Ich musste ihn nicht kämpfen. Diesen offiziellen Kampf. Auf der Uni und in den Häuserschluchten der großen Städte. Der war vorbei, als ich in das Alter kam. Immer 5 bis 10 Jahre zu jung, um dabei zu sein. Und irgendwie immer zu weit weg. Die Revolte der Studenten. Unerreichbar fern, aber nicht ohne Wirkung. Rudi Dutschke hätte mir gefallen. Der hatte was. Da wäre ich sicher mitgelaufen. Aber ich war zu jung. Und er wurde niedergeschossen. Von einem Rechtsradikalen. Einem von der anderen Seite, wie ich es damals schon empfand.
Dann die Konzerte von Janis Joplin und Jimi Hendrix. Janis, meine Janis. Vom ersten Ton, den ich von ihr hörte, gehörte sie zu mir. Ob himmelhochjauchzend oder zu Tode betrübt, ihr Cry Baby war immer dabei. Ich hätte sie so gerne live gesehen, damals in Frankfurt. Aber ok, ich war noch zu jung und wurde auf das nächste Mal vertröstet - das dann aber niemals kam. Im Jahr darauf war sie tot. Wie auch Jimi Hendrix, mit seinem satten Gitarrenklang und der vollen Stimme. Und wie Jim Morrison, der Verpeilte, wegen dessen Riders on the storm ich mir morgens den Wecker früher stellte, um es im Transistorradio zu hören.
Kommunen, Sex und freie Liebe. Promiskuität als Lebensmodell. Wer zweimal mit der gleichen pennt, gehört schon zum Establishment. Die männliche Formulierung scheint mir hier Programm.
Wer träumte noch von der großen Liebe, dem Märchenprinzen. Junge Frauen schon, aber höchstens heimlich. Austausch von Körperflüssigkeiten mit irgendwelchen Partnern war angesagt. Keine Lust auf sowas? Ziel verfehlt. Mann konterte mit frigide. Prüde sein war ja verpönt. Selbst diese Generation hatte ihre Regeln. Mit Glück gabs nur Chlamydien, mit etwas Pech gabs Kinder. Und wieder war der Mann im Vorteil. Die Frau schwankte zwischen Mutter werden oder Engelmacherin. Die Entscheidung für Leben oder Tod, für eine, oft auch beide.
Immerhin, bei lokalen Demos lief ich mit. Mitmarschieren! Solidarisieren! Schuleschwänzen zum Wohle der Gesellschaft. Gibts heute auch wieder. Muss was dran sein. Damals gabs Hausarrest, wenn ich denn erwischt wurde. Aber das gute Gefühl war’s allemal wert.
Kämpfen für das Gute. Für Gleichberechtigung. Gegen Bonzentum und Unterdrückung. Das große Feindbild war Franz-Josef Strauß. Er stand für alles, was uns widerwärtig war. Wohl gleichermaßen wie wir ihm. Beate Klarsfeld haben wir gefeiert. Den deutschen Bundeskanzler für sein Nazi-Sein zu ohrfeigen, das hat uns imponiert. Entnazifizierung und Antifaschismus waren das große Ziel.
Demnächst bin ich tatsächlich eine 68erin. Und diesmal bin ich nicht zu jung. Diesmal kann mir keiner was verbieten. Und das ist gut so. Denn nach über 50 Jahren sind sie wieder da. Hässlich, laut und ohne Scham ziehen sie wieder durch die Straßen. Genau wie ich. Immer noch. Und wie immer auf der anderen Seite.