Die Macht die gleichen Wörter in etwas anderes zu verwandeln

Worte sind wie Pinselstriche. Die Palette ist dieselbe – und doch malt jeder Mensch ein anderes Bild. Besonders Autorinnen und Autoren kennen dieses Phänomen: Wir alle arbeiten mit den gleichen Buchstaben, mit denselben Worten, denselben Satzzeichen. Es gibt keine geheimen Vokabeln, kein exklusives Alphabet. Und trotzdem entstehen jeden Tag völlig neue Welten.

Was also macht den Unterschied?

Ist es der Blick, mit dem wir schreiben. Die Erfahrungen, die wir einfließen lassen. Die Art, wie wir einen Satz atmen lassen oder ihn abbrechen, um Spannung zu erzeugen. Eine Liebesszene in den Händen der einen Person wird zu einer zarten Berührung – bei der anderen zu einem Sturm. Eine einfache Tür kann Symbol für Freiheit sein – oder für Gefangenschaft.

Die Magie liegt nicht in den Worten selbst. Sie liegt in dem, was wir durch sie sagen wollen.

Manchmal frage ich mich: Ist es nicht faszinierend, dass zwei Menschen den Satz „Es war einmal“ schreiben können – und am Ende steht bei einem ein zartes Märchen und beim anderen ein düsterer Thriller?

Was sagt das über Sprache aus? Und was über uns?

Vielleicht ist Schreiben nicht das Aneinanderreihen von Wörtern, sondern das Anordnen von Bedeutungen. Vielleicht nutzen wir Worte wie Musiker Töne – und jede Geschichte ist eine neue Komposition.

Mich würde interessieren:
Wie geht ihr mit dieser „Gleichheit“ um? Empfindet ihr sie als Einschränkung – oder als Freiheit?

Lasst uns darüber sprechen :slight_smile: !

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Ich vergleiche das mit einem Kochrezept. Wenn alle nach dem gleichen Rezept kochen, schmeckt das Ergebnis trotzdem nicht gleich. Das liegt m. E. an der persönlichen Note, die bewusst oder unbewusst kreiert wird.
Etwas Salz oder eine Prise Salz - jeder interpretiert diese schwammige Mengenangabe anders. Oder auch: Mit Gewürz xy abschmecken.

Ich sehe das weder als Einschränkung noch als Freiheit. Es ist einfach so. Ich empfinde es ja auch nicht als positiv oder negativ, ob mein Nachbar nun blaue oder grüne Augen hat.

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Da bin ich sofort dabei :wink:

Dieses Bild, das du hier wie ein Maler mit Worten zeichnest ist genau das, was das Schreiben ausmacht.

und:

Ich finde: Ist es nicht etwas ganz Besonderes, aus immer den gleichen Zutaten ein immer neue Gerichte zu zaubern? Wie ein Koch, dessen Kreativität jeder schmecken kann?
Es ist mir egal, wie viele Ingredienzien ich dazu benutzen kann/muss. Mein Kollege hat dieselben Zutaten und erschafft daraus eine andere Geschmacksvariationen.
Und so geht es mir als Autor: Die Kombination der Zutaten macht es aus …

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Ist ja sehr witzig, dass @a-i-brecht und @Suse die gleiche Anekdote erzählen. Interessant!

Aber genauso faszinierend finde ich es auch, dass Wörter so umfassend sein können, obwohl sie das Gleiche bedeuten.

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Quod erat demonstrandum :blush:

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Dabei koche ich noch nicht einmal, höchstens hin und wieder eine Buchstabensuppe.
Und schon wieder: Wie oft ist hin und wieder? Auf einer Skala eher in Richtung selten oder in Richtung nicht häufig? Fest steht doch nur, dass auf der Skala immer ausgeklammert werden kann.

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Geschriebenes lässt einen immensen Spielraum für Interpretation, da idR. viele Informationen (Betonung, Tempo, Lautstärke, Pausen usw.) fehlen. Je nach persönlicher Erfahrung und momentaner Stimmungslage kann dieselbe Formulierung deshalb verschieden aufgefasst werden.

Das schafft Freiraum und ist für mich DAS Merkmal der Kunst. (egal welcher)

Ich empfinde die Vielfalt unserer Sprache als Geschenk und es macht mir großen Spaß, an einem Satz zu feilen, bis meine Worte genau sagen, was ich ausdrücken will. (Wie sehr das von der persönlichen Stimmung abhängt, sehe ich immer wieder, wenn ich Texte überarbeite.)

Ich bin immer neugierig darauf, wie andere eine Geschichte/ Bild, was auch immer verstehen. Es macht Spaß darüber zu sprechen und manchmal werde ich auch mit einer Sichtweise konfrontiert, die ich selbst nie eingenommen hätte.

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Ich koche gerne und oft, aber selbst bei Gerichten, die ich seit zig Jahren mindestens einmal im Monat mache, schmeckt es jedes Mal ein bisschen anders.

Schreiben ist aber noch viel faszinierender: Wie haben gerade mal poplige 26 (!!!) Buchstaben zur Verfügung. Daraus schaffen wir nicht nur eine Unmenge an Worten, jeder von uns wendet sie anders an. Auch mit demselben Thema aus demselben Buchstaben-Pool wird jeder einzelne Mensch etwas Eigenes, Unverwechselbares erschaffen. Und um dem noch eins draufzusetzen, scheint diese Ressource unendlich zu sein und nie zu versiegen. Also Leute, wenn das keine Magie ist, dann weiß ich auch nicht!

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Ohne Zauberstab … ohne Feenstaub … einfach Magie
:hugs:

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Das „sondern“ impliziert einen Widerspruch, den es in der Aussage aber nicht gibt. Ein gutes Beispiel dafür, dass Sprache der Genauigkeit willens präzise genutzt werden muss. Zumindest, wenn man ein solches Thema vertiefen will.
Verschriftlichte Sprache ist natürlich zunächst die Aneinanderreihung von Worten. Syntax und Semantik eröffnen aber Möglichkeiten, die dieser Vereinfachung nicht gerecht werden. Ich nehme an, dass teilt jeder hier.
Es ist auch die Aneinanderreihung von Bedeutungen. Allerdings -und das ist das spannende- müssen diese nicht deckungsgleich sein.
Malen wir ein Wortbild:
In der Mitte des Raumes stand ein Stuhl.

Wie der Raum aussieht wird jeder anders assozieren. Ebenso den Stuhl. Holz, Metall. 4 Beine oder Freischwinger? Das ist der Grundsatz der Semantik. Wir versuchen als Erzähler Bilder zu transportieren, manchmal möglichst präzise, manchmal wage.
Dann folgt die Syntax. Kurze Sätze oder endlose Schachtelungen? Dichtung, Doppelung, Auslassung?
Dann die Perspektiven: Bewusstseinsstrom oder Beschreibung? Ich, Du, er, sie, es?
Präsens oder Past?
Satzzeichen oder gar keine, wie Joyce?
vielleicht sogar der verzicht auf groß und kleinschreibung?

Es gibt keine Gleichheit. Dafür eine riesige Sandkiste, in der wir spielen können, was immer wir möchten. Die Kunst ist es, das Spiel so zu treiben, dass andere vielleicht sogar Lust haben mir dabei zuzusehen…

Und dabei hab ich noch nicht einmal etwas über Inhalten, Themen, Metaphern, Vergleiche, Wortschöpfungen gesagt…

Die größte Einschränkung ist mein Talent. Aber umso mehr bewundere ich Autoren, die ihr Handwerkszeug konzentriert und gleichzeitig so perfekt benutzen, dass es spielerisch wirkt…

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Ich wähle jedes Wort mit viel Liebe aus. Dann werfe ich die Texte weg.

Echt? Ist es nicht schöner sie aufzubewahren, man weiß nie wann man den Funken wiederfindet :o oder bin ich zu dumn für diese Metapher?

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Ich komme von den schönen Worten her, die hängen in der Vorstadt an den Bäumen. „Nimm uns mit, nimm uns mit dir mit - wir zergehen auf der Zunge wie Eiscreme …“

Dieser Thread haut mich vollkommen aus dem Gleis. Ich weiß nicht, was ich dazu schreiben soll. Ich weiß nicht, was ich überhaupt schreiben soll, ja ob ich überhaupt schreibe oder nur an der Tastatur sitze und das hineintippe, was dieses kleine 15-jährige Biest in meinen Kopf mir ansagt.
Ich mache mir beim Schreiben keine großen Gedanken über die Wortwahl, ja oft nicht mal beim Überarbeiten. Ich weiß, wie ein traumatisierter, verletzter, verängstigter Teenager denkt und wie man spricht, wenn man nichts zu sagen hat. Ich weiß, dass Gabi gehört werden will, dass ihre Geschichte erzählt werden muss und dass diese Geschichte keine Wohlfühl-Story ist. Aber eben auch kein Splatterpunk werden darf.
Ich hoffe, so zu schreiben, dass die, die diese Geschichte lesen wollen, meine Protagonistin verstehen. Vielleicht erreiche ich meine Leser:innen emotional. Angeblich tu ich das manchmal sogar.
Ich habe keine akademische Ausbildung. Ich kann kaum richtiges Deutsch, geschweige denn immer in Worten ausdrücken, was mein Herz bewegt. Manchmal sitze ich über den Text, an dem ich arbeite und weine. Manchmal möchte ich jemand in die Fresse schlagen, wegen dem was ich schreiben muss.
Manchmal reicht mein Sprachvermögen einfach nicht aus. Ich kann zwar noch immer die Zeichen zu Worte, die Worte zu Sätze, die Sätze zu Szenen zusammenfügen, aber ob die, die das lesen, auch das erkennen, was ich ausdrücken wollte, entzieht sich meiner Kenntnis.

Ich koche gerne. Manche sagen, mein Welsfilet auf Spargelrisotto sei wirklich hervorragend. Aber ob es auch dir schmeckt, kann ich nicht wissen. Wenn nicht, dann entschuldige bitte. Ilsebill salzte nach.

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Du hattest doch ein striktes Wegwerfverbot! Hast du etwa schon wieder dagegen verstoßen?

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Ne ne, bist nicht zu dumm. Der zweite Satz war gar keine Metapher :slight_smile:

Es könnte sein, dass ich ein klein bisschen rückfällig geworden bin. Aber nicht sonderlich schwer. Viele Texte leben noch.

Reiß sich zusammen! Ich könnte dir einen Buchstabengnadenhof anbieten. Damit kein Text mehr sterben muss. Sätze benötigen doch nur wenige kb.

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