ich bin auf der Suche nach einer Krankheit, an der einer meiner Protagonisten leiden soll, und würde mich über den einen oder anderen Expertentipp freuen.
Die Krankheit sollte - falls möglich - die folgenden Eigenschaften haben:
Sie nimmt einen chronischen Verlauf und ist nicht oder nur äußerst schwer heilbar.
Sie führt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode.
Zugleich soll man den Betroffenen die Krankheit nicht unmittelbar anmerken. Es soll durchaus möglich sein, mit der Krankheit zu leben und z. B. auch einem Beruf und einem Sozialleben nachzugehen.
Die finale Phase soll plötzlich einsetzen, im Sinne einer abrupten und deutlichen Verschlechterung des Zustandes.
Ich dachte möglicherweise an bestimmte Hirntumoren oder an ein Aneurysma (bei diesem kann es am Ende ja wirklich sehr schnell gehen). Allerdings bin ich nicht sicher, ob diese Erkrankungen meine Kriterien wirklich erfüllen.
Denkbar wäre es auch, dass die Krankheit zwar behandelbar ist, die Behandlung aber mit einem substantiellen Risiko verbunden ist. Grob ausgedrückt: “Wenn wir Sie nicht behandeln, werden Sie irgendwann sterben, aber der Zeitpunkt ist ungewiss. Wenn wir Sie hingegen behandeln, könnten Sie geheilt werden, aber es ist durchaus denkbar, dass Sie nicht wieder aus der Narkose erwachen.”
Hat vielleicht jemand einen Tipp für mich? Bin ich mit dem Aneurysma möglicherweise auf der richtigen Spur?
Moin,
Also Aneurysma würde ich nicht als chronische Krankheit bezeichnen. Die Gefäßerweiterung hat ja keinen leicht erkennbaren Verlauf. Und chronisch versteht man doch, dass man unter etwas leidet, was immer wieder kommt und dann chronisch wird. Zum Beispiel eine chronische Nebenhöhlenentzündung.
Mir fiel in deinem Zusammenhang eher Chorea Huntigton ein. *“Das ist eine Erkrankung des Gehirns, die vererbt wird. Bei Menschen mit Chorea Huntington werde Bereiche des Gehirns nach und nach zerstört, die für die Steuerung der Muskeln und für psychische Funktionen wichtig ist. Die Nervenzellen gehen langsam zugrunde.” *Soweit die Definition von netdoktor.
Mein Vater ist an dieser Krankheit gestorben und auch seine Mutter und seine Schwester.
Das Unheimliche an dieser Erkrankung ist, dass die ersten Anzeichen bereits 10 Jahre vor der Diagnose auftreten, sie jedoch nicht wirklich wahrgenommen werden. Bei meinem Vater hatte man immer das Gefühl, der sei betrunken wenn er sprach. Da er früher einmal ein Problem mit dem Alkohol gehabt hatte, war man auch nicht weiter verwundert. Erst als ich nach seinem Suizid mit seinem langjährigen Psychiater gesprochen hatte, wurde uns der Zusammenhang klar.
Diese Erkrankung kann nicht geheilt werden, sie ist schleichend, wird lange nicht erkannt, führt jedoch unweigerlich ins Siechenheim, wenn eine Lungenentzündung oder ein Suizid einen nicht vorzeitig davon erlöst.
So ganz stimmt die Krankheit mit deiner Vorstellung nicht überein, denn die schlagartige Verschlechterung fehlt. Aber aus Erfahrung weiß ich, dass alleine die Diagnose Chorea Huntington zu einer schlagartigen Verschlechterung des gesundheitlichen Zustands meines Vaters führte und er ein Jahr später sich das Leben genommen hatte. Kommt der Suizid nicht ins Spiel, dauert es in der Tat einige Jahre bis man meist an etwas völlig banalen stirbt.
Die Krankheit ist u.a. unter dem Namen Veitstanz bekannt, weil man die Kontrolle über die Motorik verliert und die Gliedmaßen willkürlich zu zucken beginnen. Es dauert nicht sehr lange, da kann man die Gabel nicht mehr zum Mund führen.
Hallo Urmel, meine Anteilnahme zum Tod deiner Angehörigen.
Eine von mir zufällig erworbene und laienhafte Information zum Veitstanz:
Von der Krankheit sind ca. 50% der Nachkommen betroffen.
Für die religiös orientierten User ist evtl. die Echternacher Springprozession von Interesse.
Gruß
der mister.
Kommt ein Mann 'ne Frittenbude und sagt: „Einmal Pommes rot/weis!“,
hab’ ich neulich irgendwo gelesen, weiß bloß nicht mehr, wo.
Lieber @TobHai,
deine Fragestellung ist wie dein Gesamtauftritt etwas unpräzise, also will ich mich kurzfassen.
Unter dem Stichwort „Chronische Erkrankung“ denke ich zuerst an Arterielle Hypertonie, Diabetes mellitus (Typ 1 resp. Typ2) oder Chronische Bronchitis und die sich jeweils daraus ergebenden Folgeerkrankungen. Diese Erkrankungen sind zwar (je nach Warte) wenig spekulativ, kommen aber sehr häufig vor, und enden häufig tödlich, obwohl sie so leicht zu behandeln wären! Die Liste ließe sich jederzeit sinnvoll erweitern, erhebt also nicht im Ansatz einen Anspruch auf Vollständigkeit.
Unter erweitertem Blickwinkel „chronisch - unheilbar - ggf. tödlich“ (wenn auch nicht unbehandelbar) drängen sich eine schiere Vielzahl von Erkrankungen ins Blickfeld, z.B. die rheumatischen Erkrankungen, aber auch neurologische wie MS, ALS, oder. wie von @Urmel in wenigen Worten eindringlich beschrieben, Chorea Huntington, weiter Demenzen, oder aber Speicherkrankheiten, nicht zu vergessen CED wie z.B. M. Crohn oder Colitis ulcerosa, oder aber spektakulärer nicht korrigierbare Herzfehler, alles ohne den geringsten Anspruch auf Vollständigkeit.
Nun fragst du gezielt nach Aneurysmen, ich denke mal du meinst: Hirnarterienaneurysmen (Es gibt nämlich auch andere, z.B. der Aorta (u.a. dann thorakal, des Aortenbogens, abdominal, infrarenal, spurium, verum, dissecans …).
Hirnaterienaneurysmen sind z.T. angeboren, zum anderen erworben und zählen zu den Angiodysplasien des Gehirns. Die Prävalenz ist 3%, d.h. 3 von 100 haben so etwas, die meisten ohne davon wissen. Wie @Urmel schon schrieb, in der Regel merkt der Patient nichts. Es kann passieren, das er 100 Jahre alt wird, um dann aus dem Birnbaum zu stürzen und klagenswerter Weise an den Folgen dieses Sturzes zu versterben. Und weder er noch seine Ärzte haben je von der Zeitbombe in seinem Schädel erfahren.
Ich wage zu hoffen, so ergeht es den meisten Betroffenen (nicht das sie aus einem Birnbaum fallen mögen, sondern ihnen ein erfülltes Leben gegönnt sei. Im beschriebenen Fall würde ich gar nicht von einer (chronischen) Krankheit sprechen. Aber der Begriff Krankheit ist ja ggf. je nach Motivation dehnbar (ähnlich wie wir kürzlich beim Begriff Pandemie erfuhren).
Es gibt aber noch 3 andere (denkbare) Verläufe:
der zuvor erwähnte ältere Herr ist vielleicht nicht ganz so alt und erreicht nach seimem Baumsturz im wesentlichen unbeschadet das nächste Krankenhaus, es wird eine CT angefertigt (nur so zur Sicherheit und ausserdem muss die kostspielige Anlage ja auch ausgelastet werden), mit dem Aneurysma als Zufallsbefund. Nun ist es in der Welt!
Solche Hirnarterienaneurysmen können wachsen und schließlich so in der zweiten Lebenshilfe Druck entwickeln, der zu Symtomen führt: Kopfschmerz, Krampfanfälle, Seh- oder Sprachstörungen. In der Differenzialdiagnose dieser Störungen wird das Aneuryma dann i.d.R. gefunden.
Das Aneursma rupturiert. Es kommt zur aneurysmabedingten SAB (Subarachnoidalblutung). Das ist zu 33% vor Eintreffen in der Klinik tödlich (hängt aber auch sehr von der Performance des Rettungdienstes etc. ab), weitere 30% sterben in der Klinik (auch hier eine Sache der Performance), dazu kommt es nach eigener Schätzung in weiteren 30% zu schweren neurologischen Residuen.
Diese Ruptur erfolgt nach unterschiedlichen Quellen bei 1 - 7% der Aneurysmaträger pro Jahr(!), wobei 1% die aktuellere Zahl darstellt.
Symptome einer Ruptur/SAB: Kopfschmerz (mild bei weniger ausgepräten Befunden) aber schwerste und unerträgliche(!) Schmerzen bei ausgeprägtem Bild, dazu Koma, Störung der Atemtätigkeit und Aspirationsgefahr (->Intubation) und Nackensteife(!).
Ein Dilemma ist in dieser Situation, dass der sich in der frühen Phase in Folge der Blutung aufbauende intracranielle Druck zwar einerseits der arteriellen(!) Blutung entgegewirkt und so (hoffendlich) zur vorübergehenden(!) Blutstillung beiträgt, andererseits aber auch die gesamte und natürlich unverzichtbare Hirndurchblutung behindert. Die Entstehung einer Bedarfshypertonie verschlimmert den Teufelskreis, sichert andererseits ggf. die Restdurchblutung.
Für den Notarzt entscheidend in dieser Situation: Nicht ein Krankenhaus mit CCT ist das nächste Ziel, sondern ein Klinikum mit neurochirurgischer OP-Bereitschaft.
Im Klinikum geht es (nach Lage des Falles) weiter im Laufschritt, wobei der Patient zu behandeln ist, wie das sprichwörtliche rohe Ei. Eine OP dient vor allem der Vermeidung einer Zweitblutung. Sie sollte innerhalb von 72 Stunden erfolgen. Danach treten weitere Probleme hinzu. (Spastizität betroffener Gefäße, (Neuro-)Toxizität der Abbauprodukte des Blutes, das ins Schädelinnere eingedrungen ist, an dieser Stelle will ich aber nicht weiter vertiefen.)
Krux hier (immer naturlich nach Lage des Falles):
Ohne verläßliche Diagnostik geht es nicht! MRT ist schwierig in akuten Notsituationen (wegen der speziellen Bedingungen an diesen Orten).
Ggf. ist es schwierig, ein „frisch geblutetes“ Aneurysma zu erkennen, u.a. wegen der erwähnten Selbstkompression- Gut wenn man einen erfahrenen Neuroradiologen zur Hand hat.
Darüberhinaus gibt es Menschen, die haben 2 Aneurysmen (und mehr).
In der Tiefe des Gehirns befindet sich eine Arterie mit einer kleinen Ausbuchtung, die 7 mm Durchmesser haben könnte. Die Kunst der Operation liegt darin, einen kleinen Metalklip so auf diese Beule zu praktizieren, dass der Inhalt dieser Beule ausgeklammert ist, während die Kontinuität der Arterie erhalten bleibt. Das erfordert höchste Konzentration des Operateurs. Ist das einmal gelungen, wird dieses Aneurysma nicht mehr bluten!
Wenn es aber jetzt blutet, können Liter von Blut verloren werden. Blutkonserven bzw./und Gerätschaft zur maschinellen Autotransfusion müssen bereitstehen. Unter Umständen kann es nötig sein, durch geeignete Maßnamen den Blutdruck für kurze Zeit dramatisch zu senken, um dem Operateur Übericht zu verschaffen.
Zurück zu @TobHais Frage ist m.E. durchaus denkbar, das sein Protagonist aus heiterem Himmel einen Krampfanfall erleidet, der sich ggf. nach immer kürzeren Intervallen wiederholt. Die Diagnostik deckt ein HAA auf, man rät im zur OP (Letalität 5%), die dann u.U. durchaus dramatisch verläuft. Alternativ könnte er auch an einer cerebralen AVM (->Arteriovenöse Malformation](‚https://de.wikipedia.org/wiki/Arteriovenöse_Malformation‘)) leiden: im Mittel bei jüngeren Patienten, geringere OP-Letalität-
Nachtrag:
Soweit fürs Erste. Bei nachhaltigem Interesse bin ich ggF. gerne bereit, (speziell vorhandene) Texte aus dem Themenbereich Medizin, vor allem Anästhesie, Intensivmedizin, Notfallmedizin und Rettungsdienst zu kommentieren.
Meine Güte Oskar, bist du ein verborgener Arzt, der außer Patientenakten auch noch Bücher schreibt? So eine ausführliche Abhandlung über Aneurysmen hatte ich hier in diesem Forum nicht erwartet. Respekt .
Ich persönlich nehm dann die Birnbaumvariante mit 90 bitte.
Arzt ja, verborgen nein, steht doch in meinem Profil. In einer anderen Diskussion mit dem geschätzten @Palinurus (an der du nach meiner Erinnerung auch beteiligt warst) redete ich von den professionellen Einsichten eines Schlafwagenschaffners, was doch ein allgemein verbreitetes Synonym für “Anästhesist” ist. Die Patientenakten habe ich in der Zwischenzeit geschlossen.
Wie schon gesagt war die Fragestellung nicht sehr präzise, deshalb die Kurzfassung …
ich hätte da mal einen Vorschlag, in der die unheilbare Krankheit nicht tödlich verläuft, der Betroffene aber an den Begleitumständen versterben kann. Die Krankheit mit den 1000 Gesichtern. Encephalomyelitis disseminata (ED) ist eine chronisch-entzündliche neurologische Autoimmunerkrankung mit sehr unterschiedlichen Verlaufsformen. Der Volksmund nennt es Multiple Skerose, der oder die Betroffene nennt es oft auch die Hörigkeit zu einer gewissen (M)adame (S)abotage.
Gehirntumor. Eine liebe Freundin hatte den. Sie war ganz normal und ging den alltäglichen Aufgaben nach. Nur die Kopfschmerzen wurden immer schlimmer.
Als auch normale Schmerzmittel nicht halfen und es eines NAchts so schlimm wurde, kam sie auf die Notambulanz. Sie wurde sofort operiert. Allerdings ging danach der Alltag weiter. Haare wuchsen wieder. Und dann stellte sich irgendwann heraus, dass der Tumor wieder da war und nicht operativ entfernt werden konnte.
Sie verstarb sehr jung.
Ansonsten kann ich dir gerne über meine Erkrankung erzählen: Myotone Dystrophie. Es ist eine genetische Muskelerkrankung. Das ist in jedem Fall chronisch und wird immer schlimmer. Es ist nicht heilbar und die Sterblichkeitsrate ist viel höher.