Hallo in die Runde,
ich hätte gerne Rückmeldungen, ob der Einstieg in meinen Roman schlüssig ist und wie er auf Euch wirkt. Der Text ist noch Rohtext und ich starte gerade mit der Überarbeitung.
Kapitel 1
Die Sonne näherte sich den Bergrücken, als Nishtavar sich auf den Heimweg begab. Erschöpft davon, Holzkohle nachzulegen und mit dem großen Blasebalg die Glut für das Eisen anzuheizen, freute er sich auf ein erfrischendes Bad im Fluss. Sein Weg führte ihn über den Dorfplatz, als er durch das Tor der Dorfmauer, noch weit entfernt, eine Staubwolke auftauchen sah. Sein Blick fiel dabei auf einen Mann, mit staubbedeckter Kleidung, der sich an der Wache vorbeistahl und langsam über den Platz schlenderte. Zwischen den vielen Händlern und Marktbesuchern fiel er gar nicht mehr auf. Nishtavar blickte ihm interessiert nach. Er verhielt sich nun völlig unauffällig, grüßte einen Händler hinter seinem spärlichen Angebot an getrockneten Früchten, verweilte aber nicht, sondern bewegte sich zielstrebig zum anderen Ende des Marktplatzes. Dort angekommen blickte er sich kurz zum Dorftor um und schien die Zeit abzuschätzen, bis die Reiter im Dorf angekommen sein würden.
Er wollte sich gerade umdrehen, da fiel sein Blick auf Nishtavar, der ihn aus einiger Entfernung beobachtete. Dieser spürte, wie er abgeschätzt wurde. Der Fremde lächelte kurz und verschwand dann hinter einer Hausecke. Es dauerte nicht lange, dann stoben die Reiter durch das Dorftor. Der Anführer trug einen dunklen Lederharnisch und hatte auf der linken Schulter ein metallenes Abzeichen angesteckt. Es zeigte das Zeichen des Statthalters der Region Woujan in Silber. Nishtavar wusste nicht viel über die Regierung, aber er ihm war bekannt, dass ein Abzeichen des Statthalters in Silber einen sehr hohen Rang auswies. Dementsprechend verhielt sich der Anführer der Gruppe. Er wies zügig seine Männer an, die Umstehenden zu befragen, ob sie einen Fremden gesehen hatten, der vor kurzem durch das Dorftor gekommen sei. Fast alle verneinten, aber einer wies mit dem Finger auf den Händler, den der Fremde gegrüßt hatte. Im Nu war er umstellt und der Anführer forderte ihn auf, sich zu erklären.
„Ich weiß doch auch nichts“, stammelte er. „Der hat mir einfach zugenickt und war freundlich. Ich kenne den doch gar nicht.“
Aber der Anführer glaubte ihm kein Wort. „Rede!“, forderte er den Händler auf. „Ich weiß doch gar nichts“, jammerte der Händler und begann, mit einer unterwürfigen Geste, um Gnade zu betteln.
„Wir nehmen Dich mit auf die Wache, wenn Du nicht redest!“, herrschte ihn der Mann mit dem silbernen Abzeichen an.
„Herr, ich kenne den Mann nicht, aber wenn Ihr ihm so nah auf den Fersen seid, dann verschwendet Ihr Eure Zeit mit mir und vielleicht war es genau das, was der Fremde mit dem Gruß bezweckt hat“, erklärte der Händler und versuchte seine demütige Haltung aufrechtzuhalten, was ihm seiner Fülle wegen sichtlich schwerfiel.
„Ich bin Rakshal Tavares und ich lasse mich von Dir nicht zum Narren halten“, wütete der Anführer und wies zwei seiner Leute an, beim Händler zu bleiben. Hektisch gestikulierend zeigte er den übrigen Wachen die Richtungen an, in die sie ausschwärmen sollten.
Nishtavar stand am Rande des Platzes und sah, wie die Wachen die Leute beiseiteschoben und sich den Weg durch den entstandenen Volksauflauf bahnten. Er wusste, es war längst zu spät. Nur durch einen Zufall würden sie den Fremden noch wiederfinden. Auch wenn das Dorf nur wenige hundert Einwohner hatte, standen die Hütten und Häuser doch sehr verwinkelt und überall waren kleine Mauern und Tore eingebaut, die vor langer Zeit dem Einfall von Steppenvölkern Einhalt gebieten sollten. Das Dorf glich einer kleinen Festung. Amüsiert vom Geschrei des Hauptmannes, dem klar wurde, dass er auf einen Trick hereingefallen war, machte sich Nishtavar auf den Weg zum Haus seiner Eltern.
Noch vier Abzweigungen, und er würde das Haus seiner Eltern sehen können. Es stand fast an der Außenmauer, umgeben von einem kleinen Garten und mit hohen Bäumen am Weg.
Während er noch daran dachte, wie er als kleiner Junge über einen der Bäume auf die große Mauer gelangt war, hörte er von rechts lautes Gebrüll. Mehrere Wächter hatten den Fremden aufgespürt und jagten ihn durch die Gasse. Nishtavar konnte sehen, wie er den Weg entlang eilte und Nische um Nische nach einem Ausweg prüfte. Dann wurde er von zwei Seiten in die Zange genommen und war umstellt.
Die Wächter hielten ihre Krummsäbel nach vorne, um dem Fremden jede Chance zu nehmen, den Kreis zu durchbrechen. Offenbar waren die engen Wege dem Fremden zur Falle geworden. Nishtavar wartete gespannt, ob er sich verteidigen würde. In dem Moment knallte es laut und der Fremde verschwand in einer Nebelwolke. Hustend stachen die Wächter in die Mitte. Aber dort befand sich niemand mehr.
Auch Nishtavar war überrascht, denn er hatte keine Möglichkeit gesehen, aus dem Kreis zu entrinnen. Er drehte sich, schaute auch nach oben und bemerkte im Augenwinkel, wie der Fremde auf dem Dach hinter einem Schornstein verschwand. Keiner der Wächter hatte mitbekommen, wie der Fremde über ein Vordach über die Hausdächer entkommen war.
In Gedanken versunken lief Nishtavar nach Hause. Wie konnte jemand aus dem Stand auf ein über acht Fuß hohes Vordach gelangen. Der Geruch von gebackenen Teigfladen aus Maismehl und gegrilltem Fleisch ließ ihn aufmerken und den Schritt beschleunigen. Die Arbeit in der Schmiede hatte ihn hungrig werden lassen und die Zeit für das Bad im Fluss hatte er auf dem Marktplatz vertrödelt. Er war sehr spät dran. Nishtavar blickte gerade über die Hausdächer zur Sonne, um die Zeit abzuschätzen, als eine Gestalt vom Dach sprang und einige Fuß vor ihm landete. Der Fremde. Er sah ihm fest in die Augen und Nishtavar begriff, dass er nach einem Ausweg suchte.
„Zur Mauer?“, fragte er und zeigte auf die große Mauer, die die Stadt umringte. Der Fremde nickte und Nishtavar überlegte nicht lange. Er winkte ihm zu, ihm zu folgen. Dann trabte er los, um dem Fremden den Baum zu zeigen, über den er schon früher auf die Mauer gelangt war. Er sah noch das Lächeln im Gesicht des Fremden, bevor der in Windeseile den Baum hinaufkletterte und auf der Mauer verschwand. Nishtavar staunte. So hatte er noch nie jemanden klettern sehen. Es schien, als würden Hände und Füße zugleich den Körper hochwuchten, ohne dass Äste eine Rolle spielten. Als Kind hatte er sich von Ast zu Ast gehangelt und war so ganz langsam in die Krone geklettert. Er öffnete das Gartentor und war sich sicher, dass das Essen auf ihn wartete.