Du warst der Plan

Manchmal passiert es mir, dass sich eine Geschichte selbstständig macht, während ich sie schreibe. Also ganz aktuell mein Projekt „Du warst der Plan“, das ursprünglich als queeres Drama angelegt war zwischen einem älteren Lebemann und einem jungen Influenzer, der nach einer ausgearteten Party, in der er zum Opfer widerlicher Übergriffe wurde, orientierungslos nachts auf Gran Canaria in den Bergen herumtaumelt, wie der erschöpfteste Tänzer der Welt.

Aus diesem Kammerstück entwickelte sich nun ein Krimi (der noch nicht zu Ende erzählt ist), da in der nächsten Nacht drei der Täter, die sich am Influenzer vergangen hatten, auf sehr brutale Weise ermordet werden.

Damit betritt ein Kriminalermittler die Handlung, den ich aus einem meiner früheren Romane herüberhole. Er und sein Team untersuchen die Morde - und ich habe ja nun mal von Morduntersuchungen ja nicht die geringste Ahnung. Da ich aber auch kein Lehrstück in Mordermittlungen abliefern will, fokussiere ich auf die menschliche Seite des Ermittlers und sein Team, so ähnlich wie das Leonardo Padura mit seinem Mario Conde in den Havanna-Büchern gemacht hat.

Dennoch tun sich Fragen auf und ich hoffe, hier im Forum auf das Wissen erfahrener Krimiautoren zurückgreifen zu können. Zum Beispiel, wie sich Ermittler auf einer Insel voller Touristen im Rahmen ihrer gesetzlichen Möglichkeiten verhalten, was sie tun können, wenn sie um 05:00 früh zu einem Tatort gerufen werden (in diesem Fall der Hafen von Las Palmas, draußen beim Wellenbrecher La Esfinge). Würden die gleich veranlassen, dass abgehende Flüge und ausfahrende Fähren gestoppt werden? Hätte das einen Sinn? Ich sehe das Problem der Ermittler darin, dass die Spur schon so kurz nach der Tat so kalt ist, eben weil es keine Spuren gibt und wenn doch, (noch) nichts zur Aufklärung der Tat beitragen können.

Hat einer von Euch Erfahrung oder Wissen, wie Kriminalermittler in so einer Situation vorgehen könnten?

Es wird sich später herauskristalliseren, dass die Morde zu einem Unterhaltungspackage gehörten, wie auch der junge Influenzer …

lg/Peter

Sofern die Eindrücke am Tatort nicht auf eine allgemeine Bedrohungslage (z.B. Terrorismus) schließen lassen, würden sie wohl eher die Ausreisekontrollen - ggf. massiv - verstärken, im Hafenregister prüfen, ob Schiffe kurz nach der Tat ausgelaufen (oder undokumentiert verschwunden) sind und irgendeinen Vorarbeiter rekrutieren, damit der Kaffee besorgt. Möglicherweise nicht ganz in dieser Reihenfolge.

Gruß,
misc

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Der Kaffee. verdammt, ich wusste ja, dass ich etwas Wesentliches vergessen habe :slight_smile:
Das Hafenregister ist ein guter Tipp - Danke schön!
Peter

Mal eine zynische Antwort:
Morgens um 5 Uhr werden deine Ermittler keine Chance haben, kurzfristig etwas zu erreichen, was außerhalb ihrer direkten Zuständigkeit liegt. Verstärkte Ausreisekontrollen beim Flughafen mögen „auf dem kleinen Dienstweg“ funktionieren, aber ansonsten steht dem Bürokratie und Zuständigkeitsgerangel im Weg. Der kleine Ermittler wird seinen Chef wecken müssen, der wiederum den Chefchef, … , der ruft dann den Chef der anderen Behörde/Zuständigkeitsbereichs an, von wo aus dann die Anweisungen langsam nach unten tröpfeln.
Wenn es eine Maßnahme ist wie die von dir vorgeschlagene de facto Ausreisesperre zu Luft und See, die Potenzial hat, in der Presse zu landen, kommt auch noch die Politik ins Spiel. Dann wird bei potenziell negativen Schlagzeilen jede Menge Überzeugungsarbeit notwendig sein, bei vermutlich positiven Schlagzeilen wird es dagegen heißen, warum nicht schon längst was unternommen wurden. Und an allen diesen Stellen sitzen Menschen mit Karriereerwartungen, Befindlichkeiten, Eitelkeiten, Ängsten, Weltanschauungen, etc. Außerdem wird niemand leichtfertig den Polizeichef oder Innenminister morgens um 5 Uhr aus dem Bett schmeißen.

Daher halte ich realistisch betrachtet eine kurzfristige Ausreisesperre für nicht durchführbar, so etwas könnte machbar sein, wenn nach Tagen die Politik unter öffentlichen Druck gerät („Serienkiller schlägt wieder zu! Wann handelt der Innenminister?“) und es eine heiße Spur gibt. Hafenregister, Zugriff auf Videoaufnahmen von Straßenverkehr und öffentlichen Plätzen, etc. auf dem offiziellen Dienstweg 1-3 Tage später, bei leichter Kompetenzüberschreitung und obrigkeitshörigen Personal auf der anderen Seite vielleicht am gleichen Tag zwischen 10-13 Uhr, denn auch dort müssen erst mal alle Stellen besetzt sein.
Irgendwelche Maßnahmen kraft eigener Wassersuppe zu veranlassen, wäre für jeden Ermittler EdeKa und er würde sich im Streifendienst von Pueblo de mala muerte wiederfinden.

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Die Antwort mag zynisch sein, hilfreich ist sie auf jeden Fall! Vor allem die Überlegungen bezüglich der politischen Tragweite; sollte man kurzerhand die Insel „abriegeln“. So weit wäre ich auch gar nicht gegangen, weil mir die Eskalationsstufen ja durchaus bewusst sind. Die Überlegungen helfen mir, das Gefühl der Ermittler zu verdeutlichen, dass ihnen die Ermittlungen wie Wasser zwischen den Fingern zerrinnt, dass Zeit kein Freund ist.

Vielen Dank!
Peter