Eure Meinung: Prolog Name of the Wind (Rothfuss)

Halli Hallo,

der Prolog oder allgemeiner Anfang der Geschichte ist hier im Forum bereits öfter Thema. Wir fragen uns, was ist gut? Was ist nicht so gut? Was ist das “Rezept” eines klasse Einstiegs in ein Buch?

Alles, was ich hier bereits gelesen habe, ergibt total viel Sinn. Es leuchtet ein, dass Emotionen, Action, Nähe zum Protagonisten einen Leser gleich packen können. Es leuchtet auch ein, dass “Geschwafel”, zu viel Worldbuilding, zu viel Distanz kontraproduktiv sind. Theoretisch.

Dann fällt mir aber ein, dass mein absoluter Lieblingsprolog der aus “Name of the Wind” von Pat Rothfuss ist. Dieser Prolog hat mich abgeholt wie kein anderer in meinem bisherigen Leserleben. Völlig random hole ich das Buch immer wieder hervor, einfach nur, um mir noch einmal den Prolog durchzulesen. Und nochmal. Und nochmal. Gänsehaut

Und das kuriose dabei - es passiert darin… nichts.

Meine Frage ist also: Warum finde ich ihn trotzdem so wahnsinnig toll? Geht es anderen genauso? Oder findet ihr den Prolog im Gegensatz zu mir überhaupt nicht gut?

Was sind eure Gedanken?


Den Prolog “A Silence of Three Parts” bzw. “Eine dreistimmige Stille” findet ihr hinter den untenstehenden Links. Ich persönlich finde das Englische Original tausend Mal besser als die Deutsche Übersetzung.

Englisch (auf “Read an Excerpt” unter dem Cover-Bild klicken):
https://www.penguinrandomhouse.com/books/297978/the-name-of-the-wind-10th-anniversary-deluxe-edition-by-patrick-rothfuss/9780756413712

Deutsch:
https://www.klett-cotta.de/buch/Patrick_Rothfuss/Der_Name_des_Windes/5681#buch_leseprobe

Mein Gedanke ist momentan … “Kann ich das Buch auch mit mehr als nur einem Prolog starten?” … ich habe ca. 10 Handlungsstränge mit mittelbar oder unmittelbar mit der eigentlichen Haupthandlung zu tun haben und zeitlich teilweise Monate vor dem Beginn der Haupthandlung beginnen. Für die würden sich prima Prologe anbieten, aber ich habe noch nie mehr als einen Prolog in einem Roman gesehen.

Also für mich: Prologe ja … die müssen auch nicht zwangsläufig direkt in die Handlung einsteigen, sondern können auch gerne Ereignisse betrachten die erst sehr viel später Einfluss auf den Plott haben (mein lieber Author Tom Clancy ist da ja ein absoluter Profi für gewesen - den seine Prologe haben immer erst gegen Ende der Romane einen Aha-Effekt ausgelöst und erschienen bis dato zunächst völlig zusammenhanglos).

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Ich mag Kvothe. Ich mag Rothfuss’ Schreibe. Beides Dinge, die mich schwer urteilen lassen heute.
Aber, wenn ich die Fanbrille abnehme: Es hätte diesen Prolog nicht wirklich gebraucht. Es ist nichtmal ein Prolog im üblichen Sinne für mich. Wir sind genau da, wo Kvothe in der Geschichte am Anfang steht.

Der beste Prolog bleibt für mich jener aus “Rad der Zeit” von Robert Jordan. Der wird für mich jedes Jahr besser. Reift wie Wein, oder Käse, oder was auch immer gut altern kann.

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Das kann ich total gut verstehen. Bei mir ist das ähnlich. Es gibt einiges was im Vorfeld der Haupthandlung passiert und ich habe noch nicht die “richtige” Lösung gefunden, wann und wo und wie und ob überhaupt ich es am Besten einbauen kann.

Die Gedanken kann ich gut nachvollziehen. Aber wenn man einmal etwas außerhalb der Box denkt - muss ein Prolog denn “gebraucht” werden, wenn er, wie mMn in diesem Fall, so viel Stimmung erzeugt und es einfach nur Spaß bringt ihn zu lesen?

Ich finde aber auch, dass der Prolog im Deutschen wahnsinnig hinterher hinkt und viel Zauber verliert. Bedeutet das, das fast alles geht, wenn die Worte und Wortbilder an sich schon mitreissen?

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Nein, natürlich nicht. Aber es muss auch eben gar nicht „Prolog“ drüberstehen :slight_smile:

UPDATE:
Nicht, dass man mich falsch versteht. Ich finde den Prolog ja in der Tat gut. Und ich kann mir auch vorstellen, dass P. Rothfuss einfach den auktorialen Moment von der eigentlichen Geschichte abtrennen wollte, damit die Perspektiven nicht verschwimmen.
Ich hätte es nur anders gemacht. Es “könnte” sein, dass Patricks Erfolg in Anbetracht meiner nicht vorhandenen Bestseller unterm Strich eher ihm Recht geben würde :slight_smile:

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Nun, Patrick Rothfuss ist natürlich ein begnadeter Schriftsteller, der geradzu magisch mit Worten umgehen kann. Das dürfte einer der Gründe sein, warum du diesen Prolog immer und immer wieder lesen kannst, Lisella. Patrick Rothfuss wäre vermutlich in der Lage, auch die deutsche Steuergesetzgebung so zu schreiben, dass man sich darin verlieren kann. Es ist wirklich eine Schande, dass er - wenn man seiner Lektorin glauben darf - seit Jahren nicht ein einziges Wort mehr zu Papier gebracht hat und es mehr als in den Sternen steht, ob er seine Trilogie jemals zu Ende bringen wird.

Ansonsten ist ein Prolog natürlich gerade im Fantasy-Genre sehr üblich geworden - dabei kann man vermutlich mindestens 50% von den Prologen, die es da draußen gibt, gut und gerne das Existenzrecht absprechen. Viele Autoren scheinen zu glauben, dass sie in einem Fantasy-Roman zwingend einen Prolog brauchen - und schreiben einfach über ihr erstes Kapitel “Prolog” drüber, obwohl es eigentlich nicht mehr als eben das erste Kapitel ist. Ein erstes Kapitel in einem Fantasyroman kann ruhig auch erstes Kapitel heißen, wird aber häufig einfach Prolog genannt.

Ein richtiger Prolog, der diesen Namen auch verdient, erfüllt dagegen einen bestimmten Zweck. Er ist nicht nur einfach das erste Kapitel der Handlung. Häufig kann ein Prolog dazu dienen, den Kosmos und die Mythologie einer Welt zu erklären. Dann läuft man aber schnell Gefahr, den Prolog zu einem Infodump verkommen zu lassen. Häufig spielt der Prolog auch Jahrzehnte, Jahrhunderte oder Jahrtausende vor der eigentlichen Handlung. Auch dann in es gerechtfertigt, ihn Prolog zu nennen. “Das Rad der Zeit” wurde in diesem Thread ja bereits erwähnt, und hier trifft das zu. im “Lied von Eis und Feuer” von George R. R. Martin hingegen dient der Prolog (des ersten Bandes) dazu, das große Mysterium, das erst später im Buch wirklich handlungsrelevant wird, bereits einzuführen, um den Leser ein “foreshadowing” zu geben - bevor dann die Haupthandlung losgeht und erstmal in eine andere Kerbe schlägt. Auch hier ist es daher durchaus gerechtfertigt von einem Prolog zu sprechen.

“Der Name des Windes” ist tatsächlich schon etwas fragwürdiger, würde ihm aber nicht den Titel als “Prolog” absprechen wollen. Es ist nicht einfach ein erstes Kapitel. Die Handlung startet bei Rothfuss nicht mit dem Prolog. Zwar dient der Prolog auch nicht, um eine spätere Handlung anzukündigen oder in die Mythologie einzuführen oder eine tausendjahre alte Episode zu erzählen, die auf die Gegenwartshandlung Einfluss haben wird… aber bei Rothfuss hat der Prolog einen anderen Zweck: Er dient dazu, die Stimmung und Atmosphäre für das Kommende aufzubauen. Mehr, als es das erste Kapitel in der Lage ist, das dann nämlich relativ schnell in einen Dialog geht. Deswegen würde ich in diesem Ausnahmefall sagen, dass der Prolog durchaus seine Berechtigung hat - und sich auch so nennen darf. Das funktioniert aber nur - und so schließt sich der Kreis - weil eben Rothfuss so gut schreiben kann, dass er mit diesen 1 1/2 Seiten zu Beginn in der Lage ist, eine Stimmung zu erzeugen, die sich dann auf das ganze Buch zu legen vermag.

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Dieser Prolog basiert nicht auf einer konkreten Handlung!
Er fußt auf der “Magie der dreifachen Stille”.
D. h. Hier sind eine ganze Reihe von rhetorischen Mitteln verdichtet.
Diese ansonsten fast nichts sagende Szene enthält Andeutungen und baut damit Spannung auf.
Der Prolog führt eher die Wortgewandtheit des Autors vor und regt durch die Bildhaftigkeit der Sprache die Fantasie des Lesers an.

Im Übrigen ist mir der Mahagoni-Tresen aufgefallen, der möglicherweise einen Anachronismus darstellen könnte - je nachdem in welcher Zeit oder Kultur das ganze spielt. Da ich das Buch, die Story nicht kenne, kann ich das aber nicht beurteilen.
https://www.europa.clio-online.de/quelle/id/q63-28416#:~:text=Zwei%20Jahrhunderte%20lang%20hatten%20die,hier%20„der%20Zufall“%20nachhelfen .

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Sie haben also die Funktion Fragen aufzuwerfen, die erst sehr spät in der Handlung beantwortet werden.
D. h. Sie bauen Spannung auf indem sie am Beginn der Geschichte ein “Puzzleteil” liefern und der Leser sich ständig fragt: “Wo gehört das hin?” oder “Wann wird das wichtig?”

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Ich gehe momentan ja die ‚Writing Class‘ - Sessions von Brandon Sanderson durch. ich meine er hat irgendwo erwähnt, dass er in einem seiner Bücher (ich glaube Mistborn oder Skyward) zwei Prologe hat.

Krass, ich habe aktuell vier und es werden noch zwei folgen und komme schon voll ins Schwitzen… Zehn sind echt viel. Aber ich liebe so wunderbar verstrickte Geschichten. Nach und nach werde ich immer neugieriger auf dein Werk ;):thumbsup:
Unterteilst du das Buch nur in Kapitel oder auch in übergeordnete Teile (dafür gibt es bestimmt ein fancy Word, aber ich kenne es nicht…)? Wenn es z.B. aus mehreren Teilen besteht, könntest du vor jeden neuen Teil einen Prolog setzen. Zehn Prologe wären vielleicht ein wenig viel :laughing: aber so drei oder vier… Why not. :slight_smile:

Zu Rothfuss’ Prolog… Ich liebe ihn, aber ich liebe auch das gesamte Buch. Er ist wirklich ein großartiger Autor. Nachdem ich @Stolpervogel s Kommentar gelesen habe, muss ich sagen, dass es den Prolog wohl wirklich nicht gebraucht hätte, selbst wäre mir das gar nicht aufgefallen, aber ich finde ihn trotzdem ganz ganz toll. :thumbsup:

Und ich stehe auch an sich total auf einen Prolog. Ich kann nicht genau sagen, warum, aber die catchen mich meistens total und ziehen mich schon in die Welt hinein. ich lese aber auch viel Fantasy und da gehört das ja irgendwie fast schon dazu.

Ich selbst starte auch mit einem Prolog in mein Projekt und würde auf den nicht verzichten wollen :heart_eyes:

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Bei diesem speziellen Fall würde ich paradoxer Weise auch zustimmen, wenn Jemand sagt, es MUSSTE ein Prolog sein. Ich kann allen Hinweisen hier im Verlauf gut folgen und auch zustimmen.
Am Ende kann man vielleicht festhalten: Es ist gut, dass Mr. Rothfuss es geschrieben hat. Egal, unter welcher Überschrift.

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Ich habe mir das jetzt mal durchgelesen. Aber hey, dass ist nun nicht meins. Schon als der Autor von der Legierung der Stille sprach, war ich raus. Im Geschäft hätte ich das Buch an der Stelle zugeklappt und weggelegt. @Lisella, kannst du mir erklären, warum du diesen Prolog gut findest? Ich weiß, solche Erklärungen sind schwierig, aber es würde mich ernsthaft interessieren.

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Genau das ist es. Es liegt irgendwo zwischen einem ‘echten’ Prolog und dem ersten Kapitel und dient nur einem einzigen Zweck: Den Leser stimmungsmäßig auf die Story einzuschwingen. Und das hat auch bei mir großartig funktioniert.
Natürlich muss man sowas mögen und sich auch darauf einlassen, ich fand gerade die ‘Legierung der Stille’ eigentlich eine sehr schöne, irgendwie magische und beinahe schon ein wenig poetische Umschreibung. Eine Legierung entsteht ja durch das Verschmelzen verschiedener Komponenten, ok, eigentlich Metalle, aber warum nicht auch mit Geräuschfragmenten, oder wie hier dem Fehlen der typischen Geräusche. Man (in diesem Fall ich) kann sich so irgendwie viel besser in die Situation einfühlen, als wenn der Autor einfach nur ‘es war totenstill im Wirtshaus’ geschrieben hätte.

Ich mag Prologe, wenn sie sich auch einigermaßen ‘wie ein solcher benehmen’. Einfach nur ‘Prolog’ drüberzuschreiben, weil es ja dazugehört, oder weil man einfach nur völlig vernarrt in die Dinger ist, ist mir da zu wenig.

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Finde ich ja interessant mit der Legierung - ich hab beide Ausgaben von “Name of the Wind” (auch wenn ich nur die englische vollständig gelesen habe), und in meiner deutschen Version wird die entsprechende Stelle mit “Gemisch” übersetzt. Wo habt ihr denn die Legierung entdeckt?

Way of Kings hat auch mehrere Prologe. Nun hat aber Sanderson auch eine Leserschaft,
die genug Vertrauen hat, dass da was nachkommt.

Hier ist Leserschaft das Stichwort. Fantasy-Leser gehen schon mal mit, wenn Du einen
Prolog hast. In einem Kinder- oder Kochbuch würde ich nochmal drüber nachdenken.

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Hört sich für mich jetzt eher nach einem Fall von Handlung und nicht von Prolog an :wink:

Ich kenne ein zehnjähriges Mädchen, das mindestens 15 Zauberkätzchen-Bücher besitzt und diese begeistert immer wieder liest.
Der Prolog ist wohl im Großen und Ganzen immer gleich, die Rahmenhandlung scheint nie vorwärtszugehen, aber dieses Mädchen liest in jedem Buch jedesmal wieder den Prolog. :slight_smile:
[offtopic: Ich habe mir letzte Woche mal eins von ihren Zauberkätzchen-Büchern ausgeliehen, weil ich Kinderliteratur liebe, aber ich fand das Buch in jeder Hinsicht so grottig, dass es am Ende nur eine Motivation für mein eigenes (Erwachsenen-)Buch war: schlechter als das kann [I]mein Buch gar nicht werden! :thumbsup:]

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