Eine neue Übung zu Show, don't tell und gleichzeitig eine alte Geschichte vom PC

Ich habe heute beim Stöbern in meinem digitalen Archiv eine „Alt“-Geschichte aus meiner Jugend gefunden und diese gleich mal aufgepeppt. Dazu habe ich gleich mal folgende Fragen:

Wie gut, kommt das Modell „Show, don’t tell“ rüber?
Was ist noch verbesserungswürdig an dem bisher Geschriebenen (Episode 1)?
Sonstige Anmerkungen / Feedback / Kritik etc.

Das wäre erst mal alles meinerseits. Da ich im Fantasy- und Schreibforum bei der Übung „Show don’t tell“ mitmache, wären mir Rückmeldungen wichtig.

Gruß

Super Girl

Im „Vogelkäfig“ (Episode 1)

Lilly seufzte. Sich die vielen Jahreszahlen der historischen Ereignisse der Antike zu merken, war für sie sehr schwer. Die Grundschüler der fünften Klasse hatten gerade eine Geschichtsstunde und Lilly musste sich bemühen, dabei nicht einzuschlafen.

Eine Amsel flog am Klassenzimmerfenster vorbei und pickte dagegen, sodass Lilly aufschreckte. Sie war tatsächlich kurz eingenickt. Als sie die Amsel entdeckte, musste sie erneut seufzen. «Ein Vogel müsste man sein», dachte sie sich. Stattdessen saß sie im ‹Vogelkäfig›, der sich Schule nannte und lauschte widerwillig dem Vortrag ihres Lehrers. Am liebsten würde sie ihre Flügel ausstrecken und davonfliegen, was leider nur in ihrer Fantasie funktionierte.

Lilly hatte sich schon oft gefragt, was das für ein Gefühl sei. „Fliegen müsste man können. Aus dem Alltag davonfliegen, einfach weg von dem Stress. In die freie Welt hinaus, so oft man will. Ach ja, das wäre wirklich wunderbar“, dachte sie sich.

Plötzlich wurde die Schülerin in ihren Gedanken abgelenkt, denn sie spürte einen Papierflieger im Nacken. Sie griff danach, knüllte das Papier zusammen und warf es neben sich auf den Boden. Das war sicher wieder dieser Kevin, der nur Dummheiten im Kopf hatte. Erst vor kurzem hatte er einen Verweis kassiert, was ihn offenbar nicht daran hinderte, seinen Mitschülern weiterhin das Leben schwer zu machen. Leider war niemand stark genug, es mit Kevin aufzunehmen. Alle, die es wagten, sich ihm zu widersetzen, wurden gnadenlos fertiggemacht.

Allein bei dem Gedanken an Kevins nächste Gemeinheit, ließ Lilly die Hände zu Fäuste zusammenballen und grimmig dreinschauen. Sie war genau das Gegenteil zu Kevin. Lilly war Gerechtigkeitskämpferin aus Leidenschaft und setzte sich für das Wohlergehen der Schwächeren ein. Sie löste gerne Kriminalfälle oder griff bei Problemen des Alltags ein. Dafür war sie in ihrer Umgebung bekannt. Einige Gleichaltrige fanden es klasse, dass sich Lilly für die Gerechtigkeit einsetzte. Aber fiese Typen wie Kevin konnte sie überhaupt nicht leiden.

Wie gut, dass bald die Schulglocke läutete und das Wochenende ankündigte. Der Lehrer wollte noch etwas für Montag ankündigen, aber die Hälfte der Klasse war bereits davongerannt. Auch Lilly wollte verschwinden, aber der Pauker packte sie von hinten.
«Was gibt es denn, Herr Oettinger?»
«Kannst du bitte den anderen sagen, was ich euch soeben mitgeteilt habe? Diese Lümmel haben bestimmt nicht zugehört. Würdest du das machen?» Lilly nickte. «Alles klar. Dann bis Montag.»

Erst nach einer ganzen Weile trottete die Schülerin nach draußen und atmete frische Herbstluft ein. „Endlich Freiheit. Jetzt kann ich davonfliegen … zumindest bis nach Hause“, grinste sie.

«Fünf Hausaufgaben, wie öde! Die Lehrer haben doch einen Schuss! Ständig bombardieren sie dich mit schwierigen Aufgaben. Und wenn du sie nicht löst, kriegst du Ärger. Schule ist eine harte Nuss», seufzte Lilly und brütete über dem Schreibtisch in ihrem Zimmer. Schicksalsergeben wandte sie sich der Matheaufgabe zu. «Also gut, dann mal ran. Damit wir es hinter uns haben!» Zuerst wärmte sie sich die Hände an einer dampfenden Tasse, aus der ein Geruch von heißer Schokolade stieg. Sie trank einen ordentlichen Schluck, erst danach widmete sie sich der verhassten Matheaufgabe zu.

Da Lillys Konzentration mit der Zeit nachließ und die Mutter «Essen ist fertig» nach oben rief, schreckte die Schülerin aus ihren Gedanken. Sie war kurzzeitig abgedriftet zu den Vögeln, die sie liebte. «Wenn ich doch nur fliegen könnte wie ein stolzer Adler, dann wäre ich längst über alle Berge. Meinetwegen auch eine Amsel. Hauptsache weg von den doofen Hausaufgaben», dachte sie sich.

Als ihre Mutter ein zweites Mal rief und Lilly ihr berühmtes «Komme gleich» erwiderte, setzte sie sich in Bewegung, nachdem sie ihren Füller ordentlich geschlossen hatte, dass keine Tinte daneben tropfte.

Ihr jüngerer Bruder Laurenz, der an diesem Abend bei einem Freund übernachten durfte, saß bereits am Esstisch und zappelte mit den Beinen. Doch der Vater der Kinder hatte darauf bestanden, erst zu essen, wenn alle Familienmitglieder am Tisch saßen.

«Lilly! Da bist du ja. Wir wollen anfangen. Hast du vergessen, dass ich heute bei Malte aus der dritten übernachten darf? Er wartet sicher schon. Also, was ist jetzt? Fangen wir mit Essen an? Es gibt heute Fischstäbchen mit Kartoffelbrei, das ist doch auch dein Lieblingsessen!»
«Natürlich ist das mein Lieblingsessen, gleich nach Mamas selbstgemachter Lasagne!», rief Lilly zurück. Sie eilte zum Tisch und setzte sich gegenüber ihres zappelnden Bruders. Lilly wusste, dass Laurenz ein richtiges Nervenbündel war, wenn er nichts zu essen bekam. So wollte sie ihn nicht länger warten lassen und betonte: «Also dann, Leute, hauen wir rein!»

Die Fischstäbchen mit Kartoffelbrei waren schnell verputzt. Nach dem dritten Teller waren Lilly und Laurenz satt. Mutter Frederike lachte über den großen Appetit ihrer Kinder. «Da haben zwei Räuber aber großen Hunger.»
«Das stimmt. Hausis machen hungrig!» Lilly lächelte.
«Darf ich jetzt zu Malte gehen? Der wartet sicher schon, dass wir das neue Videospiel zocken!»
«Ist es das, wo man Monster züchten kann? Das kenne ich auch. Viel Spaß bei deinem Kumpel. Ich habe immer noch drei Hausis vor mir!» Lilly stöhnte. Sie wollte gar nicht daran denken, dass noch zwei Aufgaben auf sie warteten: Geschichte und Biologie.

Zurück in ihrem Zimmer erledigte Lilly zuerst die Geschichtsaufgabe, an der sie fast zwei Stunde lang knobelte. Zuletzt wandte sie sich dem Aufsatz für Biologie. Gleich nach Deutsch und Religion stand Biologie auf dem dritten Platz ihrer Lieblingsfächer. Lilly, die in ihrer Freizeit schon immer gern Abenteuer- und Detektivgeschichten geschrieben hatte, wandte sich nun also dem Aufsatz. Es sollte sich um das eigene Lieblingstier handeln. Da musste Lilly nicht lange überlegen. Sie würde definitiv über einen Goldadler schreiben. Allerdings nickte sie noch während ihres Aufsatzes kurz ein. Was folgte, war ein sonderbarer Traum über einen Jungen, der im Garten der Familie Jacobsen abstürzte!

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Anbei noch die Episode 2 mit der Bitte um Feedback!

Gruß

Super Girl

Der Junge mit dem Stern (Episode 2)

Als Lilly aus ihrem Nickerchen erwachte, war es bereits nach Mitternacht. Sie blickte auf die Wanduhr in ihrem Kinderzimmer und bekam einen Schreck. «Was? 02:40 Uhr? So lange habe ich geschlafen? Oh mein Gott. Und die Bio-Aufgabe? Habe ich die geschafft?» Lilly blickte auf den Schreibtisch, entdeckte dort die drei Zeilen, die sie bereits über den Goldadler geschrieben hatte und seufzte: «Mist. Da bin ich aber noch nicht weit gekommen.»

Da tat es draußen einen lauten Rumms und ein grelles Licht flackerte durch das noch nicht abgedunkelte Zimmerfenster nach drinnen.

Sofort schreckte Lilly auf. Sie öffnete ihre Balkontüre und blickte in den Garten der Familie. Das gelbe Leuchten flimmerte noch immer.

«Du meine Güte. Was ist jetzt wieder los? Hat da etwa eine Bombe bei uns eingeschlagen?», flüsterte Lilly leise vor sich hin. Bewaffnet mit ihrer Taschenlampe schlich sie sich die Treppe hinunter, um ihre schlafenden Eltern nicht zu wecken. Auf leisen Sohlen schlich sie sich bis zur Türe des Arbeitszimmers, kurbelte vorsichtig die Rollläden herunter und spähte nach draußen.

Ein großer gelber Stern und eine merkwürdige junge Person, die auf ihm saß, waren im Garten gelandet.
«Du meine Güte! Vielleicht ist jemand verletzt. Ich muss nachsehen.»

Von Neugier getrieben ging Lilly nach draußen in die septemberkalte Nacht. Als sich die Person im Raumanzug in Lillys Richtung bewegte und sie dabei ein kugelrundes Gesicht hinter einer Glasscheibe erblickte, wurde sie starr vor Schreck.
«Was ist das für ein sonderbarer Junge? Und was hat es mit diesem großen, gelben Stern auf sich?», dachte sich Lilly. «Dass die verrückten Dinge immer mir passieren. Oh Mann!»

Lilly nahm schließlich all ihren Mut zusammen und sprach den fremden Jungen an: «Hallo, bist du ein Mensch? Oder ein Marsianer?»
«Was ist bitte ein Marsianer? Ich glaube, mein Stern ist etwas zu schnell geflogen. Die Schwerkraft ist hier ganz anders als auf unserem Planeten.»
«Euer Planet? Bist du etwa ein Außerirdischer?», fragte Lilly mit leicht zittriger Stimme.
„Quatsch. Ich bin ein Mensch und heiße Kalvin Otto Brecht. Ich will aber Kalle gerufen werden. Und wer bist du? Ich komme vom Planeten Shining Star. Das ist ein Planet, der etwas weiter entfernt von der Erde ist. Er befindet sich in einem Sonnensystem, das direkt an eures grenzt. Aber mit meinem schnellen Freund, dem Stern, ist es für mich eine Kleinigkeit dorthin zu fliegen. Wenn du willst können wir gleich losdüsen», grinste er.

«Lilly. Lilly Jacobsen. Und ich wohne hier mit meiner Familie. Bist du gefährlich?»
Daraufhin musste der fremde Junge lachen.
„Ich tue keiner Fliege was zuleide. Hey du, ich mag dich. Wollen wir nicht Freunde werden? Ich habe nur ein paar Bekannte auf meinem Heimatplaneten, mal abgesehen von Thaddäus, dem Weltenwandler. Der ist nirgendwo und doch überall zuhause. Und du scheinst ganz nett zu sein, oder?“

Erst jetzt hob Kalle seinen Helm ab und sah Lilly direkt an. Er hatte lustige Kulleraugen, trotzdem blieb die Fünftklässlerin skeptisch.
«Wo kommst du wirklich her? Willst du mich veräppeln? Du willst ein Mensch von einem fremden Planeten sein und kannst mit einem Stern fliegen? Glaub ich dir nicht.»
Doch Kalle blieb hartnäckig. Er wiederholte seine Geschichte erneut. «Weißt du was? Setz’ dich auf meinen Stern und überzeug’ dich selbst, dass ich die Wahrheit sage.» Er räusperte sich kurz. «Stern, flieg’ mit Lilly von der Erde mal eine Runde hier um die Häuser. Los Stern, ich befehle es dir. Flieg!»
Darüber musste Lilly lachen. Trotzdem versuchte sie es einmal, sich auf den gelben Stern zu setzen. Tatsächlich trug er ihr Gewicht.

Im nächsten Moment zischte der Stern mit Lilly davon. Sie glaubte zu träumen, als sie sich plötzlich in luftigen Höhen wieder fand. Das Fliegen hatte sie sich eigentlich ganz anders vorgestellt. Kalvin selbst aktivierte einen Düsenantrieb an seinen Schuhen, wenig später erschien er neben Lilly in der Luft.

«Was, du kannst auch ohne Stern fliegen? Ist ja ein Ding. Ich glaube, ich träume immer noch. Ja, das muss es sein. Das ist alles nur ein verrückter Traum.» Lilly zwickte sich mehrmals in den Arm und haute sich einmal kräftig auf die Wange. Aber der Junge im Raumanzug war immer noch in der Luft und Lilly saß immer noch auf dem fliegenden, gelben Stern. Dieses Mal grinste Kalle.
«Erdenbewohner sind komisch.»
«Das musst gerade einer sagen, der nachts bei mir im Garten abstürzt. Hoffentlich hat keiner unserer Nachbarn etwas bemerkt. Oder noch schlimmer, meine Eltern. Die können manchmal schimpfen wie die Rohrspatzen.»

«Ich kann aber nur mit Düsenantrieb an meinen Jet-Schuhen fliegen. Mein liebstes Hobby ist essen. Ich kann einen ganzen Berg Pfannkuchen mit Banane und Sirup verschlingen. Willste mal sehen?»
„Es ist nach Mitternacht. Da gibt es keine Pfannkuchen mehr zu essen. Versuch’s doch mal morgen Früh mit Spiegeleiern auf Toast oder nachmittags mit Kuchen. Das schmeckt besser.»

Kalle erzählte Lilly, dass er am liebsten Schokoladenkuchen aß. Davon konnte er ganz viel verspeisen, ohne dabei dick zu werden. Er war zwar etwas kräftig gebaut, aber das behielt Lilly lieber für sich, denn sie wollte Kalle nicht beleidigen. Nur etwas widerwillig schloss sie mit ihm Freundschaft. Sie erlaubte ihm sogar, dass er im Garten der Familie Jacobsen auf seinem Stern übernachten durfte. Aber nur, wenn er brav war und sich ganz unauffällig verhielt, denn sie wollte wegen des fremden Planetenbewohners keinen Ärger bekommen.

Ob es nun ein Traum war oder nicht, Lilly musste einsehen, dass sie so etwas Verrücktes noch nie erlebt hatte. Nach einer ganzen Weile verabschiedete sie sich von Kalle. Er musste gähnen und Lilly auch. Sie lachten noch eine Weile leise miteinander.
«Tschüss, ich muss ins Bett. Bitte bleib hier im Garten. Stell keinen Unfug an, sonst krieg ich Ärger. Morgen kann ich dir ja mal die Gegend hier zeigen. Lautersdorf ist nur eine kleine Stadt auf der Erde. Es gibt natürlich noch viel größere Städte. Aber dazu morgen mehr, okay? Bis dann. Gute Nacht.»
Kalle wollte von Lilly noch wissen, wie alt sie war. Lilly nannte ihm ihr Alter, aber im Gegenzug musste auch er sein Alter verraten.
«Ich bin elf, fast zwölf und du?»
«Ich bin zwölf Jahre alt, auch wenn ich nicht danach aussehe. Naja, andere Planeten, andere Sitten. Gute Nacht, Lilly. Ich denke, wir werden noch viel Spaß miteinander haben.» Über seinen letzten Satz machte sich Lilly so ihre Gedanken. Sie dachte immer noch daran, dass das alles nur ein Traum war. Aber das behielt sie für sich. Sie schlich sich zurück ins Haus und lauschte an der Schlafzimmertür ihrer Eltern. Ihr Vater schnarchte sogar. Offenbar hatte niemand etwas von dem fremden Jungen und seinem Stern bemerkt. Erst nach einer Weile konnte sie sich in ihr Bett kuscheln und schlief zufrieden ein.

Am nächsten Morgen. Lilly schreckte aus einem seltsamen Traum hoch. Da sie an ihrem Schreibtisch im Kinderzimmer saß, dachte sie zuerst daran, dass die Begegnung mit dem fremden Jungen und seinem Stern doch nur ein Traum gewesen war. Um sich zu vergewissern, dass dieser Kalle nur in ihren Träumen existierte, flitzte sie direkt nach dem Frühstück in Richtung Garten. Doch der fremde Junge und sein gelber Stern waren noch immer dort.
«Was? Das gibt’s doch gar nicht», stammelte die Schülerin vor sich hin.
«Guten Morgen, Lilly. Danke, dass ich bei dir übernachten durfte. Als Dankeschön darfst du nochmal mit meinem Stern fliegen. Wenn du magst, zeige ich dir heute meinen Heimatplaneten. Bis zum Planet Shining Star ist es nur ein kurzer Trip. Das kannst du mir glauben», grinste er und zwinkerte der Schülerin geheimnisvoll zu.
«Deine Eltern merken nicht, dass du weg bist. Versprochen.»
Lilly erklärte dem Neuen, was eine ‹Schule› war, wie sich ‹Lehrer› dort verhielten und dass sie selbst als ‹Schülerin› noch einmal dort hinmusste, weil sie ihre Sporttasche im Klassenraum vergessen hatte.
Kalle wusste von all diesen ‹Sitten› nichts, er selbst war noch nie auf eine Schule gegangen. Auf dem Planeten Shining Star gab es so etwas nicht.

«Was? Ein Planet ohne Schule? Frage mich wie intelligent die Leute dort sind.» Im nächsten Moment hielt sich Lilly erschrocken die Hand vor den Mund. Das wollte sie eigentlich nicht laut sagen. Kalle verschränkte empört seine Arme vor der Brust. «Hey. Willst du damit sagen, dass wir unterbelichtete Schreckschrauben sind?»
Darüber musste Lilly lachen. «Nein, so habe ich das nicht gemeint. Gibt es bei euch keine Gebäude, wo man sich fortbilden lassen kann? Zum Beispiel eine Universität oder eine Akademie? Wir würden dazu ‹Schule› sagen. Dort lernt man wichtige Dinge, die man fürs spätere Berufsleben braucht. Wenn du zum Beispiel Kuchenbäcker werden willst, dann musst du dich irgendwie im Bereich Kuchenbacken fortbilden lassen, oder?» Endlich hatte es Kalle verstanden. «Schule für Schüler. Fortbildung für Leute ohne Bildung. Also für mich. Schon kapiert.»
Daraufhin mussten beide lachen.

Als der Neue erwähnte, er hätte nur einen Spaß gemacht, musste Lilly grinsen.
„Du bist ein lustiger Junge, Kalle. Ja, wir können Freunde sein. Aber bitte verhalte dich so unauffällig wie möglich, okay? Ich glaube nicht, dass sie genauso freundlich zu dir sind wie ich. Vielleicht würden sie dich vertreiben oder Schlimmeres mit dir anstellen.»
Kalle nickte. «Deine Leute würden dich für verrückt erklären, stimmt’s? Naja, andere Planeten, andere Sitten. Hier bei dir gelten deine Gesetze.» Lilly nickte. «Genau. Ich kann es selbst noch kaum glauben, was ich letzte Nacht hier gesehen habe. Und zwar dich und deinen Stern. Es kommt mir vor wie im Traum. So etwas erlebt man nicht alle Tage.» Daraufhin grinste Kalle erneut.
«Und gute Freunde findet man auch nicht alle Tage. Ich hoffe wir können für immer Freunde sein … und viele tolle Sachen gemeinsam erleben.»
Der clevere Junge bot Lilly an, sie mit seinem Stern bis in die Nähe der Schule zu fliegen. Die Schülerin nahm dankend an. Doch zuerst musste sie zurück ins Haus und ihre Schulsachen holen, das teilte sie Kalle mit. Danach könnte die Tour losgehen!

Lilly hatte schon öfter vom Fliegen geträumt. In ihren Träumen konnte sie sich mit den Füßen vom Boden wegstoßen, ihre Arme ausbreiten und einfach losfliegen. In ihren fantasievollen Träumen war alles Unmögliche möglich. Doch nun in der Realität saß sie auf einem weichen Stern, der sich wie ein Kissen anfühlte und flog damit durch die Luft. Es kam ihr dieses Mal vor wie in einem wunderbaren Traum. Kalle konnte ja auch ohne seinen Stern fliegen. Er musste nur den Düsenantrieb an seinen Jet-Schuhen aktivieren. Es machte ihm Spaß, auf diese Weise durch die Luft zu gleiten. Natürlich war sein gelber Stern viel schneller als er. Die beiden Freunde veranstalteten einen Wettflug, wobei Lilly auf dem Stern gewann.

Schließlich landeten beide in der Nähe der Schule. «Hey, das hat Spaß gemacht. Danke, dass du mir meinen größten Wunsch erfüllt hast. Ich bin tatsächlich geflogen. Danke. Du bist der Beste.»
Dieser grinste nur. Noch bevor er etwas anderes sagen konnte, hatte Lilly ihm einen Kuss auf die Wange verpasst. Daraufhin errötete er leicht.
«Oha, du magst mich. Na, das kann ja heiter werden. Aber egal, ich mag dich auch. Lilly, du bist eine tolle Freundin. Und wenn ich das zu einem Mädchen sage, dann muss es was heißen.»

Die beiden verstanden sich prächtig, obwohl sie sich erst vor wenigen Stunden kennengelernt hatten. Lilly ermahnte Kalvin nochmal, sich ruhig zu verhalten und solange draußen zu warten, bis sie wiederkam. Er vesprach es Lilly hoch und heilig. Die beiden verabschiedeten sich und Lilly betrat das Schulhaus.

Doch erst nach einer vollen Stunde kam Lilly mit ihrer Sporttasche zum Pausenhof gerannt, wo sie sich von Kalle verabschiedet hatte. Vor Schreck über das, was sie nun erblickte, ließ sie ihre Sporttasche versehentlich zu Boden fallen.

Kalle stand im Raumanzug mitten auf dem Pausenhof, sein gelber Stern war direkt neben ihm und mehrere Kinder standen um ihn herum. Einige starrten ihn ehrfürchtig an, andere wie Kevin ärgerten den Neuankömmling. Lilly drängte sich zwischen ihre Klassenkameraden. Sie zerrte Kalle und den Stern hinter sich her, bis sie am nahegelegenen Spielplatz stehenblieb. «Habe ich dir nicht ausdrücklich verboten sich in der Öffentlichkeit zu zeigen? Soviel zu deinen Versprechen. Sie halten so wenig wie eine Seifenblase in der Badewanne. Ich bin enttäuscht von dir. Freunde sollten sich gegenseitig vertrauen und ihre Versprechen gegenüber einhalten. Wenn du also mein Freund sein und auf der Erde bleiben willst, dann musst du dich an unsere Regeln halten.» Als sie mit ihrer Moralpredigt fertig war, bemerkte Lilly, dass ihr Freund Tränen in den Augen hatte. «Oh nein. Das wollte ich nicht. Du weinst ja. Tut mir leid. Ich wollte nicht so laut mit dir schimpfen.» Aber der heulende Kalle war bereits verschwunden. Er setzte sich auf seinen Stern und düste davon.

Weiter geht’s mit Episode 3 zu meiner „Air Pet Company“. Falls euch was auffällt, einfach melden! (egal ob positiv oder negativ oder sonstige Kritiken)

Gruß

Super Girl

Freunde für Kalle (Episode 3)

Lillys erster Freund und sie hatte ihn vergrault. Na toll! Lilly fragte sich, ob Kalle von sich aus zurückkam oder sie die ganze Gegend nach ihm absuchen musste. Wahrscheinlich die zweite Variante. Außerdem war Kalle noch neu auf dem Planeten Erde. Im nächsten Moment fragte sich Lilly, ob er auch eine Familie hatte oder sein ganzes Leben lang allein lebte. Sie nahm sich fest vor, ihn danach zu fragen, sobald sie ihn gefunden hatte. Aber es war nicht einfach, jemanden zu finden, der mit einem Stern fliegen konnte.
«Fliegen müsste man können. Ich möchte auch gerne fliegen. Fliegen wie ein Adler. Das wäre schön», dachte sich Lilly. Da der erhoffte Geistesblitz nicht sofort kam, schloss sie die Augen, konzentrierte sich und dachte nach. Dieses Mal kam ihr eine Vision von einem Mädchen, das eine Katze nachahmte. Weiterhin sah sie einen rothaarigen Jungen, der mit einer Rakete auf der Erde abstürzte. Auch das Bild von einem grünhaarigen Jungen erschien vor ihrem inneren Auge. Ein älterer Mann mit Gehstock spukte als Letzter durch ihre Gedanken.
Als Lilly ihre Augen wieder öffnete, fragte sie sich, ob das alles nur ein Tagtraum gewesen war. Aber in ihrer Vision kam weiterhin ein Adler vor, in den sie sich verwandelte. Das fremde Mädchen mit dem katzenhaften Verhalten verwandelte sich in einen Tiger, der Junge mit der Rakete transformierte sich in einen Werwolf. Kalle wurde zu einem Delfin und der grünhaarige Junge stand wenig später als Krokodil vor Lilly.
War das gerade eine echte Vision? Träumte Lilly immer noch? Aber so sehr sie sich auch ohrfeigte und zwickte, es änderte nichts daran, dass sie einen stechenden Schmerz im Herzen empfand. Lag es daran, dass sie in der Schule überarbeitet war? Oder stimmte es, dass sie einen guten Freund mit Worten so sehr verletzt hatte, dass er heulend davonrannte und sie deswegen ein schlechtes Gewissen hatte? Tausend Fragen schossen Lilly durch den Kopf und sie wusste keine Antworten darauf.
Lilly, die nicht recht wusste, wo sie Kalle suchen sollte, erinnerte sich daran, dass sie den neuen Jungen auf die Wange geküsst hatte. In diesem Moment waren tausend Raketen gleichzeitig in ihrem Inneren gestartet. Sie hatte sogar auf seinem Stern ‹reiten› dürfen. Dieses Gefühl, durch die Luft zu fliegen und sich von einer leichten Windbrise kitzeln zu lassen, war kein Traum. Es war Realität. Und somit war auch ihr neuer Freund Kalle real. Damit gab sich die Schülerin zufrieden. Gleich nachdem sie sich ihre Sporttasche geschnappt hatte, nahm sie sich vor, die Gegend nach Kalle abzusuchen.
Da ihr Freund erst neu auf dem Planeten Erde war, kannte er sich dort noch nicht so gut aus. Insgeheim hoffte sie, dass er mit seinem schnellen Stern noch nicht das Land gewechselt hatte. Ansonsten hätte sie keine Chance, ihn einzuholen.

Im nächsten Moment kam Lilly eine Idee. Die clevere Schülerin eilte zuerst nach Hause, holte ihren Drahtesel und fuhr dann mit dem Fahrrad nochmals Richtung Schule. Sie hatte eine ungefähre Ahnung, wo sie ihren Freund finden konnte. Gleich bei der Lautersdorfer Anlage gab es einen schmalen Pfad, der im Volksmund ‹Bretterweg› genannt wurde.

Bei der Fußballtorwand hatte sie schon öfters mit ihren Klassenkameraden gespielt. Es befand sich zwar ein Dornengestrüpp direkt hinter der Torwand, aber das hatte die eifrigen Fußballspieler nie gestört.

Dort standen auch mehrere Bänke herum. Wie gut, dass Lilly den Weg dorthin wie ihre Westentasche kannte. Doch noch bevor sie bei ihrem Reiseziel ankam, lief ihr eine schlanke Gestalt auf allen Vieren über den Weg. So blieb die Schülerin abrupt stehen.
«Was bist du denn für ein Wesen? Bist du ein Mutant? Kann ich dir irgendwie helfen?»
Das angesprochene Mädchen mit den braunen verfilzten Haaren, dass Lilly auf zwölf Jahre schätzte, musste daraufhin lachen.
«Hallo, ich bin neu hier in der Gegend. Mein Name ist Marina Mendola. Freut mich. Der erste Mensch, der mal nett zu mir ist. Alle anderen ärgern mich, nur weil ich mich wie eine Katze verhalte. Ich bin mir absolut sicher, dass ich mich irgendwann in ein katzenhaftes Wesen verwandele. Doch niemand glaubt mir, sie beschimpfen mich als ‹Spinnerin› und erklären mich für verrückt. Ganz schön gemein, diese normalen Menschen.»

Lilly hatte noch nie ein Mädchen gesehen, dass sich so schräg verhielt wie Marina. Aber sie sprach ihre Gedanken nicht laut aus, sondern schüttelte dem katzenhaften Mädchen die Hand. Lilly stellte sich Marina gerne vor und erzählte von ihrem Problem mit Kalle, den sie mit Worten verletzt hatte.
«Aha, ein Junge im Raumanzug. Ja, der ist hier vorbeigeflitzt. Saß auf nem gelben Kissen oder so was ähnliches. Übrigens, ich komme vom Planeten Fury Flint. Keine Sorge, ich bin weder ein Mutant noch ein böser Außerirdischer. Ich bin schon immer anders gewesen als die anderen. Weißt du, ich komme aus einer Familie mit ‹normalen› Menschen. Aber die anderen aus meiner Sippe haben mich verstoßen, weil ich ihnen zu verrückt war. Jetzt bin ich ganz alleine. Meine große Schwester mochte mich als Erste nicht mehr. Sie hat angefangen zu behaupten, ich würde rumzicken, was gar nicht stimmt. Naja, ein bisschen vielleicht. Ich habe diesen Katzen-Tick jetzt schon seit einem Jahr. Seit sie mich verstoßen haben, suche ich nach einem neuen Zuhause, wo man mich akzeptiert, so wie ich bin. Sag mal Lilly, kann ich bei euch wohnen? Sind noch irgendwo Gebäude frei, wo ich schlafen könnte?»
Lilly schüttelte den Kopf. «Nein, tut mir Leid. Willst du mir helfen, meinen Freund Kalle zu finden? Und willst du auch meine Freundin sein? Man kann gar nicht genug Freunde haben. Außer Kalle habe ich noch keine richtigen Freunde, leider. Ich war schon immer eine Einzelgängerin. Ich bin nämlich auch ein besonderer Mensch, ich habe das Down-Syndrom, das ist eine angeborene Besonderheit.»

Lilly war glücklich über den Umstand, dass sie in so kurzer Zeit gleich zwei Freunde für die ‹gute Sache› fand. Ihre zweite Freundin wurde Marina Mendola, denn Lilly akzeptierte das Mädchen mit dem Katzen-Tick, so wie es war. Das gefiel Marina so sehr, dass sie Lilly sogar umarmte. Lilly erzählte daraufhin einige Anekdoten über ihre eigene Familie. Die beiden Mädchen freundeten sich schnell an. Danach gingen sie gemeinsam zum ‹Bretterweg›.

Erst nach einer Weile entdeckte Lilly ihren traurigen Freund, der auf einer Sitzbank saß.
«Hey Kalle, ich bin es, Lilly. Ich wollte mich bei dir entschuldigen. Es tut mir wirklich leid. Ich wollte nicht so streng zu dir sein. Sorry, okay?»
Ihr Freund drehte sich kurz um. An den Tränen in seinem Gesicht konnte Lilly erkennen, dass er noch mehr geweint hatte. «Lilly. Es ist nicht nur wegen dir. Ich hatte noch nie Freunde. Ich war bis jetzt immer ein Einzelgänger. Du bist die erste Person, die mich ernst nimmt und mich als Freund haben will. Alle machen sich über mein Aussehen lustig und beleidigen mich. Das tut höllisch weh und zwar im Herzen. Ich weiß, dass ich nicht in deine Welt hineinpasse. Aber wir können doch trotzdem Freunde sein, oder? Die Erde ist eben dein Planet. Da gelten deine Regeln. Das kann ich akzeptieren. Aber es ist nunmal so, dass ich mich ohne Freunde schrecklich einsam fühle.»

Sofort setzte sich Lilly neben ihn und legte ihm behutsam ihre Hand auf die Schulter. Dann strich sie ihm sanft über den Kopf. Der Helm seines Raumanzugs lag neben ihm. «Komm, hör auf zu weinen. Ich bin ja da. Hey, wir können Freunde sein, ist doch kein Problem. Bitte nicht weinen. Ich habe noch eine Freundin mitgebracht. Vielleicht kann sie auch mit dir befreundet sein. Dann hast du zwei neue Freunde, was sagst du dazu? Marina, komm doch mal her.» Die Angesprochene gehorchte.

Marina stellte sich gleich nochmal vor. Kalle tat es ihr gleich. Er berichtete von seinen Erlebnissen auf dem Planeten Shining Star, seinem Heimatort. Kalle war schon durch das Weltall gereist und das nur, weil er auf anderen Planeten neue Freunde finden wollte. Sein Zwischenstopp auf der Erde war nicht geplant, es war eine Notlandung. Normalerweise konnte er seinen Stern problemlos steuern, aber dieses Mal war er in einen mächtigen Sturm geraten und wurde er durch die Schwerkraft nach unten gezogen. Er war wohl etwas zu tief durch das Weltall gedriftet.

Nun hockte Kalle mit zwei neuen Freunden auf der Erde und unterhielt sich mit ihnen. Er freute sich sogar über die Umstände seiner Reise, denn Freunde konnte er wirklich gebrauchen.

«Wir sind die drei Musketiere. Einer für alle und alle für einen», lachte Lilly. Wenigstens gelang es Lilly, ihren traurigen Freund aufzumuntern. Sie erzählte Marina und Kalle ein paar Witze. Dann fiel Lilly ihre Vision mit den Verwandlungen und natürlich auch ihre eigene Transformation in einen Adler wieder ein. So berichtete sie davon.
«Das ist echt lustig. Denselben ‹Traum› hatte ich auch», bemerkte Marina.
«Cool. Ich auch. Ich habe mich sogar in einen Delfin verwandelt. Ein treuer Freund in allen Lebenslagen. Hört sich interessant an, was?», fügte Kalle hinzu.
«Vielleicht ist es ja Schicksal, dass wir alle zusammen kommen. Dann lernen wir bestimmt auch bald diesen rothaarigen Jungen mit der Rakete und den grünhaarigen Jungen kennen. Und was es mit diesem alten Mann auf sich hat, kriege ich auch noch raus. Vielleicht sollen wir ja alle gute Freunde werden. Oder es ist ein lustiger Zufall. In dieser verrückten Welt ist wirklich alles möglich.»
Marina nickte. Sie selber glaubte nicht an Zufälle. Kalle stimmte ihr zu. Er zog seinen Stern unter der Bank hervor und drängte zum Aufbruch.
«Los Leute, wir fliegen jetzt alle gemeinsam durch das All. Ich zeige euch meinen Planeten. Folgt mir!»