Die Sache mit dem Plot

Manchmal. Ich tröste mich dann immer damit, dass Agatha Christie ihre Romane minutiös durchgeplottet hat. Das ist belegt. Das gleiche gilt für Keigo Higashino (The Devotion of Suspect X). Im Idealfall bestimmt deine Story die Form und nicht umgekehrt. Das sollte man immer im Hinterkopf haben. Das Problem ist unsere Betriebsblindheit und das wir mehr wissen als der Rezipient. Das führt uns in die Irre.

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Überraschende Wendungen sind das Salz in der Suppe. Mir erging es wie Gschichtldrucker: die überraschendste Wendung bescherte mir der Gegenspieler. Das war so nie geplant.
Wie Effess und Tapio habe ich keinen detaillierten Plot, weil ich einfach zu ungeduldig war und anfangen MUSSTE.

Mach dich nicht verrückt. Du kennst deinen Plot von allen Seiten, du weißt, was vorher geschah und wo es endet. Du schaust jeder Figur weiter auf dem Grund, als die Leser.
Je öfter du eine Szene durchdenkst, umso vertrauter bist du damit. Ist doch verständlich, dass du manches dann nicht sooooo überraschend findest.

Was in diesem Falle zählt, ist die Meinung derjenigen, die dir in eine unbekannte Story folgen.

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Mich hat mal Hohlbein überrascht. Es war eine Fantasygeschichte und es begann mit einer Belagerung. Der Heerführer wurde von seiner Geliebten beschworen, sie sollten fliehen - und wie es auch Hollywood liebt - er wollte natürlich standhalten.
Genauen Details sind mir entfallen - aber es war so, dass sich der Heerführer nachts auf der Wehrmauer überlegt - warum sollte er eigentlich hier warten und sich für einen anderen Herr opfern?
Noch in der Nacht flieht er mit seiner Liebsten und lässt alles zurück.

Fand ich ungewöhnlich, und ist mir positiv in Erinnerung geblieben.
In einem Schreibratgeber (Wie man einen verdammt guten Roman schreibt*) meinte der Autor, lass die Charaktere am „Rande der Maximalkapazität“ handeln. D.h - was wäre ungewöhnlich, aber gerade noch glaubhaft in der Psychologie des Protagonisten.
Manchmal ist es in Ordnung Erwartungen zu erfüllen, aber manchmal muss man sie brechen, damit der Leser aufschreckt. Extremes Beispiel „Game of Thrones“ - „Das Lied von Eis und Feuer“
50 scheinbare Haupt-Protagonisten einführen, um davon 45 zu töten. :wink:

*Der Schreibratgeber „Wie man einen verdammt guten Roman schreibt“ ist ein hilfreiches Werk - aber durch Studium der SDS Lehrhefte wurde mir klar, dass er nur „einen Kleinen Teil der Schreibkunst“ abdeckt, obwohl er selber behauptet „Mehr muss man nicht wissen.“ Es ist amerikanisches Werk, dass ziemlich viel das eigene Ego boostet. Aber mit kritischem Blick, kann man den einen oder anderen Tipp daraus mitnehmen. Es ist wahrscheinlich 20 Jahre her, dass ich ihn gelesen habe :sweat_smile:

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Ich hab mit 25 Jahren Abstand zum zweiten Mal Frank Herberts Dune gelesen. Er hat ein absolut faszinierendes Worldbuilding, das einen tief in die Welt eintauchen lässt, aber das Buch hat neben vielen anderen Dingen (Schwarz/Weiße Charaktere, völlig unrealistische Dialoge etc) einen riesigen Schwachpunkt: die Handlung ist absolut vorhersehbar.

Herbert erklärt JEDEN Plan der Bösen detailliert, und sie treffen dann GANZ GENAU SO ein.

Beim ersten Mal ist man von diesem „Kniff“ überrascht, beim zweiten Mal realisiert man, dass es kein Kniff war, sondern dass er keinen Wert auf Spannungsaufbau gelegt hat.

Und trotzdem hat das Buch Kultstatus (es ist natürlich auch schon älter und die „Konkurrenz“ war geringer). Wenn ich so ein bekanntes Buch jetzt als Negativbeispiel ziehe, will ich damit sagen: wir sollten alle entspannter sein :see_no_evil:

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Da stimme ich zu. Ich merke das häufiger an „modernen Serien“, dass hier beinah „zwanghaft“ nach Wendungen gesucht wird im Sinne. „Ja, er könnte der Mörder sein - garantiert ist er es nicht.“ Oder irgendwas seltsam Zufälliges passiert. Oder man erzählt die Geschichte extrem fragmentiert, sodass die eigentlich harmlose Story erst am Ende Sinn macht. Irgendwie muss da jeder selber schauen, wie ein gesunder Mittelweg aussieht :slight_smile:

Ich hatte vor zwei/drei ? Jahren Dune nochmal gestartet, und genau bei 70% des Buches, kam die plötzliche Neuverfilmung raus :wink:

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Vorhersehbarkeit ist ja nicht schlimm. Je nachdem, was man erreichen will. Das ZDF füllt seit 100 Jahren den Sonntagabend mit vorhersehbaren Geschichten und wahrscheinlich ist es das erfolgreichste Format, das sie haben.

Bei unvorhergesehenen Wendungen muss man eben auch schauen, dass es glaubwürdig ist. Ich würde denken, dass man dafür recht sauber plotten muss. Agatha Christie hattest du angesprochen - ich finde beispielsweise „Mord im Spiegel“ meisterhaft in diesem Sinne

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Dune zeigt ziemlich deutlich, dass die Welt, in der sich ein Roman abspielt, oft wichtiger als der Plot ist. Wenn die Welt interessant und die Protagonisten glaubwürdig sind, dann ist der Plot (beinahe) nebensächlich. Das ist zumindest meine Erfahrung :grinning:

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Ich stimme zu. Zu den Lieblingsbüchern meiner Jugend gehört der Schwerttänzer Zyklus von Jennifer Robertson. Es ist genau genommen ein Fantasywerk, dass eine langsame Romanze (Slowmance? :wink: ) über mehrere Bände, zwischen zwei Schwertkämpfern, unterschiedlicher Lebenseinsichten zeigt. Er, der Macho, aus einem „ich nenne es mal fernöstlich angehauchten“ Fantasyland und sie als gemeinisvolle „nordische“ Kriegerin. Die Handlung ist zwar wichtig, aber eigentlich begleitet man die beiden auf ihrer unendlichen Reise durch Hitze und Sonnenbrand, weil es irgendwie eine interessante Welt ist.
Das Besondere an der Buchreihe ist, dass sie komplett aus Sicht einer Person geschrieben ist und der Leser stets nur so viel weiß, wie der Protagonist. Mir hat das gefallen.

Jupp. Die Handlung ist auch für mich oft nur Beiwerk und im Vergleich zu anderen Aspekten fast zu viel Energie dafür aufgewendet. Woran erinnere ich mich nach 20-30 Jahren?

An den unbedarften Simon Mondkalb und seine Tollpatschigkeit. Ich spüre Ned Starks brennendes Ehrgefühl und ich sehe Roland am Lagerfeuer in der Wüste sitzen, seine Revolver putzend über die Worte der Manni nachdenkend.
Han und Luke würden wir wahrscheinlich auch kennen und lieben, wenn sie nicht gegen das große Reich gekämpft hätten, sondern den kostbaren Kristall aus dem fernen Gefängnisplaneten gestohlen hätten. Die Protagonisten waren das Alleinstellungsmerkmal, der Selling-Point.

Von daher ist mir ein vorhersehbarer Twist eher egal, solange ich mich gut unterhalten fühle. Und wo hatte zB H.P. Lovecraft überhaupt einen Plottwist? :sweat_smile:

(Ja, mieses Beispiel…)

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Lustig, denn gerade in epIV sind diese Charaktere eigentlich extrem farblos und uninspiriert. (Bin bekennender SW Fan, und es schmerzt ein wenig das zu sagen). Klare Stereotypen: ein Farmjunge mit Erlöserpotential, ein ziemlich langweiliger Pirat, der geläutert wird, eine Prinzessin, ein abgehalfterter Ritter… Woran wir (ich) mich als erstes erinnerte war… der Bösewicht! Ich glaube, dass Harrisson Ford den Charakter hasste, weil er so wenig Entwicklung und Interessantes bot.

Interssant zu der „Weltentheorie“ ist auch das funktionierende Gegenteil. Eine Handlung, die ohne Welt funktioniert. Im Theater immer unglaublich intensiv. Z.B. „Gott des Gemetzels“, das ohne große Schauplatzwechsel auskommt und beim Anschauen schmerzt, weil so perfekte Dialogdynamik dabei ist. Kammerspiel als Genre. Ein Raum, ein Tisch, keine konstruierte Welt…

Ach ja - rein subjektive Meinung! Kann sein, dass nur ich das so empfinde…

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das hängt einfach von dem Buch ab. Ob das „oft“ ist, liegt wahrscheinlich daran, wie man seine Lektüre selektiert. Ich kenne auch genügend Bücher, die eigentlich nur aus Handlung bestehen - ohne Wertung.

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