Hallo zusammen,
Das hier ist eine wichtige Szene in der Geschichte, die ich gerade schreibe. Deswegen habe ich versucht, diese Szene, mit Show don’t Tell plastischer darzustellen, tiefer in die Szene, in die Figuren zu gehen, ohne allerdings den Stil der Geschichte zu verlassen. Ich bin nicht der blumige Erzähler.
Ich fände es spannend zu hören, was ihr denkt, ist das halbwegs gelungen, nah genug dran, interessant genug trotz wenig Handlung, um die Wichtigkeit der Szene zu transportieren? Oder mehr „Zeigen statt betrachten“? Oder auch andere Anmerkungen? Die Szene hat 480 Wörter, die ganze Geschichte 4600.
Vielen Dank schon mal.
Wie ein altes Ehepaar sitzen wir auf einer Bank, die am Rand des Schulhofs steht. Von hier aus sieht man den Anfang des Waldes, die bunten Blätter an den Bäumen, den weichen Waldboden. Ich rieche den würzigen Duft des Waldes. Und schon spüre ich ein Ziehen am ganzen Körper. Ich will mit den nackten Füßen über den Boden laufen, den Torf zwischen den Zehen fühlen, und etwas jagen, irgendetwas zu Tode hetzen, meine Zähne in irgendwas reinschlagen. nein, ich will das nicht. Nur mein Vater will so etwas. Aber ich nicht. Niemand soll wegen mir leiden.
Wie von selbst beginnt mein Fuß zu wippen. Ich sehe mich um, versuche, was zu entdecken, über das wir reden könnten. Das Schweigen nervt mich. Ich hätte gern wieder so einen Mini-Basketball wie gestern, mit dem wir werfen könnten. Irgendetwas machen, nicht nur blöde herumsitzen.
„Weißt du, ich würde gerne durch den Wald da vorne laufen.“ Während er das sagt, starrt Philip mit großen Augen zu den Bäumen hinüber, als möchte er jede Nuance der Bäume und Tannennadeln in sich aufnehmen.
Ich sehe ihn verdutzt an. War er auch ein …? Nein, das hätte ich gespürt, aber er hat es geschafft, mich zu verwirren. „Was ist so toll an einem Wald?“, frage ich ihn.
„Mein größter Wunsch ist es, wo anders zu sein“, antwortet Philip. „Wo mich niemand kennt. Verstehst du? Wo ich nicht dieser Schlaukopf bin, den keiner mag.“
„Ich wäre gerne Vegetarier. Das ist mein größter Wunsch.“, sage ich und halte die Luft an. Verdammt, was ist nur los mit mir. Niemand weiß das und so solle es auch bleiben.
Philip sah mich überrascht an. „Das ist doch leicht. Du brauchst nur, kein Fleisch zu essen?“
„Nein, so locker geht das nicht. Manchmal, wenn ich daran denke, fühle ich mich wie eine Walnuss, die jemand in der hohlen Hand hält und einfach zerdrückt.“
„Ja, das kenne ich“, sagt Philip leichthin.
„Nein, das kennst du nicht!“, knurre ich. „Du hast keine Ahnung von mir.“, die Wut packt mich und ich springe auf. Jetzt bin ich ein Monster, dunkel und drohend, und starre mit brennenden Augen auf ihn hinunter. „Ich bin etwas, dass du nicht kennst. Ich bin ein Werwolf.“ Jetzt ist es raus. Ich sehe, wie der Wind beruhigend, über die Baumwipfel streicht. Die Schule, die Schüler, der Pausenhof, alles scheint kilometerweit weg.
„Es gibt keine Werwölfe“, sagt Philip nüchtern und guckt weiter zu dem Wald hinüber. Mein Herz ist leicht wie eine Feder. Ich bin froh, dass Philip so fantasielos ist, sonst wäre es mir nicht möglich gewesen, den Satz auszusprechen. Werwölfe können sich nur Menschen offenbaren, die nicht an sie glauben. So nüchterne Menschen wie Philip.
Es klingelt. Der Schulhof leert sich. Auch wir müssen rein. Ich strecke Philip die Hand hin. „Freunde?“
„Freunde“, bekräftigt er und schüttelt meine Hand. Der Tag hatte sich entschieden, ein guter Tag zu sein.