Hallo, Flip,
zum auktorialen Erzähler gibt es hier schon einige Beiträge. Darin wurde auch geäußert, dass der allwissende Erzähler, der Dir hier vorschwebt, eigentlich als etwas veraltet gilt. (Außerdem ist diese Art der Perspektive nicht sehr leicht zu meistern …)
https://papyrus.de/forum/threads/der-auktorialer-erzähler.8092/
Das gilt für den allwissenden Erzähler, der heute aber eher seltener verwendet wird.
Es gibt auch den personalen Er-/Sie-Erzähler. Er steht im Grunde zwischen dem Ich-Erzähler (der sich gewissermaßen im Kopf des Ich-Protagonisten befindet und all dessen Gefühle und Gedanken äußern kann) und dem auktorialen oder allwissenden Erzähler.
Der personale Erzähler sitzt quasi huckepack auf dem Protagonisten und bekommt dadurch gute Einblicke in dessen Lebenswelt und die Perspektive, aus der dieser die Geschichte erlebt, er kann aber nicht so tief in dessen Gefühls- und Gedankenwelt eindringen wie ein Ich-Erzähler.
Zu den Beispielen muss ich sagen, dass sie einen auktorialen Erzähler nicht eindeutig charakterisieren. Es könnte ebenso gut eine personale Perspektive sein, wobei die erste Variante eher “tell” (zerknirscht) und weniger “show” enthält. Aber das ändert noch nicht die Perspektive. Ein auktorialer Erzähler würde (nicht ständig, aber von Zeit zu Zeit) das Geschehen so kommentieren, dass dieser Kommentar außerhalb der Geschichte steht. (vgl. in dem oben angegebenen Link mein Beispiel von Terry Pratchett, in dem der Erzähler kommentiert, dass Hexen schnell trocknen. Das ist eine Information, die die Hexe selbst in dieser Form und an dieser Stelle nicht geben würde.
Übertragen auf Dein Beispiel könnte man den allwissenden Erzähler dadurch kenntlich machen, dass man eine Information einschiebt, die der Protagonist hier nicht wissen kann, z.B. "Zu oft hatte man ihm gesagt, dass er nicht schreiben kann (richtiger: konnte). Natürlich konnte zu diesem Zeitpunkt niemand - er am allerwenigsten - ahnen, dass er ein Jahr später einen Bestseller veröffentlichen würde.
Diese letzte Einmischung des Erzählers über seinen zukünftigen Erfolg kann der Protagonist zu diesem Zeitpunkt nicht wissen, weshalb deutlich wird, dass es sich um einen auktorialen/ allwissenden Erzähler handeln muss.
So, wie Du Deine Sätze formuliert hast, könnten sie sowohl als auktoriale als auch als personale Perspektive durchgehen. Das kommt häufig vor. Meistens kann man den Unterschied zwischen diesen beiden Perspektiven erst erkennen, wenn man ein gutes Stück des Romans gelesen hat. Aus kurzen Sätzen oder Absätzen ist das oft nicht herauszulesen.
Manchmal werden auch beide Perspektiven gemischt. Die meiste Zeit wird personal erzählt, aber gelegentlich schwenkt man kurz in die auktoriale Perspektive hinüber.
Ich denke, für Dein Projekt wäre eine personale Perspektive durchaus angemessen. Sie gibt eine gewisse Nähe zum Protagonisten und seinen Gedanken und ist dadurch weniger distanziert. Der Leser kann sich leichter mit dem Protagonisten identifizieren.
Vielleicht so?
Er saß auf dem Fenstersims, kaute an seinem Bleistift und starrte stirnrunzelnd auf die leere Seite auf seinen Knien. Die Leute haben recht, dachte er. Du bist ein mieser Autor. Sonst würde dir jetzt etwas Brauchbares einfallen!
Oder lieber allwissend?
Er saß auf dem Fenstersims, kaute an seinem Bleistift und starrte stirnrunzelnd auf die leere Seite auf seinen Knien. Er war so versunken in seine Arbeit, dass er nicht einmal bemerkt hatte, wie die Regentropfen gegen die Scheibe prasselten. Seit zwei Stunden saß er hier und hatte nichts weiter zustande gebracht als einen Haufen zerknülltes Papier auf dem Fußboden. Wahrscheinlich hatten die Leute recht, die ihn für einen miesen Autor hielten, wenn er es auch nicht wahrhaben wollte.
LG
Pamina