Erzählzeiten

Hallo Expertenrunde.

Ich hätte da mal eine „stilistische“ Frage an euer Schwarmwissen.

Ich plane eine kurzgeschichtliche Erzählung, die eigentlich nur 2 Figuren hat. Beide erzählen die Story im Dialog quasi aus der eigenen Sicht. Und meine Idee wäre nun, dass die Erzählungen auf beide Figuren bezogen in unterschiedlich anderen Zeiten erfolgen. Die eine Sicht wird in der Vergangenheit und die andere in der Gegenwart erzählt:

Person A (in der Wohnung):
Plötzlich fuhr Klara erschrocken hoch. Hatte sie die lautstarke Türglocke den Tiefen ihrer Gedanken entrissen? Instinktiv blickte sie zur Wanduhr. Wer mochte das sein? Vielleicht der Paketdienst oder die Post? Sie erwartete doch niemanden. Unsicher, ob sie vielleicht eine Verabredung vergessen hatte, ging sie zur Tür und öffnete.

**Person B **(außerhalb der Wohnung):
Noch bevor die 45-jährige Frau die Hand am Taster der Türglocke hat, wird die Tür bereits geöffnet. Sie kann direkt in den dahinter liegenden Vorraum der Wohnung blicken. Weiße Wände, dunkelgraue Fliesen und ein hochfloriger, schwarzer Hochflor-Teppichläufer am Boden.

Und „manchmal“ treffen beide Erzählformen halt auch direkt aufeinander:
A:* Klara trat einen Schritt zur Seite und ersuchte die Frau, weiter zu kommen. B: Noch bevor diese das Vorzimmer der Wohnung betritt, streift sie die Schuhe ab und stellt sie neben die Wohnungstür.*
**
Die eigentliche Idee dahinter ist, dass Klara auf „sich selbst“ trifft und um die beiden Figuren doch irgendwie besser voneinander unterscheiden zu können, denke ich daran in zwei Zeiten zu schreiben. Nun stellt sich mir halt die Frage, ob ich hier (wieder mal) absoluten Humbug fabriziere oder wie man das sonst literarisch sinngebend gestalten könnte…

Ich bin schon sehr auf eure Meinungen und Tipps gespannt.

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Es tut mir leid, aber ich kann mir die ganze Sache noch nicht so richtig vorstellen.
Ich hätte die Befürchtung, dass es mich davon abhalten könnte, in einen richtigen Lesefluss zu geraten.
Wahrscheinlich würde es in die Kategorie Experimente mit Sprache fallen, so ähnlich wie Raymond Queneaus “Exercices de style” oder George Perecs “La disparition”. Letzteres ist ein Roman, bei dem der Autor darauf geachtet hat, kein Wort zu verwenden, in dem der Buchstabe “e” vorkommt. (In der deutschen Übersetzung soll auch kein e vorkommen, dafür hat der Inhalt nicht mehr viel mit dem Original zu tun.)
Ich glaube, solche Experimente waren vor allem in der Mitte des 20. Jh. beliebt.
Vielleicht solltest Du es ausprobieren und eine etwas längere Textprobe einstellen? So kann ich nicht beurteilen, ob ich in die Geschichte eintauchen könnte.
Würdest Du den Text dann auch in zwei Farben schreiben?

Ein hochfloriger Hochflor-Teppichläufer ist doppelt gemoppelt.

Vielen Dank für deinen Beitrag und 3 x ja.

Ja, das mit dem “Flow” bereitet mir auch Sorgen. Daher ja auch meine “Anfrage”

Ja, ich stelle zum besseren Verständnis demnächst auch noch eine längere Textprobe zu Verfügung.

Ja, das Ding sollte/könnte gegebenenfalls 2-färbig werden.

Und danke für den Hochflor-Hinweis. Schon korrigiert.

Verstehe ich das richtig: Beide Figuren sollen Klara sein?

Jep. Aber eher nicht schizophren, sondern aus der Überzeugung, dass man auch alleine glücklich sein kann…

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Schizophren wäre aber konfliktreicher …
Erinnert mich an “A beautiful mind - Genie und Wahnsinn” mit Russel Crowe.

LG
Pamina

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Ja schon. Aber mir geht es nicht um die Krankheit sondern eher um das Selbstbewußtsein des glücklichen Aleinseins. Gerade in Zeiten wie diesen…
(Zugegebenermaßen angestoßen durch einen FB-Beitrag…
(Zitat)
“Mach ich auch ab und zu: ich gehe von der Terrasse ums Haus rum zur Haustür und klingle… schnell laufe ich über die Terrasse wieder ins Haus und mache mir dann die Haustür auf und freu mich total über Besuch :)”

ULLI MOD.: Bitte nicht - ich sage es immer wieder, und es steht auch in den Forenbedingungen - so riesige Abbildungen posten - danke.

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Verstehe. Das könnte sehr lustig werden. Aber ich würde es, glaube ich, so machen, dass der Leser das gleich merkt. Ich würde den Fokus auf die Komik der Situation lenken, nicht darauf, ein Rätsel daraus zu machen, wer die zweite Person sein könnte. Das stelle ich mir irgendwie verwirrend vor. (Aber vielleicht kriegst du es ja hin.)

LG
Pamina

P.S.: Das Bild ist deutlich größer als 100 KB. Du riskierst, dass es gelöscht wird.

Mach den FB-Eintrag um Himmels Willen bloß kleiner, denn Ulli mag so große Bilder gar nicht. Zu recht. Und hübsch ist es auch nicht. @Pamina22 Nicht nur hochflorig, schon alleine der Teppichläufer ist doppelt. Ein Läufer **ist **ein Teppich. Ist so wie Cuttermesser.

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Anhand Deiner Antwort wollte ich gerade auf einen Beitrag antworten, der zum Beispiel etwas zur Türglocke geschrieben hatte… und zum instinktiven Blick zu Uhr - und finde ihn nicht mehr. Kann es sein, daß ein Beitrag fehlt? Bin mir ziemlich sicher, daß ich ihn mir nicht eingebildet hatte.

Naa, ein ziemlicher Schmarrn. Wenn es dir nicht gelingt, beide Klaras so voneinander zu trennen, dass es offensichtlich ist, ist das Projekt zum Scheitern verurteilt. Durch die verschiedenen Zeiten ist so etwas nicht zu schaffen. Die Zeiten, in denen man schreibt, haben eine originäre Aufgabe. Sie für etwas anderes zu benutzen ist erst einmal verwirrend und müsste schon genial gemacht sein, um aufzugehen.
Finde erst einmal deinen eigenen Stil, bevor du experimentierst. Erst das Handwerk, dann die Schnörkel. So sehe ich das. Deine Flut an Adjektiven und Dopplungen zeigt dem Leser eher, dass du dir beim Schreiben viel zu wenig Gedanken machst und einfach drauflosschreibst.

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Läuft das nicht andersrum? :wink:

Bei den Zeiten bin ich aber bei Dir:

Die unterschiedlichen Zeiten erwecken in mir den Eindruck, daß ich es tatsächlich mit zwei Personen zu tun habe. Wenn ich als Leser dann irgendwann rausfinde, daß das gar nicht so ist, und es aber nur die Zeit war, die das verdeutlicht hat, fühle ich mich veräppelt.
Und: Ich denke, der Wechsel der Perspektive reicht völlig aus und wäre wahrscheinlich natürlicher.

Ja, das Bild war zu groß. Wahrscheinlich wurde deshalb alles gelöscht.

LG
Pamina

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Zum Üben finde ich diese Idee sehr gut. Während meines Studiums haben wir verschiedene ähnlicher Übungen gemacht. Es geht gar nicht um eine Veröffentlichung, sondern darum zu erkennen, wie das Wirken der Personen aufeinander stattfindet. Ich glaube nicht, dass so ein Projekt Erfolg hätt, aber, zum lernen finde ich es geeignet.

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Ja, meiner. Hab ihn gelöscht. Frag bitte nicht, warum. Der Webmaster kann nichts dafür.

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Die eigentliche Idee dahinter ist, dass Klara auf „sich selbst“ trifft und um die beiden Figuren doch irgendwie besser voneinander unterscheiden zu können, denke ich daran in zwei Zeiten zu schreiben.

Meine bescheidene Meinung:
Der unterschiedlichen Zeiten bedarf es nicht. Die unterschiedliche Perspektive reicht aus.
Ich kenne Romane von (Spoiler), in dem du am Ende erst merkst, dass die eine Person, die gute Freundin des Jungen, nur ein Hirngespinst des Jungen ist, nach 400 Seiten.

Hat spitzenmäßig funktioniert.

Sollte doch bei deinem Text auch funktionieren:
Zwei Personen, die unabhängig voneinander agieren,
und zm Schluss merkst du als Leserin, dass es nur eine, eben dieselbe Person ist.

Meine Hochachtung, auf diese Idee muss man erstmal kommen. Ich würde mich da nicht veräppelt fühlen, sondern erstaunt und amüsiert, wenn ich es vor dem Ende noch nicht geschnallt hab. Ich muss aber sagen, dass ich auch der Meinung bin, dass der Perspektivenwechsel genügt und eine unterschiedliche Zeitform es a) verkompliziert und b) vielleicht für den Leser frühzeitig durchschaubar macht, dass die beiden Figuren ein und dieselbe Person sind. Viel Erfolg!

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Hallo Johann.

ich stimme dir völlig zu. Der Klassiker in diesem Sektor ist die Aufteilung in zwei Erzählperspektiven, bspw. in third-person- und first-person-view, und dann entwickeln sich diese Charaktere in je eigener Ausprägung. Geschickterweise läßt man eine anonym auftreten – am besten die Ich-Perspektive (da ist’s am leichtesten) – und führt sie am romanesken Kulminationspunkt zueinander (wie dramatisch oder anderweitig auch immer).

Bei einem Punkt möchte ich aber deine Einlassung und auch díe von @DuaneHanson mit einre kleinen Kritik versehen: Unterschiedliche Zeitformen sind i.d.R. sehr wohl im Schwange, sie ergeben sich nämlich bereits – und das ist vorteilhaft in diesen Konzept! – aus dem Gebrauch der diversen Erzählperspektiven! In der 1. Person kommt Präsenz zum Tragen, in der anderen Präteritum.

Es ist auch möglich, wahrscheinlich allerdings anspruchsvoller, die Perspektive der 2. Person für einen derartigen … ähm … „brainsplitt“ zu nutzen. In meinem aktuellen Projekt kombiniere ich alle drei Perspektiven. Man kann sich aber auch dann auf nur zwei kaprizieren: Ich-Du oder Er/Sie-Du; wobei in diesem Fall die „Verschleierung“ der eigentlich waltenden Identität schwieriger ist, aber nicht unmöglich.
Mir persönlich erscheint die Integration der Zweiten-Person-Perspektive besonders innovativ als Ergänzung der anderen beiden. Die subtilste Form dabei ist, ein Du in Erscheinung treten zu lassen, bei dem vage bleibt für den Leser, ob ein externes Du angesprochen wird – also eine andere Person – oder ein Bezug der erzählenden Person auf sich selbst statthat. – Aber zugegeben: Das ist die ganz hohe Kunst des Erzählens, es bedarf einer gewissen Übung, sie gut zur Darstellung zu bringen.

Eben! Völlig d’accord! Das ist der Clou.

Gruß von Palinurus

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Meisterhaft dargestellt wurde diese Art Clou mAn von Chuck Palahniuk, in seinem verstörenden Roman Fight Club.

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Liebe Manuela,

leider habe ich das Buch nicht gelesen. Kannst du es zur Lektüre empfehlen? – Mir hat der Film gefallen.

Nachtrag: Meister solcher Techniken sind m.E. auch Borges und etwa Pessoa.

Gruß von Palinurus