Eine literarische Befreiung

Es kamen die Novembertage, so grau wie das Leben. Die Uhr der Zeit tickte überlaut in seine Erinnerung hinein. Sascha war ein typischer Altfünfziger, geprägt von alter Logik und von Manipulation. Gezeichnet von einem kulturellen Erbe, das Sensibilität als Schwäche definiert. Hier auf dem Land, wo traditionelle Werte Gesetz sind, hieß Freiheit Verleugnung, immer noch.

Gestern war gestern, Sascha wusste das. Aber was hilft es dem Herz, wenn es um die Freiheit weiß, wenn die Seele in Ketten liegt. Viel zu lange hatte er im Maß der anderen gelebt, als das er das Fenster öffnen durfte, das den Blick frei gab auf ein offenes Feld. In der Welt der Einfältigen, die seinen Raum füllten, ist jede Wahrheit so endgültig wie der Tod. Doch all das ist ewig her, Häuser stehen in den Wiesen der Vergänglichkeit, so unabänderlich als könnten sie die Erinnerung auslöschen. Zuweilen wollte auch Sascha das, obgleich er insgeheim hoffte, er dürfte in die alte Zeit zurückkehren um die Geschichte zu korrigieren.

Es war keine schöne Zeit damals, wo die pure Lust am Leben ihm zum Verhängnis wurde. Ein schwieriges Kind, ein Problemkind, hieß es. Sich fügen, Sascha vermochte es nicht. Mutter drohte, Vater richtete. Die alten Wunden der Eltern, geheilt auf der Haut der Nachkommen. Verleugneter Schmerz, weitergetragen über Generationen. Schweigen als Waffe gegen die Neugier der Unfertigen. Und jetzt nach all den Jahren in denen er es immer noch nicht schafft, diese verdammte Sehnsucht zu kontrollieren, steht er da und erkennt, dass er die eigene Gewalt ebenso fürchtet, wie die Fremde.

Schreiben, schon in unreifen Tagen entdeckte er dieses Kinderzimmer seiner Seele. Wörter wie Spielzeug. Eine Sprache, die die Stille des Raums durchbrach. Stift und Papier standen zur Verfügung, und der Bub blieb endlich friedlich. Eine Welt öffnete sich. Jedes Zeichen ein Klang, Jeder Satz ein Rythmus, Jede Erzählung eine Melodie. Sascha begann die Geschichten zu hören wie Musik. Ja ich, dachte er. Freiheit, dachte er. Und so schrieb er. Er schrieb in dieser anderen Wahrheit, wo seine Worte frei waren, und alle Fenster offen.

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Mir gefällt der Text sehr gut. Er bewegt mich und lässt Platz für eigene Erinnerungen. Steht der Text für sich alleine oder ist er Teil einer größeren Geschichte?

Zur Zeit Silla, schreibe ich vorwiegend solche Kurztexte. Die Tage die uns ins neue Jahr führen sind unsicher, und meine Vorbereitung für den letzten Lebensabschnitt (Rente) in vollem Gange. Eine kleine Laube mit Garten soll dann in wenigen Jahren die Basis bilden für größere Projekte.

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Eine sehr schöne Idee, mit mehr Zeit und Muße auch mal ein größeres Projekt anzugehen!

Ich lese derartige Sätze immer häufiger und bin auf alle neidisch (im positiven Sinne), die es so weit gebracht haben.

Ein emotionaler Text, der einen sofort selbst zurück blicken lässt. Wann begann ich zu schreiben? Warum? Wovon? Für wen?…
Sehr gut gelungen, gefällt mir sehr!

Nach dem mich vor kürze ein Herzinfakt beglückt hat, und mich dann die deutsche Bürokratie beschäftigte, habe ich im Moment
mehr Zeit als Muße !

o Mann … das tut mir Leid zu hören. Gib gut auf Dich acht. Ich drücke Dir die Daumen.

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Aus den Worten spricht Weisheit und Erkenntnis. Ein kurzer Text, der Hoffnung auf Mehr macht. Was hat er erlebt? Wie geht er damit um? Erkennt er, die Stärken seiner Eltern und kann sie für sich nutzen oder badet er in ihren Schwächen und kämpft um seine eigene Identität? Ein schöner Ansatz für eine spannende Geschichte. Trau Dich :slight_smile: