Liebes Forum,
Ich bin für Kritik dankbar!
Seine Augen öffneten sich langsam. Drehte sich die Welt oder war es sein Kopf? Über ihm kreisten die Möwen, ein Anblick den man in Eisenhafen, nicht entging. Pulsierender Schmerz breitete sich auf seiner gesamten Brust aus wie eine Welle, die unaufhaltsam auf die Wehranlagen kracht. Ein Stöhnen drang durch Garrus Lippen. Die braunen Locken vielen ihm in das Gesicht. Sie waren nass geschwitzt. Seine Arme baumelten seitlich von der Liege.
„Wo bin ich?“ Schmerz durchströmte den verwirrten Jungen. Nein, kein Junge mehr. Jetzt war er ein Mann. Es wurde ihm wieder bewusst. Endlich erwachsen, nicht Kind.
„Du hast es gleich durchgestanden. Du warst weggetreten. Das ist normal.“ Diese rauchige Stimme. Er erkannte sie. Es war Rolf.
Behutsam wurde sein Kopf von zärtlichen Händen hochgestützt. Er lag auf dem Rücken.
Rolf trieb die Knochennadel durch leichte Hammerstöße in seine Brust rein. Wieder dieses Leiden. Pulsierender Schmerz drang durch seinen Körper. Er hörte jeden seiner Herzschläge wie ein Grollen der Sturmwolken, die so oft in Richtung Eisenhafen zogen.
Kayas Finger fuhren ihm sachte über die Stirn. Sie rochen nach Minze. Garrus schloss seine Augen, sein Verstand verlor sich in der Berührung des Mädchens. Dann kam wieder der Schmerz.
„Zähne zusammenbeißen, Kleiner!“ Rolfs Grinsen war für Garrus sichtbar, ohne die Augen zu öffnen. Rhythmisches Klopfen biss sich in seine Brust wie ein Schwarm Wespen, die es auf die gleiche Stelle am Körper abgesehen hatten. Das markante Gesicht des Rudelführers grinste ihn in seinem Kopf an. Dieser Arsch, dem macht das ganze Spaß. „Dein Bruder war vorhin hier. Ich soll dir ausrichten, dass du dich nicht so anstellen sollst.“ Ein rauchiges Lachen erklang durch seine vom Tabak gelb gefärbten Zähne.
„Der Wolf sieht fantastisch aus!“ Kayas Stimme floss wie Honig durch seinen Verstand. Kaya. Die Schönheit, die von diesem Holzkopf Rolf gezeugt wurde.
Sein Bewusstsein errang gegen seine Verwirrung mehr Kontrolle, doch hieß das, dass der Schmerz in seiner Brust wie eine geschleuderte Axt in sein Gehirn schoss. Unabsichtlich verkrampfte sich sein Kiefer. Selbst Kieselsteine wären zerbröselt, würde man sie ihm zwischen die Zähne schmeißen.
„Kaya, tupf ihm den Schweiß aus dem Gesicht.“ Rolf gab Befehle, ohne aufzusehen. „Jetzt dauert es nicht mehr lange. Nur die letzten Feinheiten.“ Hatte er das nicht grade eben gesagt? „Wo ist Vater?“ Garrus öffnete wieder die Augen. Er sah diesmal eine Göttin. Volle Lippen, die er sein Leben lang schon zu küssen begehrte, waren nur wenige Handbreit von seinem Gesicht entfernt. Sanfte Haut, braungebrannt von der Sonne betörte seine Sinne mit einem Duft, der ihn schaudern ließ.
„Lord Wolf ist leider bei einer Audienz mit dem Vormund der Herzogin. Es tut mir leid.“ Wieder blieb Rolfs Blick auf sein Kunststück gehaftet beim Sprechen. Wie immer, schoss durch Garrus schmerzverzerrtes Bewusstsein. „Ist es zu viel verlangt, wenn mein Vater wenigstens bei der Initiation anwesend wäre?“ Eine Träne sammelte sich im Augenwinkel. Sie mischte sich mit seinem Schweiß und rollte bis zu seinen Barthaaren herunter. Kaya bemerkte sie und wischte sie weg. Ihre Fingerkuppen glitten sanft über seine Backe, bis sie ihm durch den Bart kraulte. Garrus ließ sein Kopf zur Seite fallen. Er lag in ihrem Schoß. Manchmal hat Schmerz auch etwas Gutes an sich, fand der frisch gestochene Mann.
Im Hinterhof des Wolfsbaus stand eine große Eiche. Sie hielt sich schon standhaft, seit der Klan Aufzeichnungen schrieb. Durch die Fenster zur Küche sah er die Köchin arbeiten. Der Geruch von Fischeintopf mischte sich mit der salzigen Brise des Meeres. Der Garten wurde durch große Häuser von der Außenwelt abgeschnitten. Wo sind denn alle?
„So!“ Rolf schlug ihm mit der flachen Hand auf den Oberschenkel. „Fertig! Ein Meisterwerk, wenn ich es so sagen darf.“ Aus einem Wassereimer neben der Liege nahm er einen nassen Lappen und wischte über die tätowierte Brust. Garrus richtete sich auf und zuckte zusammen. Der Fetzen färbte sich dunkelrot.
Der aufrechtstehende, zähnefletschende, Wolf dominierte auf seiner Brust. Der erste Schritt zu seinem Ziel war geschafft. Wohlig warmer Schmerz durchfloss seine Adern. Garrus stand auf, sein durchtrainierter, nackter Oberkörper war vom wässrigen Blut überströmt. Schwindlig suchte er halt. Rolf schütze ihn vor dem Stürzen. Mit beiden Händen fuhr er sich über die Stirn und packte seine Locken. Er zog sie stramm nach hinten, um einen Zopf zu binden. Dabei spannte er seine Muskeln an und drehte sich zu Kaya.
„Wie seh ich aus, Kaya?“ Er fletschte seine weißen Zähne zu einem Grinsen.
„Gut siehst du aus, du arroganter Bengel!“ Rolf klatschte ihm den blutigen Fetzen auf seinen Rücken. „Jetzt geh dich waschen, bevor ich genötigt werde, zuzusehen, wie du meine Tochter angelst!“
Säuberlich wusch Rolf seien Utensilien. Er packte sie geordnet in eine Ledertasche. „Ich lasse euch beiden jetzt alleine. Kaya, kümmer dich um seine Wunde. So wie ich den Trottel hier kenne, entzündet sich der Kratzer, so selten wie er sich wäscht.“ Mit einem Augenzwinkern verabschiedete er sich. Er gab seiner Tochter einen Kuss auf die Stirn, schnappte sich seine Tasche und verließ durch die Küche den Innenhof.
„Was ist dein Plan, du großer, starker Wolf?“ Spielerisch neigte sie ihren Kopf. „Welche Heldentaten stehen jetzt vor dir?“ Sie tupfte die gerinnende Wunde mit einem in Pfirsichschnaps getränkten Tuch. Der Schnaps war ein Selbstgebrannter. Jeden Sommer, wenn die Mondgöttin Vunra ihren Liebhaber Vanru überholte, haben Garrus und seine Freunde auf dem Landanwesen ausgeholfen und allerlei Obst gepflückt. Die schönsten Kindheitserinnerungen entstanden auf diesem Hof. Dort geschah es, dass er von dem Apfelbaum fiel und sich eine Narbe auf der Mitte seiner Stirn zuzog. Leichtsinn hat seinen Preis. Der Lockenkopf hatte braune Augen, tief wie das Meer doch mit einer Leichtigkeit in seinem Blick der zum Pferdestehlen einlud.
„Soweit hab ich noch nicht gedacht.“ Sein Blick fiel auf seine Sandalen. Er spielte mit seinen großen Zehen, wich ihrem durchdringenden Mustern aus.
„Sieht dir änlich.“ Ihr Lächeln entblößte einen abgebrochenen Eckzahn. Der gleiche Sturz, der seine Narbe verursachte. „Berta braucht Hilfe mit den Vorbereitungen. Heute Abend ist dein großes Fest! Versuch bitte, bis dahin nüchtern zu bleiben, wenn du die Jungs triffst!“
„Ich Versuchs! Mal schauen was die Anderen mit mir Vorhaben.“ Ein kurzes Lächeln und sie war im Wolfsbau verschwunden.