Erzählperspektive

Ich hab so meine Schwierigkeiten damit. Beispiel:

Bisher wurde alles aus der Perspektive des Protagonisten Axel Beers erzählt.

Axel Beer hatte ein mulmiges Gefühl.

… dann der Satz:

Lutz Keller war überwältigt von den neuen Eindrücken.

Hab ich jetzt bereits die Perspektive gewechselt? Sollte man das vermeiden?

Natürlich könnte man schreiben: Lutz Keller war es anzusehen, dass er von den Eindrücken überwältigt war. - wäre aber umständlich, oder?

Aw: Erzählperspektive

Hallo Katze, :slight_smile:

Deine ‚Schwierigkeiten‘ werden sicher von vielen geteilt und am schwierigsten ist es immer beim eigenen Text. Aus der Distanz wage ich also mal die Einschätzung:

Der Protagonist Axel Beers kann doch feststellen „Lutz Keller war überwältigt von den neuen Eindrücken.“ Ebenso wie ‚war als erster besoffen auf der Party‘ oder ‚war zu Tränen gerührt‘ oder ‚ließ sich völlig gehen‘. Das ist kein Perspektivwechsel.

Bei einer Aussage wie ‚Lutz Keller wurde das langsam alles zu viel‘, wäre ich mir da nicht mehr so sicher.

fröhliches Formulieren! :smiley:

Aw: Erzählperspektive

Danke, McVail,

das hilft schon mal - auch, dass ich nicht der Einzige bin mit solchen Problemen.

  • also nicht gar so eng sehen, was die Perspektive angeht.

Bevor ich mir angetan habe, einige Schreibratgeber zu lesen, floss mein Text etwas leichter von der Hand. Inzwischen brüte ich über jeden Satz. Ob das so toll ist? :slight_smile:

Aw: Erzählperspektive

Hallo Katze,

ich brüte auch über jedem Satz und finde das absolut nicht gut. Schlecht schreiben (für den ersten Entwurf) ist irgendwie eine eigene Kunst, die ich überhaupt nicht beherrsche. Deshalb kann ich dich sehr gut verstehen.

Was die Perspektive betrifft: Doch, die solltest du sehr eng sehen. Ich finde Perspektivbrüche ziemlich schlimm und werfe ein Buch durchaus auch mal in die Ecke. Aber dein Satz ist so auf den ersten Blick kein Perspektivbruch. Da man theoretisch die Überwältigung eines Menschen von außen sehen kann, ist es keiner. Natürlich wäre es schöner, wenn du dem Leser in einem oder zwei Sätzen zeigst, woran Axel Beer erkennen kann, dass Lutz überwältig ist (Das ist kein Muss, aber würde das Problem des Verdachts auf Perspektivbruch ausbügeln: Axel Lutz brachte kein Wort hervor. Nur sein breites Lächeln verriet, … (etc.))

Deinen Alternativsatz halte ich (just my 2 cents) übrigens nicht deshalb für eine schlechte Lösung, weil er umständlich ist, sondern weil er eine unnötige Passivkonstruktion enthält (war es anzusehen - FALLS du so etwas schreibst, dann schreib lieber direkt: Axel Beer konnte es Lutz Keller ansehen …). Aber auch diese Formulierung ist überflüssig. Du steckst ja in der Perspektive einer Person drin. Damit ist zwangsläufig alles, was du beschreibst oder was irgendwie wahrnehmbar ist eben genau AUS dieser Perspektive. Deshalb kannst du deinen Satz so lassen, wie er ist.

LG

Rabenvogel

Aw: Erzählperspektive

Davon habe ich auch eine Menge gelesen, momentan aber ein Exemplar dazwischen, das fast 5 Sterne verdient hätte. Von Pia Helfferich ‘Grundlagen Kreatives Schreiben’ daraus ein kurzes Zitat zum Thema Problematisieren während des Schreibens:

Aw: Erzählperspektive

Hallo,

ich finde, damit hast du die Perspektive gewechselt, denn dass jemand überwältigt ist und selbst, dass Eindrücke neu sind, ist höchst subjektiv. Eine Ausnahme wäre, wenn der Leser weiß, dass Axel Beer entsprechend gut über das Innenleben von Lutz Keller informiert sein könnte.

In jedem Fall ginge: “Lutz Beer schien von den neuen Eindrücken überwältigt zu sein.” Jetzt wird der Interpretationsspielraum Beers deutlich.

Trotzdem hast du mit beiden Varianten nur behauptet, nicht gezeigt. Daher, und auch, um keinem noch so kritischen Perspektivpuristen unter deinen Lesern einen Grund zum Meckern zu geben, wäre es noch besser, wenn du etwas schreiben würdest wie: "Lutz Keller starrte mit offenem Mund auf den zitternden Brief in seiner Hand | auf die nackten, ineinander verschlungenen Leiber | die tanzenden Einhörner auf der mondbeschienenen Lichtung (also was immer ihm die neuen Eindrücke verschafft :wink: ).

Gruß

Linus

Aw: Erzählperspektive

Okay … bin jetzt doch fast so schlau wie vorher … Ich werde jetzt mein Gehirn abschalten und meine Fantasie laufen lassen.

Mal sehen, ob es klappt. Den Rest soll doch gefälligst das Lektorat hinbiegen. :smiley:

Aw: Erzählperspektive

Ist doch eigentlich ganz einfach: Falls dein Ziel ist, in jeder einzelnen Szene streng aus der 1. oder 3. *nahen *(im Gegensatz zu objektiven) Person zu schreiben, machst du die Augen zu und stellst dir die Szene einfach *immer *aus der Ich-Perspektive des perspektivgebenden Charakters vor. Der darf natürlich von Szene zu Szene wechseln, nur nicht innerhalb einer Szene, wenn du nicht im Head-Hopping-Stil oder auktorial erzählen willst. Alles was das “Ich” dann erlebt - im Beispiel also Du im Körper Axel Beers - und sieht, darf mit Gedanken, Gefühlen und Deutungen eingefärbt beschrieben werden, alles was die anderen Charaktere erleben, darf nur so beschrieben werden, wie man es in einem Film sehen würde, wenn die Kamera auf dem “Ich” festgetackert ist. Stell dir die Szene wirklich wie im Kino vor. Du musst dich in diesem Fall auf die Körpersprache verlassen, wenn du Gefühle/Gedanken anderer Charaktere wiedergeben willst. Den Rest macht dann der Leser für dich. Weniger gut ist es, wenn das “Ich” ständig Vermutungen über die Gefühlslage der anderen Charaktere anstellt, Leser fühlen sich dann schnell bevormundet, während sie es lieben, selbst auf Dinge zu kommen. Gut ist das nur dann, wenn du damit mehr über das “Ich” als über denjenigen, den das “Ich” beschreibt, aussagen willst.

**Beispiel **(die Namen habe ich mir ausgeborgt):

Der Glatzkopf kam zügig näher, verrenkte dabei den Hals abwechselnd so nach links und rechts, dass ich trotz der Entfernung meinte, die Halswirbel knacken zu hören. Glatze fixierte uns. Panik kroch mir den Nacken herauf, mein Mund trockenete binnen Sekunden aus und der Drang wegzurennen wurde übermächtig.

  1. Lutz neben mir hatte keine Angst vor Glatze. → falsch: Headhopping

  2. Lutz neben mir schien keine Angst vor Glatze zu haben → Ok, aber langweilig

  3. Lutz neben mir hatte keine Angst vor Glatze, zumindest schloss ich dies aus den schmatzenden Geräuschen, die er bei dem Versuch machte, irgendwelche Speisereste aus seinen Zahnzwischenräumen zu saugen. → Ok, aber überflüssig. Beobachtung und zugleich Deutung durch den Perpektivcharakter. Der Leser wäre zu demselben Schluss gekommen, auch ohne die Bevormundung.

  4. Lutz neben mir machte schmatzende Geräusche, bei dem Versuch, irgendwelche Speisereste aus seinen Zahnzwischenräumen zu saugen. → Ok. Nur objektive Beschreibung, der Leser kommt alleine darauf, dass Lutz eine coole Sau ist. Finde ich am Besten.

  5. Muskel-Lutz neben mir schien gar nichts zu fühlen. Natürlich, wie immer. → Ok. Der Perspektivcharakter fühlt sich Lutz körperlich unterlegen und tröstet sich damit, dass Lutz dafür emotional unterentwickelt ist. Kann man jetzt noch mit 4. kombinieren, ohne in das Problem von 3. zu laufen, da die Deutung dem Zweck dient, den Perspektivcharakter zu beschreiben und der Leser sich daher nicht bevormundet fühlt.

Augen wieder auf: Bei 1. Person kannst du es nun direkt so aufschreiben, bei 3. Person musst du nur beim Schreiben im Kopf aus “Ich” wieder Er/Sie/Es/Name machen. Manchmal hilft es auch, zuerst tatsächlich alles in der 1. Person aufzuschreiben und erst hinterher auf 3. Person umzuschreiben. Der Trick mit der imaginären 1. Person ist deshalb sinnvoll, weil man aus der Ich-Perspektive heraus intuitiv fast nie Perspektivfehler macht.

Gruß

Linus

Aw: Erzählperspektive

Ich bin überrascht, dass das so viele hier nicht als Perspektivwechsel ansehen. Für mich wäre es eindeutig ein Perspektivwechsel.

LG

Sheila

Aw: Erzählperspektive

Na ja, es gibt durchaus die Möglichkeit, dass der Autor aus der Perspektive von mehren Personen erzählt. Es gibt sogar den allwissenden Erzähler, der die Gefühlsregungen aller Personen kennt. … s. Ratgeber x,y.

Das Schlimmste, was man machen kann, ist, eine langweilige Geschichte zu schreiben. Fast so schrecklich ist es, eine unlogische Geschichte zu schreiben. Vor lauter „Vorschriften“ sollte man das nicht vergessen. :slight_smile:

Ich schreib jetzt meinen Jahrhundertroman weiter und kümmere mich dann vielleicht um den Kleinkram. :slight_smile:

Aw: Erzählperspektive

@ Sheila

Es ist ein Grenzfall. Dieser Satz KANN ein Perpektivwechsel sein, aber er ist es nicht zwangsläufig. Wie ich oben schon schrieb, wäre es natürlich besser, dem Leser die Reaktion des Charakters zu zeigen.

Aber es ist nicht deshalb zwangsläufig ein Perspektivwechsel, weil der schlichte Satz “er ist überwältigt” hier komplett ohne Zusammenhang steht. Letztendlich könnte es sich nämlich hierbei u.U auch nur um eine Zusammenfassung von Axels wahrgenommenen Reaktionen bei Lutz handeln, die er selbst in dem Wort “überwältigt” zusammenfasst. Das ist dann Axels Interpretation von Lutz. Ob der Lutz nun schauspielert oder wirklich überwältigt ist, das wissen wir als Leser durch Axels Perspektive nicht.

Wie gesagt … Grenzfall. Hin und wieder (man sollte es nur nicht zu oft tun), ist das auch gar nicht verkehrt, z.B. wenn man nicht von einer eigentlich anderen, wichtigen Sache ablenken will. Und manchmal ist es auch schlicht zu viel, ständig und immer ins Detail zu gehen. Wenn ich z.B. schreibe, dass ein Charakter die Straße entlang geht und dabei eine Gruppe fröhlich lärmender Kinder passiert, dann ist das fröhlich lärmend auch nur eine Zusammenfassung von Eindrücken. Da nun jetzt ins Detail zu gehen, was die Kinder genau machen … naja …

Aw: Erzählperspektive

Für mich ist es eindeutig ein Perspektivwechsel. Und obwohl Regeln nicht grundsätzlich in Stein gemeißelt sein sollten, finde ich diese unbedingt sinnvoll. Ich vermeide Perspektivwechsel innerhalb von Szenen. Wenn ich mich in den Leser versetze, erlebt man eine Szene zumeist aus der Perspektive einer Figur. Wechselt diese plötzlich, verwirrt das und stört den Lesefluss. Für mich stellt sich das Problem aber nicht wirklich. Ich erlebe die Szene beim Aufschreiben aus dem Blick meiner handelnden Figur und ich schreibe einfach nur auf, was diese sieht und denkt. Natürlich weiß ich als Autor, was die anderen Figuren empfinden, aber ich sehe es ausschließlich aus der Sicht der handelnden Figur. Man kann sich ein lustiges Spielchen daraus machen, die Gefühle einer anderen Person für den Protagonisten sichtbar zu machen und dann wird die Beschreibung auch plastischer.

Vielleicht so:

Axel Beer hatte ein mulmiges Gefühl, als er Lutz die Zentrale des neuen Raumschiffes zeigte. Er wollte seinen Freund nicht neidisch machen. Zum Protzen hatte er sich die General Products Mark III nicht gekauft. Lutz Beer fiel die Kinnlade herunter, als er seinen Blick über die Vielzahl von Schaltpulten, Bildschirmen und Bedienungseinrichtungen schweifen ließ. Er stöhnte und wurde bleich wie ein Zombie, der zuviel Zeit in der Arktis verbracht hatte. Verdammt, dachte Axel, der Junge muß aber ziemlich überwältigt sein.

Aw: Erzählperspektive

Für mich ist das auch ganz eindeutig ein Perspektivwechsel.

Wobei ich den Perspektivwechsel an sich nicht so eng sehe wie viele Schreibratgeber. Habe ich allerdings eine Geschichte, die komplett aus der Perspektive einer Person erzählt wird, und kommen dann satz- oder absatzweise völlig unvermittelt andere Perspektiven ins Spiel, weiß ich, dass der/die AutorIn hier eine Info rüberbringen wollte und das ohne den Perspektivwechsel nicht hingekriegt hat. Nichts, was mich von der Qualität des Geschriebenen überzeugt.

Aw: Erzählperspektive

Ich sehe bei Deinem Beispiel auch den Perspektivwechsel, und würde mir ad hoc wünschen, Herr Beer (und der Leser) könnten sehen, wie Herr Keller von seinen Eindrücken überwältigt wird.

@McVail Das von Dir angesprochene Zitat aus dem Buch von Pia Helfferich ist für mich plakativ und nah am schieren Unsinn. Für mich wäre das Zitat eher ein Grund, das Buch nicht zu kaufen, weil ich ganz andere Erfahrungen gemacht habe. Mag der Ansatz womöglich noch hinkommen, ist es in der dargelegten Form meiner Meinung nach sträflich, derartiges einem jungen Autoren anzuraten. Es führt dazu, das Handwerk auf dem Altar der Produktivität in Form von Anschlägen zu opfern. Da schüttelt es mich.

Aw: Erzählperspektive

@Marc-Alastor - es ging nicht um Produktivität, sondern um Schreibfluß, einen Zustand, in dem mancher unbedingt drin bleiben muss, weil er schlecht wieder rein kommt.

Aw: Erzählperspektive

Im Schreibfluss ist man, wenn der “innere Lektor” Pause macht. Ja, diesen Zustand gilt es zu pflegen, beizubehalten, nicht durch (in diesem Moment völlig unnötige!) Korrekturen zu unterbrechen. Pia Helfferich hat diesbezüglich völlig recht; der Schreibfluss muss Vorfahrt haben. Lektorieren kann man immer noch.

Aw: Erzählperspektive

Ich frage mich, was innerhalb der personalen Erzählstruktur überhaupt erlaubt ist. Muss ich in der Person drin sein? Darf ich aus ihrem Innenleben ausbrechen und mich praktisch auf ihre Schulter setzen? Bei meinem aktuellen Roman habe ich bestimmt ein paar Aussetzer. Mal zwei Beispiele, wo ich mir nicht sicher bin (Nicht zu sehr meckern. Alles noch in der Rohfassung :wink: ):

"*In Markus wirbelten unzählige, widerstrebende Gedanken umher. Ihm wurde auf schmerzliche Art und Weise am eigenen Leib bewusst, dass die Psyche des Menschen nicht damit umzugehen wusste, wenn man ihr das Fundament in existenziellen Fragen des Seins entzog. Wie konnte man akzeptieren, dass vieles von dem, was man von klein auf als Wahrheit betrachtet hatte, falsch war? Andererseits: Lag nicht auch darin der besonders Reiz des Lebens? Mussten sich nicht seine Helden auch immerfort andersartigen und überraschenden Situationen stellen? Doch es half nichts. Markus wurde schwindelig und er erbrach sich auf dem mit Laub bedeckten Waldboden. Edmond legte seine enorme Pranke beruhigend auf die Schulter des Teenagers: »Es ist gut, dass du noch so jung bist. Du wirst dich schnell an den Gedanken gewöhnen, dass die Welt nicht so ist, wie du immer geglaubt hast. Und ich fürchte, das war noch nicht alles, was ich dir sagen muss.« Mitleid erfüllte Edmonds blaue Augen, während er Markus behilflich war, sich aufzurichten. »Komm, lass uns ein Stück gehen, dann erzähle ich dir den Rest«, sagte er, hakte Markus unter und zusammen kraxelten sie schleppend den Hügel hinunter.

Der nackte Fels wich nach und nach einem schwer passierbaren Bewuchs.** Hier waren niemals Schneisen geschlagen worden, nie war das Land gerodet, oder durch künstliche Wege erschlossen worden. Unberührte, schreckliche Schönheit.** Doch so beschwerlich das Fortkommen auch war, Edmond fand instinktiv immer eine Lücke, durch die sie sich hindurchschlängelten*."

Oder wie sieht es mit reinen Beschreibungen aus? Ist das ein Ausbruch, aus der personalen Erzählstruktur?

Das Kellergeschoss des Gebäudes glich einem Hochsicherheitstrakt. Alle Türen waren durch Retinascanner vor unbefugtem Eindringen geschützt und zusätzlich von schwerbewaffneten Wachen flankiert. Jeder der Uniformierten trug auf seiner rechten Schulter das Emblem von Magnus Haus, die Standarte seiner Privatarmee: eine Krähe mit ausgebreiteten Schwingen, die ihre Krallen in ein Pergament mit dem Motto “Für das höhere Wohl” grub. Ein Zischen war zu vernehmen, als sich die unscheinbare Tür am Ende des Ganges öffnete. Der Raum war klinisch weiß gekachelt und roch nach Desinfektionsmittel. In der Mitte befand sich eine zweckentfremdeter Zahnarztstuhl, auf der sich ein junger Mann, er konnte nicht älter als achtzehn Jahre alt sein, in Todesangst wand.

Aw: Erzählperspektive

Das ist halt die basale Entscheidung, über die man sich VOR dem Schreiben klar sein muss. Wie möchte ich erzählen? Aus welcher Perspektive, wie soll der Erzähler aussehen? Liegt mir das? Kann ich das? Kann ich das durchhalten? Wichtig ist, dass dies stringent, durchgängig ist.

Geschichten, bei denen der Erzähler und vor allem die Art der Perspektive wechselt, sind verwirrend und gehen daher meist in die Hose.

Früher (und immer noch) war und ist die Perspektive meist die des neutralen Erzählers. Das ist auch, was man in vielen Schreibkursen angeraten bekommt.

Der Erzähler weiß nichts vom Innenleben der Figuren, er schwebt als unsichtbarer Engel über der Szene und beschreibt, was er sieht, ohne Emotionen und ohne am Geschehen teilzunehmen.

Gefühlsausdrücke passieren einzig über die wörtliche Rede “Ich bin sooo glücklich!” oder eine - immer noch neutrale - Beschreibung einer Emotion: “Er zuckte mit den Schultern.”.

Vorteil wie Nachteil des neutralen Erzählers: Die Geschichte selbst muss das Geschehen tragen. Der Autor selbst muss keine gewagten Wortspiele dauerhaft durchhalten, um den Leser mit mehr oder minder brillanter Schreibe im Buch zu halten - die Geschichte selbst macht’s. Die Kunst liegt hier im lebendigen Bild der Szene. Wenn man gelungen neutral eine Mimik beschreibt, ohne die inneren Gefühle zu beschreiben, hat das “Wucht”. Wenn die Szene so “lebt”, dass der Leser die Gefühle der Protagonisten “mitbekommt”, oder sie unter die Nase gerieben zu bekommen - das ist Kunst.

Könner dieser Perspektive sind Andreas Eschbach (dürfte bekannt sein ;)), Robert P. Parker, Raymond Chandler mit ihren “trockenen” Krimis und viele, viele, viele weitere Altmeister.

Als eine Stufe schwieriger gilt die Erzählung aus der Ich-Perspektive, denn wichtige Dinge kann man nicht einfach so einfügen - sie müssen ja dem Ich-Erzähler erst zur Kenntnis gekommen sein, damit er sie erzählen kann.

Die “Kamera” klebt quasi am Kopf der Hauptperson, was einen Block weiter an einem anderen spannenden Ort geschieht, kann nur per “Trick” erzählt werden (durch eine Erzählung einer dritten Person zu unserer Hauptperson, aktuell noch schwieriger, durch bspw. einen Anruf einer am fremden Ort befindlichen Person oder derlei).

Da hier einige Erfahrung vonnöten ist, wird Anfängern abgeraten, diese spannende Erzählform zu wählen - macht man’s doch, muss man sich halt durchbeißen.

Ein “Trick” ist hierbei, dass der ältere Hauptdarsteller seine Geschichte erzählt und daher in Rückblenden auch Parallelhandlungen bringen kann (“Wie ich damals erst später erfuhr, ging zu genau der Zeit in der Nachbarstadt eine Bombe hoch”). Das muss beherrscht sein und kann schnell als das wirken - und den Leser herausreißen - was es ist: Ein mehr oder minder billiger Trick.

Modernes (gekonntes) Beispiel ohne Rückblenden: Barry Eisler mit seinem “Tokio Killer” (auf Englisch noch besser - John Rain).

Ebenfalls sehr lesenswert, MIT Rückblenden des “alten” Erzählers: John Maddox Roberts, die SPQR-Reihe über einen Detektiv im alten Rom, oder auch Bernard Cornwell mit der Uthred-Saga aus der Zeit der Wikinger.

In letzter Zeit treten häufiger junge Autoren mit “allwissenden” Erzählern auf (für all das gibt’s auch schicke Fachtermini, die ich mal weglasse). Vorteil: Der Autor kann auch die Emotionen der Beteiligten schildern. Nachteil: Man muss das auch durchhalten. Rutscht man für eine Weile in den neutralen Erzähler, reißt das den Leser möglicherweise aus der Geschichte. Das muss gekonnt sein.

Aktuelle Autoren, die von diesem “allwissenden” Stil leben - humorig: Terry Pratchett. Düster mit brillantem “Hineinziehen”: Joe Abercrombie. Aber auch Goethe hat schon solche Werke in dieser Perspektive verfasst.

2 „Gefällt mir“