Erzähltheorie – Erzählzeit und erzählte Zeit

Bei der Recherche im Internet bin ich überraschenderweise bezüglich der Erzählzeit und der **erzählten Zeit **auf widersprüchliche Aussagen zu meiner eigenen Denkweise gestoßen. Fast alle Internetquellen bezeichnen die erzählte Zeit als die Zeit, die in einem Roman oder einer Geschichte dargestellt wird und die Erzählzeit als Zeit, die zum Lesen der Geschichte/des Romans benötigt wird. Dies erscheint mir recht unlogisch, da die Geschichte ja schon beim Niederschreiben erstmals wirklich erzählt wird. Anschließend ist es nur die Wiedergabe. Welche Zeit soll hier angesetzt werden? Die Zeit zum Niederschreiben kann ja wohl nicht als Erzählzeit angesetzt werden, genauso wenig die Zeit zum Lesen. Jeder liest bzw. schreibt unterschiedlich schnell.
Hier von einer »Erzähltheorie« zu sprechen, erscheint mir wenig sinnvoll zu sein. Wenn man es genau nimmt, stellen schätzungsweise über 99 Prozent aller literarischen Texte die Zeit gerafft dar. Es ist der Normalzustand! Nur ganz wenige Vorgänge gehen so schnell vorüber, dass die (Wiedergabe-)Zeit für die Beschreibung gedehnt werden muss.
Beim Film sollte ja zumindest die Wiedergabe immer gleich schnell funktionieren. Zumindest ist es hier möglich, beispielsweise die Dramatik eines 100-Meter-Laufs von realen 10 Sekunden erzählter Zeit in 20 oder 30 Sekunden Erzählzeit, besser aber Wiedergabezeit, darzustellen.

Anders bei der Erzählzeit und der erzählten Zeit als Gestaltungsmittel eines literarischen Textes. Die Erzählzeit ist nach Dr. Melzer die Zeit, in der ein Erzähler sich als gegenwärtig darstellt und einen bewertenden Part im Text spielt; und die erzählte Zeit die Zeit ist, über die berichtet wird. Dabei gibt Dr. Melzer folgendes Beispiel:
Umberto Eco lässt in seinem Roman »Der Name der Rose« einen alten Mann erzählen, was er erlebt hat (erzählte Zeit), und wie ihn das geprägt hat (Erzählzeit).

Ich fühle mich mit der letzten Erklärung viel wohler, weil sie mir ein Gestaltungsmittel für meine Texte gibt und gleichzeitig eine akzeptable logische Erklärung bereitstellt.
Mit freundlichen Grüßen
Berti

1 „Gefällt mir“

Nun - prägen wir einfach leichter zu differenzierende Begriffe :slight_smile:
**Handlungs-Zeit: **
Die reale Zeit in der die ursprüngliche Handlung geschehen / abgelaufen ist.
Also z.B. für meinen geplanten hist. Roman 2340 bis 2200 v.Chr. bzw. evtl. konzentrierte Abschnitte daraus.

Dazu kann es verschiedene Ebenen geben. In “1001 Nacht” sind das ineinander verschachtelte Geschichten mit 2-4 Handlungs-Ebenen/Zeiten

Lese-Dauer → selbsterklärend :wink:

Außerdem fehlt noch die grammatikalische Zeit: oft als Tempus bezeichnet.

Ich würde das von der Begrifflichkeit nicht so eng sehen. Denn ich muß mir die wissenschaftliche Theorie (egal von was :wink: ) immer in meine verständliche Sprache “übersetzen”. Und manchmal sind die Theoretiker auch bewußt auf ihre eigene Definition der Begriffe bezogen - was in anderer Literatur zu Verwirrung führen kann. Darum ist es nicht unüblich, dass jeder wissenschaftliche Autor seine eigene Definition am Anfang des Themas vorstellt. Und das ist genau darum auch sehr sinnvoll. Wenn man dann die weniger sorgfältig recherchierten Artikel aus dem netz liest fehlen die sauberen Differenzierungen manchmal oder jeder verwendet eine andere Hauptquelle.

Fazit: Sammeln und eigene sauber differenzierbare Begriffsdefinition verwenden :wink:

2 „Gefällt mir“