So arbeitest du. **Mein **erster Entwurf ist hingegen nah am fertigen Text. Ich überarbeite beim Schreiben schon alleine zweimal. Ich würde durch ein Zehnfingersystem überhaupt keinen Geschwindigkeitsvorteil haben, da bei mir das Denken und das Feilen so lange dauern, dass ich in der Zeit ganze Kapitel tippen könnte. Kann ich aber nicht, weil das Denken so lange dauert. Mein Hemmschuh ist nicht das langsame Tippen.
Und ganz nebenbei bemerkt, wenn ich meine Freundin mit ihren zehn Fingern sehe, wie oft sie zurück und was korrigieren muss, da bin ich mit meinen dreieinhalb Fingern allemal genauso schnell.
Ich finde, beim 10-Finger-Schreiben geht es keineswegs nur um Geschwindigkeit. Die ist für das Tippen beispielsweise von Diktaten sicher von sehr großem Vorteil. Ein wichtiger Aspekt ist für mich aber auch die Konzentration. Da der Mensch immer nur ein Ding bewußt angehen kann und alle weiteren parallelen Tätigkeiten automatisiert ablaufen müssen, kann das gekonnte (sprich automatisierte) Schreiben mit 10 Fingern durchaus Kapazitäten freisetzen. Auch, oder gerade, beim langsamen und konzentrierten Schreiben
Ich brauche das Tippen aber nicht nur, um Romane zu schreiben, sondern auch für E-Mails und für meinen Job. Und da muss ich oft gar nicht so lange nachdenken. Da ist es supernützlich, wenn ich möglichst schnell tippen kann, um die E-Mail-Flut zu beantworten oder andere schriftliche Arbeiten am PC zu erledigen.
du antwortest auf den vieltraktierten – und generalisierend ausgelegt: idiotischen – Hemingway-Satz …
… womit du m.E. den Kern der Sache triffst, weil die Arbeitsstile natürlich differieren. – Das ist ja keinesfalls nur beim lit. Schreiben so, sondern fast überall.
So, wie du deinen eigenen Arbeitsstil beschreibst, finde ich dabei auch meinen gespiegelt und stimme dir deswegen prinzipiell zu; wobei ich sagen möchte, daß sich bei mir ein Wandel vollzogen hat im Lauf des Prozesses, weil ich früher oft sehr schnell viel in die Tastatur gehackt habe … also ähnlich wie von @Pamina22 beschrieben vorgegangen bin, dieses Verfahren aber peu a peu verändert habe, weil es mir mehr und mehr ineffektiv erschien. Mal äußerst kursorisch ausgedrückt: Der Denk- und Feilprozeß, den du schon als initiales Moment heraushebst, setzte dann halt hinterher gleichwohl ein und nötigte daraufhin zum ausufernden Gebrauch der selbstzensorischen Machete, was am Ende vielleicht eher noch aufwändiger war als gleich reflektierter zu Werke zu gehen.
Daneben mögen auch noch andere Aspekte mithineingewirkt haben. Man wird älter, erlangt womöglich auch etwas mehr Reife und kann dann die Geduld aufbringen, den Gedanken Raum zu geben, also gleich beim Niederschreiben, meine ich …
Was @sbraun anmerkt, halte ich trotzdem für sehr bedenkenswert, wobei mir scheint, daß es (wohl weitgehend) unerheblich ist, ob jemand “gelernt” im Zehn-Finger-System “automatisch schreibt” oder eher die ecriture sauvage wie bei dir und mir vorherrscht. Will sagen: Der Automatismus stellt sich auch bei Kreiselfingersystemen ein – und mich dünkt in diesem Zusammenhang außerdem: worauf dabei die Augen gerichtet sind, ist mehr oder weniger gleichgültig (denn wer denkt schon mit den Augen?); das “lit. Denken” – so entsprechende Fähigkeiten zur Verfügung stehen – entfaltet sich unabhängig davon sehr, sehr frei.
es bleibt dir unbenommen, das so zu sehen; kratzt allerdings (bis zum Erweis des Gegenteils) nicht an meinem Urteil, dem ja – vom Vorpost ablesbar – das … Argument zugrundeliegt, es gebe individuelle Schreibstile und damit ganz gewiß auch unterschiedliche* first drafts* … – Von daher kann ich im Augenblick nicht erkennen, woher Hemingways Aussage irgendeine allgemeinverbindliche [sic] Kraft zuwachsen könnte. Will sagen: Daß er ein Egomane war, ist bekannt. Und daß Egomanen dazu neigen, die je eigenen Erfahrungen verallgemeinern zu wollen, dürfte auch nicht gänzlich unrichtig sein …
Und was … ähm … "den Leser" angeht, so weiß ich nicht, wer (oder was) das sein soll. Derlei Verallgemeinerungen sind nach meinem Verständnis literarischem Schreiben eher ab- als zuträglich. Ob wohl Thomas Bernhard “den Leser” im Blick hatte, als er an seinem *Der Untergeher *schrieb? Und ob ihn wohl beim Schreiben dieser Story das Bedürfnis antrieb, die Geschichte “geliebt zu sehen”? Oder sollte Letzteres z.B auf J.M. Coetzee zutreffen, als er an Schande arbeitete? Viele Rezensenten haben diesem Werk die Referenz erwiesen – ich tu’s auch! --, aber ich finde nicht, daß sie alle diese Geschichte “lieben” würden … – Ich “liebe” sie auch nicht. Eher wirkt sie auf mich wie ein schmerzender Stachel im Fleisch. Kann man sie überhaupt lieben?
“In der Theorie verstehen wir die Menschen, aber in der Praxis halten wir sie nicht aus, dachte ich, gehen mit ihnen meistens nur widerwillig um und behandeln sie immer von uns aus gesehen. Wir sollten die Menschen aber nicht von uns aus gesehen, sondern von allen Blickwinkeln aus gesehen betrachten und behandeln, dachte ich, mit ihnen auf solche Weise verkehren, daß wir sagen können, wir verkehrten mit ihnen sozusagen vollkommen auf unvoreingenommene Weise, was aber nicht gelingt, weil wir tatsächlich immer jedem gegenüber voreingenommen sind.”
Nun - dafür braucht man nur mal diverseste frische Manuskripte zu sehen, und/oder Schreibkurse bspw. bei der Bundesakademie für Autoren mitzumachen.
Da sitzen bei der Besprechung frischer Texte nach der (durchaus konstruktiven) Kritik ALLE mit hochrotem Kopf da …
Oder anders - es ist überaus sinnvoll, sich an den Satz zu halten und die Überarbeitungszeit in satten zweitstelligen Prozenten der eigentlichen Schreibzeit zu planen.
Dieses wichtige Prinzip, von Hemingway überaus treffend in Kürze zusammengefasst, *keinesfalls *aufzuweichen, halte ich für, ja, für alle Schriftsteller unbedingt notwendig.
Damit der Text dem Leser so gefällt, dass man ihn nicht missen möchte - man kann durchaus auch Schmerz gegenüber Dingen empfinden, die man liebt. Vielleicht sogar da häufiger.
Hemingway hat auch einen anderen Satz gesagt, der hier Deine Gegenrede gut konterkariert:
There is nothing to writing. All you do is sit down at a typewriter and bleed.
(Schreiben ist einfach wie nichts. Alles, was Du tun musst, ist, Dich an Deine Schreibmaschine zu setzen und zu bluten.)
Egomane zu sein, heißt nicht, dass man Unrecht hätte - wer dann aber unbekannt stirbt und nicht ständig mit “Oh, wie wahr!” zitiert wird, der hatte dann vielleicht weniger Aussagekraft.
wiefern das jetzt die **Allgemeingültigkeit **[sic] Hemingways Behauptung (also hinsichtlich des dort zu findenden ‘always’) bestätigen könnte, erschließt sich mir zwar nicht – und den Regeln der Logik gemäß läßt sie sich daraus auch nicht ableiten (irgendwelche Teilmengen lit. Schreibender vermögen ja per definitionem nicht für alle lit. Schreibenden einzustehen!) --, doch möchte ich deinen Glauben nicht mit weiteren Argumenten irritieren, denn daß du hinsichtlich dessen unbedingt glauben möchtest, ist ja offensichtlich, weshalb sich weiterer Argumentvortrag erübrigt. Schließlich darf jede/r glauben, was immer sie/er möchte!
Leider ist mir nicht klar, wieso diese Aussage Hemingways meine Kritik der anderen konterkariere. Jedenfalls besteht für mich ebenso berechtigter und begründbarer (s.u.) Zweifel an ihrer Allgemeingültigkeit wie bei der anderen; gleichwohl ich mich selbst schon in Situationen wähnte, die sie für mich manchmal auch zutreffend erscheinen lassen.
Peter Handke z.B. dürfte sie m.E. allerdings für den blanken bullshit halten (aufgrund seiner sehr speziellen Auffassung dessen, was es heißt, “zu schreiben”), jedenfalls entsprechend eindrücklichen Selbstberichten, von denen es ja in seinem Werk keinen Mangel hat. – Klar wird daran jedenfalls, daß es diese “magischen Augenblicke” gibt, in denen ein erster Wurf gleich perfekt ist, also schlicht nicht mehr überbietbar zu sein scheint; was bei Handke u.a. daran eklatant wird, daß unmittelbar aufgezeichnete Notate später eins zu eins in ein ausgefeiltes Werk einfließen bzw. ob entsprechender “Zustände” auch während dessen eigentlicher Niederschrift zu stehen kommen …
Vom Gesamt des Phänomens her betrachtet, so sehe ich das, sollte der berühmt-berüchtige Rausch des Schreibens (vgl. dazu etwa den zum Thema sehr instruktiven PROFILE-Band Nr. 24 gleichen Titels Im Rausch des Schreibens. Von Musil bis Bachmann]) und seine gelegentlichen [sic!] Zeitigungen nicht unterschätzt werden; es gibt Selbstzeugnisse von Autoren – gerade auch arrivierten – genug, die sich solche ekstatischen Momente nie und nimmer abkaufen lassen würden und mithin Hemingway deutlich und klar Lügen strafen mit seinen idiotischen Verallgemeinerungen.
Hab gerade in den älteren Posts dieses Threads gestöbert.
Respekt! Ich habe meinen geliebt und viel benutzt, aber längere Texte fand ich schon recht mühsam…
Ich wünschte, ich wäre so schnell! Je nach Qualität meines ersten Draughts (schwankt von brauchbar bis nochmal neu, bitte) brauche ich fürs Überarbeiten inzwischen deutlich länger als fürs Schreiben. 2, 3 Seiten habe ich in 2, 3 Stunden vergleichsweise schnell zu Papier gebracht. Bis daraus ein Text geworden ist, den ich mich irgendwann trauen werde, an einen Verlag zu schicken, brauche ich, wenn es schlecht gelaufen ist, locker das Doppelte. (Gilt nur für das kreative Schreiben, zum Glück.) Es ist das eine, inspiriert etwas aufzuschreiben, und das andere, daraus einen guten Text zu machen (bei meiner Arbeitsweise).
Und wo wir gerade bei passenden Zitaten sind - was bei mir zum Beispiel dauert, ist die berühmte Anleitung von Mark Twain: “Writing is easy. All you have to do is cross out the wrong words.”
Seliger Glaube ist vor allem, dass das, was man schreibt, gleich ebenso gut wie verständlich wie auch wertvoll wäre …
Dazu wie zum Sinn des Argumentierens kam bisher leider nur Polemik und Herabwürdigungen großer Meister - immer leicht gesagt, meist leider Nonsens.
“Glaube” ist, wenn man Unfehlbarkeit und Schreibgenialität über Erfahrung an der Notwendigkeit des Überarbeitens stellt.
Die Haltung, dass frisch Geschriebenes “einfach toll” wäre, begegnet mir als (wie ich wohl sagen darf) Profi im Bereich der Schriftstellerei unangenehm oft. Leider.
Derlei Selbstüberschätzung ist fast ebenso meist grob falsch. Über eine Kritik an der fundamentalen Wahrheit Hemingways ersten Spruches , der sinngemäß ein Überdenken zu großen Stolzes auf Frischbuchstaben nahelegt, könnte ich kaum mehr als nur lächeln.
Wenn diese Haltung nicht so fürchterlich gefährlich für Schreibkarrieren wäre!
Wichtig ist mir vor allem jede Relativierung, die die Zielsetzung, den so tiefen und so wahren Sinn von Hemingways Aussagen zu Brei machen oder gar nicht wahrhaben will. In der Ablehnung - auch noch einer Gleichsetzung als “Idiotie” - liegt schon eine erhebliche Spur von Überheblichkeit, bei der ich hier gegenhalte, um den fatalen Einfluss auf Mitleser, die hier *wirklich *etwas lernen wollen, zu brechen.
“Man kann das eben so oder so sehen!” ist eine der fatalen neumodischen Erscheinungen, bis hin zur Faktenverleugnung und Ablehnung wissenschaftlicher oder auch empirischer Erkenntnisse.
Hiervor müssen gerade Schriftsteller gewarnt werden, die nicht bereits durch erfolgreiches Veröffentlichen ihren Stil gefunden haben. Wenn man hier nicht schon gebetsmühlenartig dagegenhält, sterben hier potentiell erfolgreiche Karrieren.
Davor sei also nochmals betont dringend gewarnt. Es besteht die große Gefahr, die allen droht, die meinen, an ihrem Stil, ihrer Art gäbe es nichts zu verbessern, und frische Traktate seien eben nicht Mist (also nicht noch viel besser werden könnten).
Anstatt also Hemingway oder ähnliche Zitate von Mark Twain und anderen ohne Sinn niedermachen zu wollen, bedenke bitte deren positiven Einfluss auf tausende erfolgreich Beeinflusster.
Das Ziel hier ist zu helfen, seinen Stil zu finden und nach Konzepten zu suchen, wie man besser werden kann.
sofern also der Einsatz eines logischen Argumentes “Nonsens” ist – bekanntlich bedürfen All-Sätze (der von Hemingway ist ein solcher; und zwar wegen des ‘always’ darin) einer Bestätigung durch die Absenz des empirisch Gegenteiligen, was man eigentlich schon seit Aristoteles weiß, aber wenigstens nach Poppers Logik der Forschung auch bei Nicht-Philosophen inzwischen einigermaßen angekommen ist --; sofern also ein solches Argument nichts gilt, dagegen die (vorgebliche) Autorität eines Großen Meisters, wären wir also derweil wieder beim Autoritäts"beweis" des Frühen Mittelalters angekommen und dürfen die aufklärerischen Anstrengungen von Anselm von Canterbury (argumentum sola ratione) über Abaelard (sic et non) und Roger Bacon (Empirizitätskriterium) bis hin zu Wilheln von Ockham (reflektierte Integration der aristotelischen Logik ins Argumentieren) getrost in die Tonne treten, ganz zu schweigen von jenen aufklärerischen Bewegungen, die darauf bauen konnten, um schließlich die Moderne einzuläuten.
Ich verstehe daneben auch nicht, was hier der Polemikvorwurf soll: Denn wenn eine wegen empirischer Falsifikation ersichtlich nicht haltbare All-Satz-Behauptung vom Stapel gelassen wird, so liegt doch klarerweise Idiotie vor (das kann man bei Wilhelm von Ockham bspw. auch so nachlesen); weil dabei etwas öffentlich klar Ersichtliches ignoriert wird (wie bei kleinen Kindern, die vor etwas Manifestem die Augen verschließen und glauben, es dadurch nichtig zu machen). Poppers Bsp. mit den Weißen/Schwarzen Schwänen macht das eklatant … vielleicht liest du’s ja einfach mal nach …
Hemingway hätte dem in seiner irren Behauptung implizierten Unsinn ja leicht dadurch ausweichen können, wenn er statt ‘immer’ auf ‘gar nicht so selten’ oder ähnliche Wendungen gegangen wäre. Dann würde niemand daran herummachen, weil sich dann eine triviale Einsicht darin spiegelte, die folglich jene/n der Idiotie überführte, die/der sie bezweifelte. – Aber an seiner Formulierung ist überhaupt nichts geläufig, weil sie schlicht und ergreifend unwahr ist; es sei denn, alle [sic] Autoren, die jemals bekundet haben, schon mal einen nicht mehr zu korrigierenden Entwurf gelandet zu haben, wären Lügner …
In Wirklichkeit sind sie natürlich die schwarzen Schwäne, die den Allsatz falsifizieren, alle Schwäne seien weiß.
Sofern du meinst, daß das Bestehen auf logischer Integrität von getätigten Behauptungen – egal ob von “Großen Meistern” oder Normalsterblichen abgesondert – “Überheblichkeit” repräsentiere, wäre die Welt von Überheblichkeit in ungeheurem Ausmaß geflutet, weil es zum Grundprocedere sprachlicher Verständigung zählt, daß logische Integität gewahrt ist. Kurz gesagt: Kommunikation wäre sonst gar nicht möglich!
“Ohne Sinn” wurde hier von mir gar nix “niedergemacht” (ich habe Hemingways Behauptung ein logisches Prädikat verliehen, weil es ihr vom Sachstand her zukommt!); ich habe im Gegenteil versucht, dort, wo Hemingway Sinn (und Verstand) in gravierendem Maß hat vermissen lassen, diesen wieder herzustellen. U.a. habe ich dazu auch seine Behauptung widerlegende Gegenbeispiele angeführt, die sich natürlich um viele viele weitere vermehren ließen.
Natürlich steht es dir frei, etwa Peter Handke der Lügerei zu zeihen samt aller anderen Autoren, die schon mal angeführt haben, im ersten Wurf gleich etwas Gültiges notiert zu haben. – Wie immer du das auch würdest belegen wollen …
Ich habe keine Ahnung, wer dagegen argumentiert hätte, an Stil und Inhalt des je Geschriebenen zu arbeiten und dort, wo es nottut, um- oder auch neuzuschreiben. Wenn sich – hin und wieder – etwas darunter befindet, das schon nach der ersten Niederschrift stehenbleiben kann, setzt diese Erkenntnis ja selbst wiederum Arbeit voraus und ergibt sich mitnichten “einfach so”.
Dass es sich hier nun nicht um ein Theorem oder eine Hypothese handelt, die Popperscher Philosophie unterworfen wäre, hätte sicher der Meister der Erkenntnistheorie selbst mit einem Schmunzeln gern zugegeben. Auch Okhams Rasierklinge der Sparsamkeit schneidet hier nicht.
Hier greifst Du mit der Argumentation schlicht am Kern der Ausssage völlig vorbei und wählst falsche Instrumente der formalen Logik.
“The first draft is always shit!” - Du legst hier falsche Maßstäbe an etwas, was simpel ein humoriger Spruch mit brillant stimmiger Aussage ist.
Und gehst leider nicht darauf ein, dass eine Gegenrede gegen solche schriftstellerischen, überaus ebenso gelungenen wie wichtigen Mahnsprüche die große Gefahr mit sich bringt, dass gerade ein Anfänger sagt “ach, alles ist relativ und ich mach’ einfach, was ich will!”, anstatt sich solche Meisterlehren anzueignen und der Erkenntnis zu beugen, dass man auf einen ersten Entwurf stolz sein mag - und dennoch erst ein Drittel bis zur Hälfte der Arbeit geleistet hat.
Deswegen sind derlei Merksprüche von enormer Wichtigkeit und Bedeutung und verdienen es nicht, reiner erkenntnistheoretischer Aussagenlogik unterworfen zu werden.
Im Gegenteil ergibt das überhaupt keinen Sinn, hier Unsinn zu postulieren - es ist leider fast schon Sturheit, sich der Offenbarung des Pudels Kern zu verweigern.
Man suche also mit Spaß an der Sache und Freude an der Ironie nach dem (verdammt tiefen) Sinn der Aussage - und höre und lerne.
Das ist mehr als wichtig, gerade wenn die Aussage in schriftstellerisch großartigen Humor verpackt ist.
ob die Aussage [sic] Hemingways als „Theorem oder Hypothese“ (i.S. der Wissenschaftstheorie) aufzufassen sei, ist vollkommen belanglos hinsichtlich ihrer empirischen Falsifizierbarkeit. Sie repräsentiert vom Sprechakttypus her klarerweise eine Behauptung, womit bekanntlich automatisch Geltungsansprüche, z.B. jene auf Wahrheit und Richtigkeit, impliziert sind. Das Prüfverfahren ergibt ohne den geringsten Zweifel, daß der mit ihr erhobene Geltungsanspruch auf Wahrheit nicht erfüllt wird, womit ergo ihr propositionaler Gehalt eindeutig falsifiziert ist.
Im Übrigen ist es so, daß ich keinerlei Ambitionen hatte, „Ockhams Rasiermesser“*** anzuwenden (wo stand das bei mir?). Sein Aufruf erfolgte entlang einer ideengeschichtlich wirkmächtigen Linie aufklärerischen Denkens im – leider vollkommen zu Unrecht nur als „dunkel und anti-aufklärerisch“ denunzierten – Zeitalter der Scholastik, ohne deren intellektuelle Grundlegungen bei sachgerechter Betrachtung wohl auch heutzutage noch immer bloß mit sogenannten Autoritäts"beweisen" vorgebliche … ähm … „Wahrheit“ nur heraufbeschworen, aber nicht begründet würde!
Will sagen: Beruf auf (vermeintliche) Autorität allein gilt gar nix, sofern entsprechende Aussagen der logischen Konsistenz entbehren. Würden wir diese über fast zweieinhalb Jahrtausende hart erarbeiteten Grundsätze preisgeben, könnten wir den Laden dicht machen. Und daß das keineswegs nur eine rhetorische Phrase im Oszillationsfeld zwischen Rechthaberei und theoriesüchtigen Exzessen ist, zeigen die jüngsten Entwicklungen im sozial-politischen Raum auf der Welt viel zu deutlich (vgl. das etwa hinsichtlich des Stichworts fake news), als daß es sich einfach mal so beiseitekehren oder als … bloße „Relativierung“ einordnen ließe. Mein Argumentvortrag hat jedenfalls nicht mit „ach, alles ist relativ und ich mach’ einfach, was ich will!“ zu tun. … – Wenn du dir mal kurz den Diskussionsverlauf bis zum Erstaufruf des Hemingway-Spruches vergegenwärtigst, wirst du sicher ohne große Mühe feststellen können, daß dabei zwei verschiedene [sic] Ansätze für Arten des Schreibens angeführt wurden, die selbstredend beide ihre je eigene Berechtigung haben und schon allein damit einen Allgemeingültigkeitsanspruch von Hemingways Aussage ad absurdum führen.
Anders ausgedrückt: So wichtig einerseits das Einüben des kritischen Blicks aufs je eigene (Erst-)Geschreibsel ist (so verstehe ich Hemingways Intention i.S. des angewandten *principle of charity *[also dezidiert exklusive irgendwelcher [B]Dogmatisierungs-Gelüste!]), so wichtig ist es m.E. andererseits, auch die Selbstbehauptungskräfte von Autoren stark zu machen, wozu für mich genauso zählt, den Blick für Gelungenes zu schärfen, was sich beim lit. Schreiben wohl kaum allein auf analytische Weise bewerkstelligen läßt, sondern nicht minder auch eines gut ausgebildeten intuitiven Vermögens bedarf, also synthetischer Kräfte (Handke ist nach meinem Dafürhalten ein exzellentes Beispiel für diese Art und Weise des Schreibens).
***als doch „ein bißchen“ mit seinen Schriften vertraut, ist mir u.a. durchaus geläufig, daß es bisher noch niemals irgendwem gelungen ist, darin Occams razor dingfest zu machen (einschränkend in dieser causa bleibt allerdings zu sagen, daß noch immer nicht alle seine Schriften wiss. aufgearbeitet und editiert sind). Schon deshalb würde ich mich hüten, es ohne Hinweis auf dieses Desiderat überhaupt in Anspruch nehmen zu wollen. Mein Aufruf Ockhams im hiesigen Kontext ging stattdessen auf seine wohlbegründete, logisch abgeleitete Unterscheidung zwischen Theologie und Wissenschaft (zumal Philosophie), also jene fundamentale zwischen Glauben und Wissen (sie hat ihm bekanntlich schwerste Bedrohung eingebracht … und ohne den Schutz seines Königs wäre es wohl um ihn geschehen gewesen [interessante Parallelität zu Eriugena, übrigens]).
An der Wichtigkeit von Merksprüchen zweifle ich auch nicht. Ich selbst bediene mich ihrer auch. Aber deren letzthinnige Relevanz hängt – neben anderem – natürlich schon an einer gewissen Konsistenz. Entgeht sie ihnen, hülfe nur, sie unter’m Schirm eines ironischen Einschlags zu lesen, um ihre (Bindungs-)Kraft zu wahren. Wenn jedoch ein solcher beim hier in Rede stehenden Spruch wirksam sein sollte – ich bin mir dessen aufgrund seiner Wirkungsgeschichte nicht so arg sicher (also unabhängig von Hemingways eigentlicher Intention, die ich ganz gewiß nicht kenne) --, müßte er freilich auch immer mitgelesen werden (und ergo gegen dogmatische Vereinnahmung sowie unkritische Übernahme gefeit sein) …
Ob dem wohl so ist?
Ich hoffe, meine Position jetzt soweit klar gemacht zu haben, daß Mißverständnisse ausgeräumt sind. Mir ging es im Kern eigentlich nur darum, den von @DuaneHanson ins Spiel gebrachten Alternativstrang zum Verständnis dessen, wie Autorinnen Erstentwürfe verfassen – vgl. die Position von @Pamina22 --, zu stärken, ohne ihn allerdings zur ultima ratio erklären zu wollen (ebensowenig habe ich Duanes Statement so interpretiert), weil es in diesem Feld m.E. per se keine ultima ratio geben kann, sondern je diverse individuelle Einstellungen dazu, die sich wohl niemals auf einen Nenner würden bringen lassen können, egal, ob Hemingways Spruch so etwas nun insinuiert … oder auch nicht …
Genau das ist der Punkt - kann ich so einen humorigen Spruch überhaupt einer Falsifizierbarkeitsanalyse unterwerfen? Oder welcher Erkenntnisse Ockhams auch immer, denn nichts davon greift?
Gar mit dem Ziel, sie ad absurdum zu führen?
Oder akzeptiere ich, dass sie in ihrer Besonderheit über so einer Analyse steht, und schon der Versuch einer empirischen Betrachtung - da vom Schöpfer nie so gemeint - zum Scheitern verurteilt sein muss?
Die von Dir gewählte empirische Analyse ist der falsche Weg, der nicht nur die Schönheit, sondern auch die innewohnende Wahrheit und Wichtigkeit der Aussage zerstört.
Und Du hättest dann natürlich zielfrei bleiben müssen und nicht in so harsch überspitzter Kritik münzen, die gleich Idiotie unterstellt.
Eines geht nur - erkenntnistheoretische Analyse oder emotionales Urteil.
Dein überspitztes Urteil ist eben, dem ich widerspreche.
Der für Prägungen offene, nach Führung und Lernen strebende Mitleser bekommt hier einen falschen Weg aufgezeigt.
Natürlich überprüfe sich jeder selbst - das sollte jeder offene Geist immer tun.
Das allzu leichtfertige Abtun von Meilensteinen großer Meister ist gerade dann der falsche Weg.
Ja, diese magischen Momente gibt es … aber es sind eben Momente, Passagen, die am Ende eingebettet sind in eine Menge zumindest zweitklassigen, verbesserungsfähigen Textes. Und es ist auch Aufgabe des Überarbeitens, die gelungenen Stellen zu erkennen und zu *bewahren *(anstatt sie “totzuverbessern”), was übrigens leichter klingt als es ist, weil es ja heißt, die Umgebung so anzupassen, dass sie dazu passt.
Und es gibt in Papyrus (natürlich) ein Tool speziell dafür, nämlich die Funktion im Kontextmenü, eine Passage als “perfekt” zu sichern.
Im Übrigen kommt mir die Diskussion um die “Allgemeingültigkeit” von Hemingways Spruch auch wie der Versuch vor, etwas “totzuverbessern”. Es war ein plakativer Spruch und plakativ gemeint, und zu kritisieren, dass Hemingway nicht ein Dutzend Fußnoten und juristisch einwandfreie “einerseits-andererseits”-Klauseln dazugesetzt hat, ist albern und ein bisschen so, als würde man den Spruch “Augen auf im Straßenverkehr!” für ergänzungswürdig befinden dahingehend, dass man natürlich auch die Ohren öffnen sollte, was aber biologisch gesehen sowieso stets der Fall ist, sodass es eigentlich darum geht, auch auf das Gehörte zu achten, und dass es nicht genügt, die Augen nur offen zu haben, sondern dass man auch damit schauen muss usw. usf. etc. pp., und bis man das alles gesagt hat, sind die Kinder schon zur Tür raus und haben null verstanden.
Fakt bleibt, dass literarische Texte erst in der Überarbeitung wirklich entstehen, und das auch bei Peter Handke. Der zweifellos seine spontan gelungenen Passagen von den noch-nicht-ganz-gelungenen zu unterscheiden weiß, aber jedenfalls gibt es auch von ihm Manuskripte voller Unterstreichungen und Änderungen.
von etwas anderem als dem Augenblickartigen solcher Situationen hatte ich ja auch nie geredet; und wie im Thread angesprochen sehe ich es ebenfalls als eine Gabe an, etwas Gelungenes als solches zu erkennen und stehenlassen zu können. Also d’accord, was die Gefahr des Totverbesserns angeht.
Es war sicher nicht besonders geschickt von mir, über die Anwendung von ‘idiotisch’ einigermaßen krass typisierend mit Hemingways Diktum umgegangen zu sein (ich wünschte, ein milderes Wort verwendet zu haben); aber hinterher ist man oft schlauer als vorher …
Nun ja; und was das Plakative angeht, dem ich mich durchaus anschließen kann (genauer s.u.), so waren da halt eben auch ganz andere Charakterisierungen aufgekommen [Herv. von mir]:
Meiner bescheidenen Ansicht nach drückt die Aussage weder etwas Tiefes noch Wahres aus, sondern etwas in pragmatischer Hinsicht Richtiges; nämlich i.S. einer situativ bezogenen (Handlungs-)Maxime [sic], solange mit ihr keine Absolutheitsansprüche und erst recht keine … ähm … Führungsansprüche verbunden werden. Die einen wie die anderen lehne ich aus ethischen und erst recht aus ästhetischen Gründen ab.
Natürlich. Es wurde allerdings auch nicht behauptet, daß Handke immer [sic!] druckfertige Erstentwürfe landet. Wie leicht zu erkennen, liegt ersichtlich falscher Gebrauch von ‘immer’ woanders vor!
Ich habe erst per Schreibmaschinenkurs gelernt und dann mehrere Kurse zum PC schnell Schreibkurs. Leider habe ich durch die Türkische Tastatur die komplett anders angeordnet ist und ich diese beruflich nutzen musste, die deutsche wieder vergessen. So und weil ich jetzt immer noch tippe aber viel zu lahm… habe ich meinen PC komplett auf Dragon Professionell umgewandelt und mir dazu auch noch ein klasse Diktiermikrofon geleistet. Jetzt bin ich definitiv 3 bis 4 mal schneller. Sicherlich ist das Sprrchen anstelle im geheimen zu Schreiben eine Mamutsumstellung. Jedoch lernt sich das mit der Zeit. Allerdings ist das alles zusammen bis es gepasst hat nicht billig gewesen…
Ich denke einfach, dass die permanente Übung den Meister macht und ob man es glaubt oder nicht. Ich komme ja aus dem öffentlichen Dienst und kenne einige die nur mit 2 Fingern tippen können