Grüß euch miteinander.
Bin neu hier; schleiche aber schon seit ca. 20 Jahren um Papyrus (Papyrus Gold, Papyrus Office) herum wie der Kater um den heißen Grießbrei. Mittlerweile habe ich’s – Anfang 2007 – endlich auch käuflich erworben, nachdem ich im Lauf der Jahre von 1st Word Plus über That’s Write, WordPerfect (für Atari und Mac), Tempus Word, Steve (kann sich noch jemand an diesen Exoten auf dem Atari ST erinnern?), Signum etc. – alle auf dem Atari – sowie Word (4.0 bis 04), Nisus, FrameMaker, iWork bis hin zu Scrivener und Mellel auf dem Mac besessen und mehr oder weniger intensiv genutzt habe.
Am ausgiebigsten gearbeitet habe ich auf dem Mac mit WordPerfect, nicht zuletzt wegen der unglaublich eleganten Makrosprache – nach dem Debakel mit der verfrühten OpenDoc Portierung (der nie erschienenen Version 4) dann mit FrameMaker, dem ich in der Classic-Umgebung auch noch die Treue hielt, als ich ansonsten längst schon ausschließlich unter Mac OS X arbeitete. Seit dem Umstieg auf Intel ist’s damit vorbei. In vieler Hinsicht bleibt aber FrameMaker in Sachen Textverarbeitung für mich das Maß der Dinge.
Am nächsten kommt ihm auf dem Mac vom Leistungsumfang her momentan Papyrus. In einigen Punkten – nahtlose Integration von Tabellenkalkulation und Datenbank – bietet Papyrus sogar deutlich mehr als FrameMaker. Dennoch nutze ich das Programm bis heute nicht, weil es ausgerechnet bei den »einfachsten« Funktionen erstaunliche (und mir unerklärliche) Schwächen aufweist, die es für meine Zwecke bzw. meine Arbeitsweise unbrauchbar machen.
Ich beginne mit dem aus meiner Sicht Wichtigstem – der Behandlung von Absatzabständen durch Papyrus.
Papyrus interpretiert den Abstand vor einem Absatz so, daß er am Beginn einer Seite auch einen Abstand vom oberen Rand des Satzspiegels bedeutet. Das ist aber im Normalfall sicher unerwünscht. Es führt dazu, daß eine Überschrift, die zufällig auf eine neue Seite rutscht, dort auf der zweiten oder dritten Zeile steht, wenn die zugehörige Formatvorlage einen entsprechenden Abstand vom vorangegangenen Text vorsieht. Ich muß also manuell einen festen Seitenumbruch einfügen, obwohl der Text einen solchen Seitenumbruch gar nicht vorsieht – nur der zufällige Textfluß. Der aber kann (und wird sich bei komplexen Dokumenten) ändern, sobald ich neue Passagen einfüge, andere überarbeite etc. Die Folge: am Ende der Arbeit muß ich den ganzen Text noch einmal sorgfältig durchgehen, um zu überprüfen
a) ob sich irgendwelche Leerzeilen am oberen Seitenrand eingeschlichen haben;
b) ob mitten auf der Seite ein fester Seitenumbruch den Lesefluß ebenso unerwünschterweise unterbricht
Das alles, obwohl ich Formatvorlagen verwende. Anders ausgedrückt: ich sehe in Papyrus keine Möglichkeit, das Layout und damit das Aussehen des fertigen Textes komplett über Formatvorlagen zu steuern. Das ist aber eine elementare Anforderung, die ich an eine Textverarbeitung stelle. (Um es vorwegzunehmen: der »Abstand nach…« ist kein Ersatz; bei Interesse erkläre ich gerne, warum.)
Papyrus addiert aneinanderstoßende Absatzabstände. Beim Entwurf eines Sets von Formatvorlagen zwingt das dazu, alle denkbaren Kombinationen von »Abstand vor…« und »Abstand nach…« zu antizipieren und gegebenenfalls »Hilfs-« oder »Ersatzvorlagen« vorzusehen. Bei komplexen Dokumenten stößt man da schnell an Grenzen. Ein konsistentes unternehmensweites Corporate Design ist damit schon gar nicht realisierbar (ich weiß, wovon ich rede; ich habe einige weltweit eingesetzte Corporate-Design-Manuals entworfen und implementiert).
In diesem Sinn meine beiden Wünsche: bitte, bitte als Option einbauen, erstens, daß Abstand vor Absatz nicht als Abstand vom oberen Rand des Textrahmens interpretiert wird; und zweitens: daß bei aneinanderstoßenden Absatzabständen der größere der beiden Priorität genießt.
Bis dahin lecke ich mir die Lippen nach Papyrus 2008 mit der großartigen Duden-Korrektur – und werde es mir dennoch nicht zulegen, weil ich mit Duden allein keine Texte schreiben (und formatieren!) kann…
Schade, schade, schade, weil ich Papyrus grade in seinen »fortgeschrittenen« Funktionen (rahmenbasiertes Layout, lebende Kolumnentitel, Querverweise, »Rechnen im Text« etc.) absolut großartig finde. Großes Kompliment dafür – wenn auch leider mit einem weinenden Auge…
Christian