Erstes Kapitel für eine Mischung aus Sci-Fi und Fantasy

Hallo,

ich schreibe gerade an einer Mischung aus Science Fiction und Fantasy. Konkret ist das der Dritte Band, welcher sich, auf Basis der Kritiken zu Band I und II auf 2 Hauptcharaktere konzentrieren soll. Zum Hintergrund: Prinzessin Meris, die aus einer Zivilisation, welche 25% der Galaxie beherrscht, stammt, strandet auf einem unterentwickelten Planeten und arbeitet vorläufig als Heilerin (und später Beraterin des Königs) während sie auf den Frühling wartet um ein Gebirge zu einer Evakuierungsstelle zu überqueren. Was haltet ihr von den folgenden ersten Kapitel?

LG

Konrad

Meris zügelte ihren Rappen, ließ Serfs Stute aufholen. Noch immer schlummerte die Kraft des Alten in dem prächtigen Hengst.
Er sprang ab, hob sie mit höfischer Galanterie hinab in das Feld kobaltblauer Kornblumen. Wie schnell war doch der Frühling über das kahlgraue Land gekommen.
Lachend lief sie voraus, zog ihn an der Hand hinein ins saft ansteigende Blütenmeer. Keine zehn Meter vor der Hügelkuppe machte sie halt, ließ sich fallen, ohne seine Rechte loszulassen. Sie spürte sein Gewicht, als er auf ihr zu liegen kam, seine Finger unter ihrer Weste, die Lippen in den ihrigen vergrub.
„Nicht so schnell.“ Sie warf Serf ab, legte sich auf ihn. Sie rollten lachend den Hügel hinunter, bis die Schwerkraft ihnen im dichten Gras ein Bett fand. Meris schloss die Augen als ihre Lippen sich wieder zu einem Kuss vereinigten, presste sich an ihn.
„Mein König!“
„Meine Kaiserin!“
Ein anschwellendes Beben riss sie aus ihrer Umarmung. Der Lärm von Maschinen drang hinter der Hügelkuppe hervor. Meris richtete sich auf. Serf wollte sie zurückhalten.
„Komm!“ Sie versuchte, ihn auf die Beine zu ziehen.
„Bleib bei mir.“ Ihr geliebter Prinz konnte sie nicht gehen lassen.
„Komm mit!“ Sie stakste den Hügel hinauf, knüpfte sich Bluse und Weste zu. Er holte sie an der Kuppe ein, packte sie am Arm.
„Bitte. Ich liebe Dich.“
„Ich weiß.“ An seiner Brust prangte ein Emblem. Ein Elb, ein Mensch und ein Zwerg. „Kommt mit mir.“
„Ich kann nicht mit Dir gehen!“ Serf wandte sich um, pfiff nach seiner, neben ihrem Rappen grasenden Stute.
Meris hörte nicht mehr, schlenderte die restlichen Meter zum Hügelkamm. Zu ihren Füßen teilte sich das Blumenmeer unter schwarzen Stiefeln. Sie schloss die letzten Knöpfe ihres Uniformjacketts. Gleich war sie an der Spitze.
Tosender Jubel brandete ihr entgegen.
So weit das Auge reichte, war die ganze Ebene voller Soldaten. Ihre Waffen schwankten wie das Gras im Wind, als sie ihre Waffen zum Salut erhoben. Über ihnen schwebten Jäger und Landungsschiffe in Formation. Millionen, die bereitstanden auf einen Befehl hin, die Galaxis zu unterwerfen.
„Lang lebe die Kaiserin!“ Die Luft bebte vom Klang ihrer Stimmen.
Ein roter Teppich schlägelte sich den Hügel hoch und endete vor ihren polierten Stiefeln. Elessin kam herauf, kniete nieder, bot ihr auf einem samtenen Polster ein Schwert dar.
Das Schwert.
Das Zeremonialschwert des Hauses Sanguovit, Zeichen der Herrschaft der Kaiser Mereahs, seit die Welt noch jung war. Sie zögerte, sah zu Serf zurück.
„Lang lebe die Kaiserin!“ Erscholl es aus Millionen Mündern zugleich.
Meris ließ den Zeigefinger über die mit Gold und Schildpatt intarsierte Scheide gleiten.
„Nehmt ihr an?“ Rief der Admiral, auf dass die Männer ihn hörten. Anstatt einer Antwort zog sie das Schwert, streckte die gleißende Klinge zum Himmel.
„Lang lebe die Kaiserin!“ Die Ebene erbebte vom Jubel und Stampfen von Millionen.
„Lang lebe die Kaiserin!“ Am Firmament enttarnten sich Trägerschiffe in Formation.
„Lang lebe die Kaiserin!“
Als sie sich umwandte, war Serf verschwunden.

Meris fuhr mit einem Fluch aus dem Schlaf auf. 

„Nel! Niri!“ Die beiden Katzen auf ihrer Decke machten keine Anstalten der Maus nachzusetzen, die soeben gegen ihre Nase gelaufen war.
Anstatt der Öllampe zog sie ein Plasmaschwert unter dem Kissen hervor, tänzelte auf Zehenspitzen über den eisigen Boden zum erloschenen Kamin. Tanzte sie? Eine Berührung der gleißenden Klinge genügte, um das Feuerholz in Brand zu setzen. Die beiden Katzen strichen erwartungsvoll um ihre Beine. Meris steckte das Schwert weg, hob Nel, ein schwarzweiß geschecktes Weibchen in ihren besten Jahren hoch und presste einen Kuss auf die flache Stirn.
„Lass uns tanzen!“ Sie drückte das Tier an ihre Brust, wartete, bis die Musik in ihrem Kopf einsetzte. Eine Verbeugung nach rechts, ein Schritt, eine angedeutete Drehung. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Sie erreichte den Schrank am anderen Ende des Raums. Nel sah fragend zu ihr auf. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei. Sie beschloss die Bewegung mit einer Drehung, neigte sich, mit ausgestrecktem Bein die Balance haltend, bis ihre Stirn fast den Boden berührte, richtete sich mit einem Sprung auf. Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.
Noch vor wenigen Wochen hätte sie jeden ausgelacht, der ihr unterstellte, sich jemals nach Mereahs Bällen zu sehnen. Die leeren Gespräche, die Oberflächlichkeiten beim Tanz - Zeitverschwendung. Die Blicke der Männer, die eine Prinzessin plötzlich als Frau sahen – uninteressant.
Abendliche Empfänge boten ihr bestenfalls Gelegenheit zur Analyse ihrer Gegner und Spielfiguren.
Eins, zwei, drei, eins, zwei, drei.
Wäre er doch bei ihr gewesen. Gemeinsam über den spiegelglatten Boden schweben, ihre Rechte an seiner Schulter, seine, an das Schwert gewöhnten Hände an ihrer Taille.
Meris sprang, Nel eng an sich gedrückt in die Luft. Doch da war niemand, der sie mit einer galanten Geste absetzte, niemand, der ihre Landung auf den Zehenballen in eine Drehung wandelte, während das Lichtermeer der hundert Kristalllüster über ihr rotierte. Niemand außer einer Katze, die sich verzweifelt gegen ihr Gewand stemmte, bis sie das Tier in die Sicherheit eines Lehnstuhls entließ.
Der Saal verblasste und die Kälte des Granits ließ sie erschaudern. Den Steinboden zu ihrem Bett mit wenigen Pirouetten überwindend, schob sie ihre nackten Beine unter die Decke.
Wofür hatte sie sich das Rasiermesser ausbedungen? Ihre Schenkel, spielglatt nach endloser Fummelei mit der Waffe eines Kochs, würden noch lange keine fremden Hüften umschließen.
Sie war allein, in einem riesigen, von Spitzbögen gekrönten Zimmer, dessen stinkende Teppiche sie als erstes in den Schneesturm hinaus verbannt hatte.
Elben hatten ohne Mörtel so präzise Stein in Stein gefügt, dass nicht einmal die obligatorischen Mäuse dazwischen Platz fanden. Von der, im Laufe der Jahrhunderte durch einen menschlichen Zimmermann ausgebesserten Tür, konnte man das nicht behaupten. Ein Haufen abgetragener Kleider unter der Schwelle hielt wenigstens den Wind draußen. Im Sommer konnte man die Tür, sie ging auf einen überdachten Gang hinaus, offenlassen, genoss, von der Einsamkeit der obersten Etage des westlichen Wachturms, einen Blick über die blühende Steppe.
Meris hatte, von ihren beiden Katzen abgesehen keine Gesellschaft. Besucher kamen selten, und wenn, waren es die üblichen drei.
Garion, dessen Kräuterkunde mit dem Herbst erschöpft war, der sein immer gleiches Wissen wiederkäute, bis er einsah, dass sie seiner Gegenwart eher bedurfte als seiner Weisheit.
Tan, der die Tür offenließ und umso kürzer angebunden sprach, je mehr Zeit sie mit Serf verbrachte. Sie hatte mehrmals versucht, ihn in ein längeres Gespräch zu verwickeln, doch war sein Interesse daran mit der Hoffnung auf raschen Beischlaf verflogen.
Was eine Frau nicht alles wisse, hatte er betont, nachdem sie ihm anhand einer Skizze die Funktion einer elbischen Magazinarmbrust erläutert hatte. Dabei war das königliche Archiv voll technischer Risse, nach mereahanischem Konstruktionsstandard, welche die Schmiede der Menschen nicht mehr zu deuten verstanden.
Am Folgetag hatte sie ihm aus dem Gedächtnis ein dreidimensionales Explosionsdiagramm gezeichnet, woraufhin er eine Woche später mit einem Prototypen wiedergekommen war, dessen aus minderwertigen Stahl gefertigter Lademechanismus nach einer Salve gegen die gegenüberliegende Bastei zerbrach. Seitdem waren seine Besuche selten, bestenfalls hatte er sie zu seinem Vater eskortiert, der in Ermangelung eines Taschenrechners, auf ihre Fähigkeit, mehrstellige Zahlen korrekt im Kopf zu multiplizieren zurückgriff. Wenigstens bildete sie sich durch die Rechenübungen ein halbwegs vollständiges Bild der wirtschaftlichen Lage Jerburgs.

Ich bin mir nicht sicher, ob es eine gute Idee ist, mit einem Traum einzusteigen, der eine Art Zukunftsvision darstellt. Das hat mich erst einmal total verwirrt, weil die Geschehnisse eben einer Traumlogik folgen, nicht der realen, aber das kann auch daran liegen, dass ich die Bände I und II nicht kenne. Vielleicht ist für die, die den Rest kennen, ja auch sofort ersichtlich, dass es nicht die tatsächliche Umgebung ist, ansonsten ist es irgendwie eine Seite falsche Erwartungen, die dann gleich wieder umgerissen werden und man muss gewissermaßen zwei Mal ins Buch einsteigen.

Noch kurz zum ersten Einstieg (in den Traum):

Was für eine „Kraft des Alten“? Und dann musst du aufpassen mit den Pronomen. „Er sprang ab“ bezieht sich grammatikalisch gesehen auf den Hengst. Vielleicht kannst du das umschreiben, dass nicht der Fokus von Meris - Hengst - Serf(s Stute) - Hengst - Serf wechselt.

Diese Fokuswechsel sind irgendwie an mehreren Stellen drin, auch am Anfang vom zweiten Teil, wenn sie aufwacht. Über diesen Einschub

bin ich auch wieder gestolpert. Wer fragt? Sie sich selbst? Und überhaupt, sie steht morgens auf und fängt an zu tanzen? Nachdem sie aus einem Traum mit bitterem (?) Ende auf (Serf ist verschwunden), ihr läuft eine Maus gegen die Nase (Will man wissen, wie das passiert ist? Trauen sich Mäuse so dicht an schlafende Leute ran?), und ihr ist wohl kalt, dass sie erst einmal Feuer anmacht, aber dann ist sie so guter Dinge, dass sie sich eine Katze greift und mit ihr zu tanzen anfängt. Das wäre viel besser nachvollziehbar, wenn sie vorher von einem Ball geträumt hätte und den Tanz gewissermaßen noch in ihren Knochen spürt, wenn sie aufwacht.

Dann hast du in dem Abschnitt auch gleich sehr viele Details drin.

Sie wird ja wohl keine Öllampe unter ihrem Kissen haben und auch, wieso „anstatt“? Ist das mit dem Plasmaschwert ein unüblicher Schachzug? Ist der so unüblich, dass man betonen muss, dass er unüblich ist oder kann man „anstatt der Öllampe auch streichen? Muss ich gleich am Anfang wissen, welche Farbe und welches Alter die eine Katze hat? Spielt es direkt eine Rolle, dass sie sich die Beine rasiert hat (durchaus, wenn es eine stark romantische oder erotische Geschichte ist).

Das Nachsinnen über die Bälle, die sie vermisst, finde ich nicht schlecht, um ihre Situation zu verdeutlichen, genauso den Kontrast zu dem dürftigen Zimmer. Es sollte nicht zu viel Beschreibung danach noch kommen, bevor irgendetwas an Handlung losgeht.

Ich kann mir vorstellen, dass das ein sehr interessantes Setting ist („elbische Magazinarmbrust“ finde ich cool). Zu der Story selbst kann ich nichts sagen, weil ich da, wie gesagt, nicht genug zu weiß, aber für einen Einstieg wäre mir das ehrlich gesagt alles noch etwas zu wirr, teilweise.
Ich hoffe, du kannst mit der Rückmeldung was anfangen :smiley:

Hallo,

vielen Dank, Du hast recht, der Abschnitt enthält zu viele Verweise auf die vorhergehenden Bände, die ich so weit wie möglich in einem Prolog abhandeln werde.

  • Meris ist eine Prinzessin aus einem Reich, welches sich mit Raumschiffen über die Galaxis ausgedehnt hat, sie träumt im Wesentlichen von der Armee die ihr in ihrer Heimat unterstellt ist.
  • Die „Alten“ sind eine Spezies von Göttern. Die Übertragung von magischer Energie auf andere Wesen ist Teil des Magiesystems.
  • Ok, die Überleitung zum Tanzen passt wirklich nicht.
  • Wegen der Mäuse: gute Frage, ich saß in meiner Burg mal mit einer Maus bei Tisch.
  • Stimmt, die Öllampe gehört aufs Nachtkästchen, das Plasmaschwert ist im Kontext der Geschichte eine Art ALDI-Version eines Laserschwerts für 500€. Trotzdem benutzt man so was nicht als Feuerzeug.
  • Der Charakter entwickelt im Verlauf der Geschichte eine Persönlichkeitsspaltung zwischen einem Teil der die Welt regieren will („die Fürstin“) und einem, der für die triebhafte Seite („Merischen“) steht. Details wie die rasierten Beine stehen immer wieder dafür, wie Merischen, wenn sie die Oberhand gewinnt, die Geschichte vorantreibt. Z.B. leidet Serf an motorneurolaner Degeneration, wodurch im Schlafzimmer nichts möglich ist, Merischen will aber um jeden Preis wieder *** und so weiter.

Aber Du hast recht, ich schiebe ein anderes Kapitel vor, in welchem man nicht mit einer Mischung aus Traum und Realität einsteigt.

LG

Konrad

Hallo,

was haltet ihr von dem folgenden ersten Kapitel, bitte ignoriert Grammatik/Rechtschreibfehler, es ist nur ein Entwurf:

Pferde und Menschen dampften in der schneidenden Morgenluft. Meris trat auf den Hauptplatz hinaus und fand einen Platz zwischen zwei Männern, von denen der Seidenweber Agos Sie erkannte und eine Reihe weiter vorließ.
Ihre Finger verkrampften sich um den eisernen Becher, welcher die beste Näherung von Kaffee enthielt, die man nördlich der Gnis Ferrungis auftreiben konnte. Die rund zweihundert Bürger, großteils Händler und Handwerker hatte sich inmitten des ersten Hofs um eine Empore gruppiert, in deren Mitte ein Mann in einer demütigenden Pose, mit zum Himmel ausgestrecktem Hinterteil, an einen Pflock gebunden war. Ihr Blick fand den Grafen Durelle, der zwischen zwei Fachwerkhäusern auf einem grauen Hengst ausharrte.
„Was ist hier los?“ Fragte Sie den Seidenweber.
„Sie haben einen Dieb geschnappt, Mylady.“
„Was soll er denn gestohlen haben?“
„Fünf corricanische Dinar aus der Tasche unseres geliebten Grafen.“ Aus den Worten des Mannes sprach Sarkasmus.
„Und was passiert jetzt mit ihm?“
„So weit ich Durelle verstanden habe, wird er ausgepeitscht.“
Meris drehte sich zu Garium um, der, als Elb Resistenz gegen Kälte zumindest vortäuschend, mit gleichmütig herabhängenden Armen hinter ihr ausharrte. Wahrscheinlich war das der Augenblick, in dem eine Schülerin die Erwartung äußern sollte, von ihrem Meister zu lernen. Freilich war Garion kein besonders kompetenter Meister und sie keine besonders fügsame Schülerin.
Der Henker, ein Mann, den Sie trotz der Kapuze als einen der Gardisten aus Durelles Hausgarde erkannte, zückte einen Rohrstab vom beachtlicher Länge und ließ ihn mit ganzer Kraft auf das entblößte Hinterteil niedersausen. Der Gepeinigte schrie vor Schmerz auf, als seine Haut aufplatzte.
„Ich kann das nicht mit ansehen.“
„Wartet, Ihr könnt nicht einfach so…“ Garions Worte gingen im Lärm der Menge unter, als sie sich an das Schaffot herandrängte.
„Aufhören!“ Rief sie, ehe der Henker ein weiteres Mal zuschlagen konnte.
„Misch Du Dich da nicht ein, Weib!“ Schrie Durelle von seinem Pferd herüber. Meris schlug die Kapuze zurück.
„Ah, Fürstin ihr seid das, vergebt mir, ich hielt Euch für eine andere.“ Damit vollführte er im Sattel eine Verbeugung, die gerade einmal den protokollarischen Mindeststandard erfüllte.
„Was hat dieser Mann verbrochen?“
„Er hat fünf corricanische Dinar gestohlen.“
„Warum?“
„Er behauptet, ich hätte seinen Lohn zurückgehalten.“
„Und das ist wahr?“
„Wen kümmert es, ob der Lohn eine Woche früher oder später kommt?“
„Die Astronomen, welche uns den Kalender geschenkt haben?“
Das Volk nahm die schlechte Pointe dankbar an und schenkte ihrem Grafen ein für diesen offensichtlich unangenehmes Gelächter. Durelle lief rot an und zeigte mit der Reitgerte auf sie.
„Lachen als Therapie, ist das eure neue Medizin?“
„Ich habe nichts zu lachen, wenn ich ausgepeitschte Gesäße verbinden muss. Wer hat ihn überhaupt verurteilt?“
„Die niedere Gerichtsbarkeit obliegt dem hohen Adel, wie ihr unweigerlich wisst.“
„Und hat der hohe Adel ein entsprechendes Verfahren initiiert? Wurden Zeugen befragt? Hat er sich einen Anwalt geholt? Wir sprechen hier immerhin vom Gegenwert von drei Pfund Äpfeln.“
„Nein natürlich nicht, für diese Lappalie benötigt es doch kein Verfahren.“
„Eine solche Lappalie verdient auch keine Blutvergiftung, von der Demütigung ganz zu Schweigen. Elastro, nehmt die Kapuze ab, und bindet den Mann Los. Nur ein Blinder würde euren Gang verkennen.“
Der demaskierte Henker blickte fragend zu seinem Grafen hinüber, bis dieser nickte.
Meris drückte einem der Umstehenden ihren Becher in die Hand und kletterte auf das Podest.
„Wart Ihr nicht vor zwei Tagen mit eurer Frau bei mir?“
„Ja.“ Der Mann hielt sich seine schmerzende Rückseite.
„Damals konntet ihr noch bezahlen.“
„Fünf Dinar für Anyas Untersuchung.“
„Und Ihr habt den Betrag gestohlen?“
„Seit der Vorwoche schiebe ich doppelte Schichten im Stall. Also seit ich weiß, dass sie schwanger ist.“
„So etwas wie Du sollte keine Kinder haben.“ Rief Durelle vom Pferd herüber.
„Und so etwas wie Ihr, mein Graf, sollte sich an das Wort halten, dass er seinem Diener gibt. Wo kommen wir hin, wenn man sich nicht einmal auf das Wort seines Dienstherrn verlassen kann?“ Das Murren der Menge gab ihr Recht. Wie so oft in der Geschichte brauchte ein unzufriedenes Volk nur einen Anführer.
„Diebstahl bleibt Diebstahl.“
„Und Sava hatte Gelegenheit, Euch die fünf Dinar zuzüglich der vorgeschriebenen Strafe zurückzugeben?“
„Fünfundzwanzig Dinar? Der Hund hat nicht einmal fünf.“
„Und ich hätte ihm die Behandlungsgebühr hoch gestundet, oder Erlassen, wenn ihr, Sava Euch dazu geäußert hättet. Dennoch verlangt das Gesetz, dass Einem des Diebstahls Beschuldigten, Gelegenheit geboten wird, die Summe aufzutreiben. Habt ihr ihm diese Gelegenheit geboten?“
„Nein, natürlich nicht, ich habe ihn heute ertappt und gleich auf den Platz geschleppt. Fünf Hiebe sind noch das Mindeste für so einen Lumpen!“
„Und dennoch sieht Paragraph 271 des Jerrburger Strafgesetzbuchs vor, dass dem Dieb eine angemessene Frist zu setzen ist, innerhalb derer er diesen Betrag Beispielsweise von Freunden oder Bekannten ausborgen, oder nicht lebensnotwendige Güter veräußern kann.“
„Herr, soll ich das nachprüfen?“ Ein dürres, grauer Mann, dessen Umhang mit dem Fell des Pferdes verschmolz, Coba, zerrte einen Kodex, der mehr zu wiegen schien als er selbst, aus der Satteltasche.
„Lass gut sein, es ist nicht das erste Buch, welches unsere Fürstin auswendig kann. Also, wer von euch Hunden hat 24 Dinar?“
Er trieb das Pferd an das Podest heran. Natürlich würde er sich das Gesicht des ersten Spenders merken. Die Summe, so klein Sie auch sein mochte, unter diesen Umständen zusammenzubringen, war angesichts ihrer Furcht illusorisch. Ihre Blicke tragen sich. Natürlich war die ganze Szene nicht mehr als ein willkommener Anlass, dem Volk seine Stellung in Erinnerung zu rufen. Und wie Durelle erwartet hatte, kniffen sie. Wie er es geahnt hatte, führte die Furcht, den ersten Schritt zu machen, zweihundert Männern ihre Schwäche vor Augen.
„Seht Ihr, Fürstin, was Eurem Pack sein Stammesbruder wert ist? Keine 40 Pfund Äpfel, wie ihr seht.“

„Fünfzehn, ehe Ihr neben den Astronomen, auch noch die Mathematiker beleidigt.“ Sie griff die Tasche und warf ihm ihren Beutel hin. „Seht zu, dass Euer Adlatus bis vierundzwanzig zählen kann, ehe ich für dreitausend Dinar Anklage erheben muss.“
„Die graue Gestalt hastete heran und reichte ihr alsbald den erleichterten Beutel.“
Sie hätte es dabei belassen können, nach Hause gehen, Savals Hintern verbinden und einen weiteren Tag als Heilerin dienen. Eine langweilige, unpolitische Frau, welche die Tage zu ihrer Heimkehr nach Mereah zählte. Aber wie oft hatte sie schon Gelegenheit, die Grenzen ihres Einflusses zu ermitteln? Durelle tänzelte immer noch auf seinem Pferd herum und zwang gestandene Männer mit seinem Falkenblick die Augen zu senken.
„Und nun schert euch von dannen, ehe ich das restliche Geld in etwas Obst investiere.“
„Die Investition war nicht einmal notwendig. Ein Apfel kam aus der Menge geflogen und traf Durelles Pferd von hinten, so das es aufstieg. Die Menge lachte.
„Ihr hetzt das Volk gegen mich auf, Heilerin?“
„Wisst ihr, wie lange so eine Wunde heilt? Was sind dagegen ein paar Flecken auf eurer blutroten Weste?“
„Droht Ihr mir etwa?“
„Seine Hand zuckte nach dem Schwert. Meris kalkulierte die Entfernung zwischen ihnen. Falls er zog würde sie zurückspringen und, da der erste Schlag vom Pferd aus, sie nicht erreichen konnte, den Zweiten parieren. Ja, die zweihundert Männer warteten nur auf so einen Anlass. Sie waren feige, aber wenn eine Anführerin die Verantwortung auf sich nahm…
„Nachdem Ihr die Gerichtsbarkeit vertretet, würde es Euch lediglich daran erinnern, Gesetze selbst einzuhalten.“
„Ich zeige Euch, welches Gesetz hier gilt!“
Die Waffe fuhr knirschend aus der Scheide. Meris machte sich bereit auszuweichen, zwang sich aber gleichzeitig ruhig zu erscheinen. Welche Prinzessin Venkalianei wich bitteschön vor einem Arthrosekranken mit einem Blechschwert zurück? Ein weiterer Apfel kam geflogen, brachte das arme Tier vollends aus dem Konzept. Selbst wenn Durelle in Reichweite wäre könnte er vom scheuenden Hengst niemanden treffen.

„Habt Ihr Euch das Pferd eure Tochter ausgeliehen? Oder geht euer Schlachtross lediglich nach dem Herrn?“
„Wagt es noch einmal und…“
„Genug Jetzt!“ Schrie eine wohlbekannte Stimme vom des Platzes herüber. Graf Nagrina hielt dort auf einem, sichtlich unangenehm berührten Rappen, der, den Mangel an Contenance seines Artgenossen vor Augen, die Schnauze im Hafersack vergrub.
„Schön, dass Du Dich sehen lässt, hast Du gehört, was die Heilerin…“
„Ich sagte genug. Der Mann hat seine Strafe erhalten, und Du Dein Geld.“ Die Blicke der beiden Männer verhakten sich ineinander, bis Durelle klein beigab.
„Geht in die Klinik, Saval, und sagt, dass Arelle Euren Hintern auf meine Rechnung verbinden soll.“
Meris sprang vom Podest herunter, dankte ihrem Becherhalter, und machte sich mit dem erkaltenden Getränk auf den Weg zur Schmiede. Garion schloss nach wenigen Schritten zu ihr auf.
„Sieht so für Euch Nichteinmischung aus?“
„Ihr sprecht immer davon, das ein Herrscher die Welt durch das Gesetz ordnen soll, und jetzt fordert ihr, dass ich zusehe, wie ein Vertreter der Gerichtsbarkeit den eigenen Kodex um des persönlichen Vergnügens willen mit Füssen tritt?“
„Ihr wolltet so rasch wie möglich in den Süden verschwinden, und jetzt hetzt ihr hier das Volk auf? Wenn Ihr den König stürzt, wer soll dann regieren?“
„Idealerweise der Kaiser von Mereah, zumindest liegt Teravast in unserem Quadranten der Galaxis.“
„Und seht ihr den Kaiser irgendwo?“
„Ich sehe die Cousine der Kaiserin jeden Morgen im Spiegel, und so lange Rhennios keinen Gouverneur schickt, wird dieses Volk sich mit mir begnügen müssen.“
„Also habt Ihr Euch endlich entschieden, zu bleiben?“
„Jetzt fangt nicht schon wieder damit an. Meine Schwester braucht mich, und ich werde im Frühling, sobald der weg frei ist, aufbrechen.“
Ihr Blick schweifte über die Zinnen der Wehrmauer hinweg, wo in der Ferne die in Eis gekleideten Gipfel der Gnis Ferrungis mit den Schneewolken rangen. Noch drei monate.

„Eure Rede hat mich beeindruckt.“ Nagarina schloss zu ihnen auf. Im Gegensatz zu Durelle saß er, trotz seines fortgeschrittenen Alters, sogleich ab und drückte einen Kuss auf die Luft oberhalb ihrer Hand. Der Grad mimte auch mit siebzig noch den perfekten Galan. Gerüchten zu Folge hatte er vor dreißig Jahren sein Piratenschiff gegen ein Stadtpalais und ein kleines Vermögen gegen den Grafentitel, der ihm Straffreiheit verlieh, getauscht.
„Und es stört Euch nicht, dass ich euren Standesgenossen lächerlich mache?“
„Warum sollte es? In bin der Letzte, ein veraltetes Gesetz aus der Zeit eines Tyrannen zu verteidigen, aber wenn man das Volk gegen sich aufbringt, dann nicht für fünf Dinar.“
Sie passierten eine Gruppe von Schreinern, die den klaren Wintertag nutzten, um das Fahrgestell eines Wagens auf der Straße zusammenzuziehen. Die Männer verbeugten sich vor Nagarina und nickten ihr freundlich zu.
„Glaubt Ihr nicht, Fürstin, dass unsereins mehr Distanz zum Volk halten sollte?“
„Sollten wir nicht den Willen des Volkes ergründen, um uns nicht selbst auf dem Schafott wiederzufinden? In meiner Heimat gibt es dafür eine eigene Institution, in Jerburg - nun, es ist Eure Stadt, nicht die meinige.“
„Ihr habt es selbst gesehen. Selbst wenn der Pöbel kocht, rührt er sich ohne Anführer nicht vom Fleck.“
„Warum erzählt Ihr mir das?“ Meris blieb vor einem Käsestand stehen und warf einen Blick hinter die Theke. Alles sauber und ordentlich. Die Händlerin, eine Mittvierzigerin namens Igrana, nickte. Sie gingen weiter.
„Das wisst Ihr sehr wohl. Man kennt Euch, sei es auch nur, weil Ihr dafür sorgt, dass nicht jeder zweite vom Dreck auf diesem Markt Durchfall bekommt.“
„Und Ihr fürchtet, dass ich mich an die Spitze eines Volksaufstands stelle?“ Sie lachte. „Eine Prinzessin aus einem der ältesten Adelshäuser der Welt? Ich werde Jerburg verlassen, sobald die Berge schneefrei sind, mein lieber Graf. Schönen Tag noch.“