Ein Waisenhaus ist nie ein schöner Ort. Erst recht nicht am Ende des siebzehnten Jahrhunderts. Das von dem Franziskanerkloster geführte Haus in Zittau war da keine Ausnahme. Das Gebäude an der Pfarrgasse, Ecke obere Gasse war eine Bruchbude. Das imposante Hofportal und die hohe Mauer des Grundstückes versteckte sehr wirkungsvoll das Elend, was sich dahinter verbarg. Die ehemalige Kaserne hatte die besten Zeiten schon lange hinter sich. Der Putz bröckelte von den Wänden. Das Dach war undicht, und die Fenster waren nur zum Teil verglast. Alles an diesem Ort war kaputt, unbrauchbar oder verdreckt. Die Schlafsäle der Jungen hatten keine Öfen, hier war es im Winter bitterkalt. Jeder hatte nur eine Holzkiste, gefüllt mit Stroh als Schlafplatz und eine Holztruhe, die am Fußende der Flohkiste stand. In einem Saal wurden manchmal bis zu acht Jungs untergebracht, hier herrschte das Gesetz des Stärkeren.
So erging es auch Daniel, der ein schmächtiger Knabe war. Vor langer Zeit wurde er als Findelkind ins Waisenhaus gebracht. Wer seine Eltern waren, wusste niemand zu sagen. Hier erlebte er viele Jahre der Gewalt und des Hungers. Und entgegen allen Erwartungen überlebte er nicht nur, er entwickelte sich. Daniel war sehr schlau und verstand sich darauf, unsichtbar zu sein. Zwar nicht im eigentlichen Sinne, aber Andere nahmen von ihm überhaupt keine Notiz. Er war unauffällig. Seine Einsamkeit machte den Jungen etwas eigenartig. Ständig kritzelte er Totenköpfe und Monsterfratzen auf alles, was in seiner Nähe war. Ob mit einem Nagel in Holz, oder mit Kohle an die Wand. Überall in der Stadt hinterließ er seine Spuren. So auch am Tor zum Frauenfriedhof. Hier ritzte er eines Tages einen Sensenmann auf den rechten Pfeiler. Dieses kleine Bild ist noch heute für jedermann sichtbar.
Hey bei historischen Romanen ist es immer wichtig, die Hintergrundfakten „halbwegs authentisch“ zu sammeln und auch Worte der Neuzeit zu vermeiden.
In deinem konkreten Beispiel sprichst du von einen erbärmlichen Bau (Bruchbude - modernes Wort) , der gleichzeitig Glasfenster besitzt. Glas war kostbar zu dieser Zeit und eher die wohlhabenen Waisenhäuser hätten Glasfenster gehabt. Wäre es ein abgestürztes „Edelwaisenhaus“ könntest du das schreiben, sonst müsstest du „Holzläden“ „Stoffvorhänge“ nutzen.
Zum Waisenhaus „ist nie ein schöner Ort“, könntest du die Dramatik erhöhen indem du erwähnst, dass Waisenhäuser normalerweise Hoffnung für die Kinder bedeuten sollten, die niemanden hatten. Doch an diesem Ort war es nicht so.
Waisenhäuser wurden meist von einem Träger finanziert. Oft Kirchen, manchmal Handwerksgilden oder Miliznahe Organisationen. Erwähne, wieso es bei diesem Waisenhaus einem so schlecht ergeht. Vielleicht war es sehr armes Gebiet, dass von einer Hungersnot heimgesucht wurde - sodass kein Geld für diejenigen blieb, die ganz unten warten.
Du nutzt einen beschreibende Art von Daniel zu erzählen. Das wirkt bisher etwas distanziert - hast du vor, näher an ihn heranzurücken? Du könntest zum Beispiel kleine Situationen „mit Dialogen“ Daniels komische Neigungen beschreiben. Andere könnten über ihn sprechen. Aber das musst auch nicht so passieren: Hängt ein bisschen davon ab, wie du deine Geschichte weiterführen möchtest. Bisher ist die Spannung niedrig (kann gewollt sein) vielleicht, weil du deinen Einsetzpunkt noch nicht erreicht hast. Aber bedenke, dass Leser irgendwann (bald ) gefesselt werden wollen.
Danke für das schnelle Feedback.
Ja die Handlung nimmt gleich nach dem ersten Abschnitt Fahrt auf.
Zum Waisenhaus habe ich recherchiert, es war eine alte Kaserne, die nach leestand von den Mönchen übernommen wurde.
Ich möchte nicht unbedingt einen zeitlich korrekten Historienschinken schreiben. Ich denke eher an leichte Lesbarkeit.
Mir ist es eher wichtig tatsächliche, noch heute existierde Orte mit einer Geschichte zu umweben. Das komplette Buch soll sozusagen begehbar werden. Wie das erste Grafitto an dem Friedhofstor zum Beispiel.
Mir gefällt dein Einstieg, deine feine Erzählstimme und vor allem die Anbindung an das Reale (Graffiti) sehr.
wenn dann noch etwas mehr Show reinfliesst, deine Orte und Akteure lebendig mit Bildern/Emotionen/Ängsten/HoffnungenZielen versehen werden, wird das sicherlich megagut.
Würde ich auf jeden Fall lesen, hat mich jetzt grad wirklich angesprochen.
Viel Spaß beim Recherchieren, Schreiben…
NIKA
Die Idee begehbare Orte einzubauen gefällt mir. Werden die Bilder „Teil des Buchs“ ? Denn Bilder können, geschickt aufgenommen, auch selber eine Geschichte erzählen.
Ich bin da auf einer Linie mit Tapio. Du schreibst schön zügig, so dass man in der Erzählung gut vorankommt. Das erinnert mich an die Struktur von Podcasts (ich höre unterwegs immer welche, daher der Vergleich).
Bei Dir darf ruhig mehr Fleisch auf den Knochen.
Ansonsten bitte dranbleiben, hört sich interessant an.
Ja Bilder werden ein großes Einfluss haben. Aber nicht als Fotos sondern Grafiken, die ich selber mache
Ich denke auch darüber nach qr Codes zu integrieren. Dann mit Fotos vom Original und geschichtlich korrekte Hintergründe, die in meinem Roman etwas zurechtgebogen wurden.