(Fast) genauso passiert ... Vielleicht ein kleines Wunder?

Gewidmet ist die Geschichte jemandem hier auf der Plattform. Das weiß er natürlich. Jetzt schauen wir mal, ob euch die Geschichte gefällt, berührt, … oder so …
Kritik ist immer erlaubt. Habe eh schon mindestens eine Wortdoppelung entdeckt. Nun denn - hier kommt sie:

Vielleicht zwei kleine Wunder?

Selbstverständlich war ich ein extrem braves Mädchen. Klaro. Und lesen konnte ich auch. Daher wunderte es mich selbst, dass ich meine Freundin Alex überredete, an dem Verbotsschild vorbeizusausen – auf Skiern in den Wald hinein.
Dass ein Wald aus einer großen Baumgruppe besteht, weiß jedes Kind. Dass einer davon meinen Kopf küsste, oder umgekehrt … Nicht gut.

Auf dem Weg ins Krankenhaus wurde ich, im Porsche, kurz wach. Und dann erst wieder dort. In einem Erwachsenenzimmer.
Ich war schon oft im Krankenhaus, wurde in der Kinderklinik in Salzburg „zurechtgebogen“, und anschließend in ein Kinderheim gebracht.
Unsere Erzieherinnen mussten viel arbeiten. Deswegen konnten sie mich nicht besuchen.

Die Ärztin sagte, mein Gehirn wurde erschüttert. Keine Ahnung, was das war. Irgendetwas mit meinem Kopf.
Auf der Station herrschte große Aufregung. Nicht meinetwegen. Im Nebenzimmer lag die 15-jährige Tochter einer reichen Geschäftsfamilie. Sie schlief Tag und Nacht. Seit mehreren Wochen. Man munkelte, dass sie wahrscheinlich nie wieder aufwacht. Alle sorgten sich, es stand sogar in der Zeitung.

Niemand durfte die Patientin besuchen – außer den Eltern.
Als es mir besser ging, beschloss ich, dem Mädchen Gesellschaft zu leisten. Deswegen wartete ich einen günstigen Moment ab und schlich mich zu ihr ins Zimmer.

Ganz leise tappste ich an ihr Bett und betrachtete sie. Das kurze dunkle Haar, die blasse Haut, die geschlossenen Augen mit den dunklen Wimpern, die schlaffen Hände und natürlich die Maschinen, die dafür sorgten, dass sie nicht augenblicklich verstarb. Im Flur hörte ich, dass man sie abschalten würde – demnächst. Bestimmt, um herauszufinden, ob sie dann selber atmet.

Ich schob den Stuhl ans Bett, auf dem sonst wahrscheinlich der Papa oder die Mama saß. Die beiden hatte ich schon draußen im Flur gesehen. Sie sahen sehr traurig aus und taten mir leid. Meine Mama war nicht traurig. Auch nicht wenn ich im Krankenhaus war. Aber immerhin war ich wenigstens wach, durfte sogar wieder herumlaufen.

Jetzt aber saß ich. Ganz still. Und wartete … Bis das arme Mädchen aufwachen würde. Als die Schwester mich erwischte, erschrak sie zwar, schimpfte aber nicht.
Von da an besuchte ich das schlafende Schneewittchen – ohne gläsernen Sarg – jeden Tag. Und jedes Mal bevor ich ging, berührte ich mit meinen kleinen Fingern kurz ihre schlafende, große Hand, welche auf der schneeweißen Bettdecke ruhte.

Eines Tages war es so weit. Die Maschinen wurden abgeschaltet. Ende. Aus.
Das erste kleine Wunder war, dass Schneewittchen nicht augenblicklich verstarb. Sie atmete – ganz alleine.
Die Eltern des Mädchens hatten von meinen Visiten gehört und besuchten mich täglich. Sie schenkten mir jede Menge Eisbecher, die im Schwesternzimmer verwahrt wurden. Vanille mit Erdbeercreme. Meine Lieblingssorte. Davon durfte ich mir jeden Tag eines bringen lassen. Das war natürlich klasse.

Mir ging es von Tag zu Tag besser. Eigentlich durfte ich heim, aber ich gab zu verstehen, dass ich nicht möchte. Weswegen sagte ich nicht. Das war mein kleines Geheimnis. Wilma, unsere Heimleiterin – wir liebten sie alle abgöttisch – ließ mir ausrichten, dass sie traurig sei, weil ich nicht nach Hause wollte. Ich nahm mir vor, ihr später zu sagen, weswegen.

Meine Besuche nebenan waren nun offiziell genehmigt. Also saß ich weiterhin jeden Tag am Bett des schlafenden Mädchens. Ich hatte Zeit. Egal, wie lange es dauern würde, bis sie endlich die Augen aufmachen würde.

Und siehe da! Noch ein kleines Wunder. Ich war nicht dabei, als es passierte. Die Schwester eilte zu mir ans Bett, überbrachte die wahrlich frohe Botschaft und alle waren endlich froh oder gar fröhlich. Gemeinsam gingen wir ins Nebenzimmer.
Schneewittchen blinzelte mir entgegen, ich näherte mich ihrem Bett und berührte zum ersten Mal ihre wache Hand. Sie lächelte – ich auch.

Ihre Eltern waren überglücklich. Und ich durfte und wollte endlich wieder nach Hause – zu Wilma und allen anderen ins Kinderheim. Aber vorher schenkten mir Schneewittchens Papa und Mama ein riesengroßes Überraschungsei, umwickelt mit einer breiten, roten Schleife.

Einer meiner Skier wurde nie gefunden. Da ich mit einem alleine nicht fahren konnte, hörte ich mit dem doofen Sport auf. War mir immer zu schnell, zu kalt, zu gefährlich. Hatte nur mitgemacht, weil ich musste. Bei Wettbewerben blieb ich meistens auf den hinteren Plätzen. Nur beim letzten Mal – eine Skischule von Toni Sailer – gewann ich ausgerechnet beim Slalom, erstaunlicherweise eine Silbermedaille. Gold gab es an dem Tag nicht – keine Ahnung weswegen. Ich war jedenfalls stolz wie Frau Oskar.

Wenn das nicht der beste Zeitpunkt war, eine aussichtsreiche Sportkarriere zu beenden? Du meine Güte. Hoffentlich kam niemand auf die Idee, mir zu Weihnachten oder zum Geburtstag neue Skier zu schenken!

Kiki T. Lee

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Was soll ich sagen? Der Inhalt der Geschichte ist sehr berührend. Der oder diejenige (Das Kind, das besucht) hat trotz schwieriger Kindheit seine Stärke, sein Mitgefühl und sein Lachen nicht verloren. Zumindest interpretiere ich den Text so. Ein typischer Kandidat für ein Helfersyndrom :wink: Das ist jetzt nicht ganz ernst gemeint… könnte aber so sein. Zu Stil etc. möchte ich gar nichts sagen. Ich lasse den Textinhalt lieber auf mich wirken.

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Das sind die Schattenseiten von guten Pflegekräften wie @Bommel: Sie wissen einfach zuviel. Auch wenn man gar nichts sagt. Besonders dann.

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Ein mitfühlendes Kind, welches das Lachen lange vor dieser Geschichte verlor. Es aber wiederfand - Jahrzehnte später und jetzt sehr gerne lacht. :sunny:

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:heart: :+1:

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Sehr (be)rührende Geschichte! Mein Kopf hätte ganz gerne noch ein Stück zwischen der Schleife und den Skiern aber wenn es (fast) so passiert ist, gibt es das Zwischenstück vermutlich gar nicht. Auf alle Fälle gefällt und berührt sie :heart:

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