Es ist Zeit

Blendendes Gelb

Sitzt Frau S am Fenster. Beobachtet Menschen, Autos. Schüttelt den Kopf.
„Da ist viel los!“, sagt sie und zeigt auf die Straße.
„Ja!“, sagt Herr S. „Da ist viel los!“
Er blättert um. Das Papier raschelt.
„Wie Blätter am Baum!“, sagt Frau S.
„Ja!“, sagt Herr S. „Wie Blätter am Baum!“
Der nächste Teil ist Kultur. Üppige Artikel über die Macharten der Kunst. Entspringt manch klugem Kopf.
Das Orchester hat besonders gut gespielt. Nur die Holzbläser. Da fehlte es an Stimmung. Steht in Kultur.
„Die Radfahrer sind leichtsinnig!“, sagt Frau S.
„Ja!“, sagt Herr S. „Die Radfahrer!“
Das Ballett hat einen neuen Chef. Die Seite schnell überschlagen. Der Neue ist wesentlich jünger.
Malerei. Impressionistisch.
„Viele fahren einfach bei Gelb!“, sagt Frau S.
„Als ob es eine Farbe wäre, bei der man durchfahren darf!“
„Ja!“, sagt Herr S. „Bei Gelb wird gefahren!“
Die aufgehende Sonne in strahlenden Farben. Blendet. Steht im Kulturteil. Herr S. denkt nach. Ein Strahlendes und blendendes Gelb. Wie von van Gogh. Nur Norddeutscher. Blond.
„Hast Du Deine Rente diesen Monat?“
„Ja!“; sagt Herr S. „Am Konto!“
„Die Ausstellung ist bis Ende des Jahres geöffnet. Alles Kultur. Steht da!“, sagt Herr S.
„Es scheint bald zu regnen. Gleich oder später. Jetzt noch nicht. Wahrscheinlich bald. Die Erde braucht Wasser!“
„Ja!“, sagt Herr S.
„Der Kanzler ist in China. Da sind viele Menschen, die brauchen das Wasser!“, sagt Herr S.
Frau S. reagiert nicht!
„Die ersten Tropfen!“, sagt Frau S.
„Die Fenster sind verklebt!“, sagt sie.
Herr S. reagiert nicht.
„Jetzt werden die Schirme aufgespannt!“, sagt Frau S.
„Es regnet!“, sagt Herr S.
„Ja!“, sagt Frau S.
„Damals hatte es auch geregnet. Kannst Du Dich erinnern?“, sagt Frau S.
„Nein!“, sagt Herr S.
„Über zwanzig Jahre!“, sagt Frau S.
„Es regnet immer wieder!“, sagt Herr S.
„Das war damals ein mächtiger Regen. Mitten auf dem See hatte er uns erwischt. Abenteuer. Ich hatte Angst. Unser Boot war klein!“
„Ja!“, sagt Herr S. „Du hattest Angst. Damals auf dem See. Das viele Wasser. Das kleine Boot. Der Regen!“
Herr S. grinste.
Frau S. öffnet das Fenster. Sie sieht auf die Straße. Den Stuhl leicht nach hinten stoßend. Sechs Stockwerke.
„Es könnte reinregnen!“, sagt Herr S.
Der HSV vor dem Aufstieg. Endlich. Nach Jahren. Sportteil.
„Es regnet rein!“, sagt Herr S.
Der Stuhl unter dem Fenster gähnt leer. Die Zeitung wird gefaltet.
Ein blaues Licht fährt auf der Straße schreiend bei Gelb!

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öffnet, sieht

Erinnert mich an Harold Pinter und an ein Lied von Herman van Veen.
Erschreckend und sehr gut.

Hallo Suse, Harold Pinter ist mir nicht sehr geläufig. Danke für Dein Herz! LG HWV

Gern geschehen. Harold Pinter ist in meinen Augen sehr anstrengend. Das war dein Text nicht. Aber lies dir doch mal den Text von Herman van Veen „Nicht allein“ durch.
Das Lied beschreibt eine ähnliche Geschichte wie deine und hat mich als Jugendliche umgehauen.

Danke für den Tipp!

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Hab den Text von Hermann van Veen gelesen! Wow … sehr heftig. Aber ja; der Gedanke ist sehr ähnlich. Danke!!!

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Wen wundert’s? Die Beiden hatten sich nichts zu sagen. Traurig. Ich würde zwar nicht aus dem Fenster springen aber dieser Trostlosigkeit davon laufen.

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Wer sagt, dass sie gesprungen ist! Es könnte ein Unfall gewesen sein. Sie könnte ebenso das Zimmer verlassen haben. Liebe Grüße Hans-Werner

Ich hätte auch gedacht, sie sei gesprungen. Sonst wäre mir das van Veen Lied gar nicht in den Sinn gekommen.

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Thema und Variationen! LG

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So muss es sein. Ganz mein Geschmack.