansi zu füttern, um dann im Bett ein bis vier Folgen Stranger Things auf dem Handy zu gucken.
Am nächsten Morgen klopfte es sehr früh an ihrer Wohnungstür und Franziska Freitag wurde zu ihrer großen Überraschung wegen Mordes an Peter Baumfeld verhaftet.
Fortsetzung folgt, wenn ihr mögt