Ich mir gerade die Füllwortliste durchgelesen und habe mich dabei gefragt, warum das Wort “erwidern” als hellseherisch markiert ist? Eine Erwiderung ist zumeist ein objektiv sichtbarer Vorgang.
Aber dabei bin ich auf etwas anderes gekommen. “Erwidern” ist in der Tat ein furchtbar hässliches Wort, das man vermeiden sollte und das man leider relativ häufig als unnötiges Synonym für antworten antrifft. Generell legen viele die Thesauritis, die sie ab der vierten Klasse eingetrichtert bekommen, nicht mehr ab, v.a. in Bezug auf Redeverben. Man soll ja nicht immer “sagen” sagen. Leider lesen sich dann Dialoge teilweise so:
“Hallo”, begrüßte er sie.
“Guten Tag”, erwiderte sie.
“Wie geht es Ihnen?”, fragte er.
“Gut”, antwortete sie.
“Sie sehen schön aus”, teilte er ihr mit.
“Danke,” erwiderte sie.
“Einen schönen Tag noch,” wünschte er ihr.
“Ebenfalls”, entgegnete sie.
Autoren arbeiten regelmäßig sehr viel mit Dialogen. Dabei rutscht auch oft ein “sagte er” hinein, an einer Stelle an der es eigentlich unnötig wäre, da sich aus dem Kontext ausreichend ergibt, dass genau er es ist, der diese Worte spricht. Noch schlimmer wird es, wenn Autoren versuchen durch Synonyme für “sagen” Wortwiederholungen zu vermeiden (vielleicht tragen die in der Stilanalyse angemerkten Wortwiederholungen für sagen ja sogar noch dazu bei, dass dies verstärkt gemacht wird). Dann kommt ein Dialog wie der obere dabei heraus, der durch die ausgelebte Thesauritis auch wunderbar die Wortwiederholungsprüfung umgeht.
Prinzipiell gibt es an “sagte er” nichts auszusetzen. V.a. sollte man nicht versuchen, durch Worte wie “erwidern” vermeintliche Abwechslung hinein zu bekommen. Stilistisch ist es aber m.E. immer am besten, sie nur dann einzusetzen, wenn sie zum Verständnis wirklich notwendig sind oder wenn sie eine zusätzliche Information (Tonfall, Ironie, etc.) enthalten. Ansonsten sollte man sie m.E. vermeiden. Also statt: Er drückte ihr ein Buch in die Hand und fragte: “Hast du das schon gelesen?” “Nein,” antwortete sie. → "Er drückte ihr ein Buch in die Hand: “Hast du das schon gelesen?” - “Nein.”
Da Dialoge nun wirklich alltäglich sind und man hier stilistisch durch unnötig komplizierte oder oft gänzlich unnötige Redeverben viel unschönes produzieren kann, wäre das m.E. eine sehr sinnvolle Ergänzung zur Stilanalyse. Mit Redeverben verhält es sich genauso wie mit vielen anderen Elementen der Stilanaylse, die man natürlich nicht gänzlich streichen sollte, aber oft sind sie vermeidbar und meistens ist es dann stilistisch besser, man lässt sie weg.
Natürlich ist es bereits momentan möglich Redeverben einfach für sich in die Füllwortliste (z.B. als sonstige) aufzunehmen (was ich auch für mich tun werde). Aber ich könnte mir vorstellen, dass das für alle eine sinnvolle Erweiterung ist, wenn die Stilanalyse generell Redeverben anstreicht. So kann man dann überprüfen: Ist das “sagte er” an dieser Stelle wirklich nötig oder kann ich es auch weglassen, ohne dass der Dialog unklar wird. Oder ich habe viele Redeverben innerhalb eines kurzen Abschnitts. Auch wenn sie nötig sind, weil viele Personen am Gespräch beteiligt sind: Kann ich vielleicht das ein oder andere irgendwie dennoch ersetzen, in dem ich den Sprechenden statt dessen eine andere Handlung gebe (und sei es nur ein Kopfschütteln oder ein Nicken), an die ich das Zitat direkt anschließen kann.
Deswegen der Vorschlag: Redeverben als weitere Unwort-/Füllwortkategorie in die Stilanalyse.
Was haltet ihr davon?