Es ist immer keine Zeit

Goll; ohne tt

Im Gasthof Kreuz gab es die besten Kuddeln im Dorf. Er war Metzgermeister. Die Metzgerei neben der Kneipe. Optimale Konstellation.
Der Stammtisch. Reichlich besetzt. Die Alten und die nicht so Alten. Das Viertele Roten. Im Kreis abgestellt. Der Tisch war rund. Die Gespräche liefen über Kreuz.
Der Goll war alt. Der Bull war sieben Jahre nicht so alt.
Der Goll erhob die Stimme: „Mache zwei Striche durch die letzten Buchstaben meines Namens!“
Der Wirt schrie vom Tresen: „Gott!“
„Über die achtzig drüber!“, sagte Goll.
„Bin sechs Jahre drunter. Als hätte ich die Latte beim Hochsprung gerissen!“, sagte Bull. Lachender Tisch. Beißender Qualm. Die Augen tränten. Lachen und Qualm.
Essensgeruch. Frisches Essen.
„Als Hauptkommissar in Pension. Vor einunddreissig Jahren!“
Goll zog an seiner Zigarre. Husten.
„Hab sie alle gefasst!“
„Tellerschnitzel unpaniert mit Soße und Brot!“, rief der Wirt. Am Nachbartisch ein junger Bursche. Gehörte nicht zum Stamm. War kein Stammhalter. Goll musste husten.
„Der Gott des 42. Reviers!“, sagte Goll. Die anderen räusperten sich. Schluckten verlegen, rauchten. Nippten an den Gläsern.
Die Lichter von draußen. Ein Schwung kam in die Gaststube. Mehrere Männer. Grüßend und lachend. Ins Nebenzimmer verschwindend. Schiebetür.
„Die Dorfmusiker!“, sagte Goll. Hob die Hand zum Gruß.
„Die saufen jetzt die Noten in die richtige Reihenfolge!“
Lachen und Bestellungen. Biere aus Weizen. Schnitzel, Kuddeln. Der Wirt hatte das Lächeln. War ihm eingeschnitten. Er zog den Hahn.
Am Stammtisch Viertele. Roten zumeist. Zigarren. Aus dem Nebenzimmer lautes reden.
„Musiker sind stets zu beobachten!“, sagte Goll. Der Mann über achtzig. Alle nickten.
Der junge Mann vertilgte sein Tellerschnitzel mit Soße und Brot. Frisches Brot. Gebacken vom Wirt.
Der junge Mann nickte nicht.
„Goll der Gott! Sagten die, die damals in der Stadt waren. Ich habe sie alle erwischt!“
Der Junge bestellte ein Weizenbier. Ein zweites Weizenbier. Er hatte bereits ein Weizenbier getrunken.
Vom Parkplatz die Scheinwerfer der Autos. Vom Parkplatz in die Stube geworfen. Neue oder alte Autos. Neue oder alte Gäste. Das Licht, kegelförmig.
„Ich musste lediglich am Tatort erscheinen!“, sagte Goll.
„Da ist er, sagte die anderen. Da kommt unser Gott!“, sagte Goll und er hob die linke Hand. Das bedeutete ein Viertele Rot, und zwar jetzt. Der Wirt nickte. Goll senkte die Hand auf den Tisch.
„Entschlossenheit!“, sagte Goll.
„Entschlossenheit ist das A und O!“
Die Wände der Gaststätte waren verholzt. Alt verholzt. Der Geruch der letzten achtzig Jahre hatte sich in den Wänden verfangen. Geschlachtetes Fleisch. Aus der Schlachterei. Die Küche. Der Suff. Der Qualm. Der Geruch aus der Küche, am Klo vorbei. Alles nahmen die Wände auf.
Die blonden Haare des Jungen.
„Die sollten arbeiten wie früher. Ja, wie früher, ja, wie zu meiner Zeit!“, sagte Goll.
Der Junge wischte seine Haare aus der Stirn. Blonde Haare. Lange blonde Haare. Das Realitätsverflimmern einer ganzen Generation.
Im Nebenzimmer die Musik. Dorfmusiker ohne Instrumente. Sie redeten. Die schütteten Bier nach. Himbeergeist. Jeder Ton wurde ertränkt. Danach klang alles besser.
Der Gott des 42. Reviers zahlte auf den Pfennig genau.
„Ade Goll!“, sagte der Wirt. Den Zapfhahn in der einen Hand und die andere zum Gruß.

Nächstens. Der Platz. Goll. Leer.
„Wo bleibt der?“, die Gruppe grummelte und schlotzte und qualmte.
„Der Goll ist zuhause angekommen!“, sagte der Wirt.
„Denkt Euch zwei Strich durch die letzten Buchstaben!“
„Wann?“
„Heute Morgen!“
„Es war sonnig heute Morgen!“
„Ja, und warm!“
Der Junge saß in der Bahn in die Stadt. Zweiter Klasse. Bügelverschluss am Bier. Der Zug hatte eine ruhige Fahrt.
„Ich werde ihn einholen!“, sagte, der sechs Jahre unter den achtzig lag. „Ja, ich hole ihn ein!“