Hallo liebe Leser und Kritiker
Ich möchte euch gerne mit neuem Lesestoff versorgen (auch wenn ich noch ganz frisch bin hier im Forum), falls ihr Lust habt, mit mir zusammen in eine fantastische Welt einzusteigen.
Ich bin erst vor Kurzem zum Schreiben gekommen, und probiere momentan einiges aus. Das folgende Stück ist ein erster zaghafter Versuch. Ich glaube, da muss noch viel mehr charakterliche Tiefe rein, aber meine Testleser sind mittlerweile auch fast betriebsblind Also spanne ich euch nicht weiter auf die Folter…
Als der junge Zauberlehrling mit Namen Joshua sich abermals über sein zu großes Mundwerk ärgerte, das ihm diesmal eine ungewohnte Strafarbeit eingebracht hatte, konnte er noch nicht ahnen, dass eine weitaus größere Herausforderung in eben diesem Moment dabei war, einen schrecklichen Mord zu begehen.
Im Gegenteil - seine ganze Aufmerksamkeit galt dem behaglichen Kaminfeuer, das eine angenehme Wärme verbreitete. Es war ruhig in dem alten Turmzimmer. Nur ab und zu knackte ein Holzscheit.
Das war in der Tat ein echtes Feuer, aus echtem Holz, und so etwas war selten hier auf der Insel. Denn viel wurde durch Magie bewirkt und Joshua konnte von Glück sagen, dass er noch ein paar Scheite im Keller gefunden hatte. Sogar trockene! Der Abzug war seit einiger Zeit fast gänzlich verstopft, und feuchtes Brennmaterial konnte schnell den gesamten Raum einnebeln.
Gedankenverloren sah er zu, wie die Flammen unaufhaltsam das Holz verzehrten. Ein Kampf der Elemente. Feuer ist stärker als Holz, dachte Joshua. Holz verbrennt. Feuer braucht aber Holz zum Leben. Ein Widerspruch in sich… ebenso dumm, wie seinen eigenen Lehrer zu verhöhnen. Allerdings muss Feuer dafür auch keine Strafarbeit leisten.
Der Zauberlehrling seufzte schicksalsergeben. Philosophieren hatte keinen Sinn, denn davon wurde die Arbeit nicht fertig. Er wandte sich wieder dem schweren Eichenholztisch zu, auf dem das Zauberbuch aufgeschlagen und geduldig auf ihn wartete. Geduldiger als Meister Bonifazius, denn dieser hatte seinem Schüler nur bis zum Abendessen Zeit gegeben, den magischen Kreis zu vollenden. Und das ausgerechnet im zugigsten Turmzimmer der ganzen Insel. Sobald man nur einen Schritt vom Feuer weg tat, kroch die Kälte schon in alle Knochen.
So blieb der junge Lehrling also am Kamin stehen und betrachtete sein bisheriges Werk mit ein wenig Abstand. Abstand ist manchmal gar nicht so schlecht, sinnierte er und überdachte seine nächsten Arbeitsschritte.
Vor ihm auf dem polierten Steinboden war ein zwei Schritt durchmessender Kreis aus Kreide aufgemalt, mit den Symbolen der zwölf Tierkreiszeichen an der Innenseite. Was er mit einem „Selbstverständlich, Meister“ so einfach abgetan hatte, hatte sich plötzlich viel schwieriger als erwartet dargestellt. Denn die Symbole mussten genau wie im Buch abgebildet gezeichnet werden, im richtigen Winkel, und in der passenden Größe. Er starrte auf den Stier. Das Zeichen für den Stier, oder Taurus, wie er im Unterricht gelernt hatte, bestand aus einem Kreis, an dessen Oberseite zwei kleine Hörner in Form von gebogenen Strichen angezeichnet waren. Sieht aus wie ein Kopf mit einer Schüssel oben drauf. Eine Schüssel Pudding. Vanillepudding von Maggy.
Seine Gedanken schweiften schon wieder ab. Joshuas Magen fing an zu knurren und er stöhnte laut auf. Langsam wurde ihm das Ausmaß dieser Strafe bewusst. Warum musste er ausgerechnet an Vanillepudding denken? Ärgerlich starrte er die Kerzen an, die auf dem Tisch standen. Sie spendeten kaum ausreichend Licht, aber es waren die letzten im Lager gewesen. Er hatte nur noch diese paar Kerzen aus Vanillewachs gefunden, und der Duft erinnerte ihn unaufhörlich an den fabelhaften Nachtisch der Turmköchin. Ich habe die ganze Woche noch keinen Pudding gehabt. Versonnen dachte er an letzten Sonntag, als er so viel von der leckeren Speise verdrückt hatte, dass er nachts vor Magenschmerzen kein Auge hatte zutun können.
Das ferne Läuten der Glocke aus Richtung Dorfkirche holte ihn in die Gegenwart zurück und gab ihm zu verstehen, dass ihm nur noch eine Stunde Zeit blieb, um sein Werk zu vollenden.
Er atmete einmal tief durch und trat entschlossen vom Feuer weg, zurück in die Kälte des schmucklosen Raumes. Dabei versuchte er, die Kreide am Boden nicht wieder zu verwischen, was ihm an diesem Nachmittag leider schon mehrfach gelungen war.
Das Turmzimmer war Teil eines großen Gemäuers, das wie eine uneinnehmbare Bastion auf dem höchsten Punkt der Insel stand und das Eiland überwachte. Es wurde langsam dunkel und die ersten Lichter gingen in den Fenstern an. Geschäftig eilten Lehrlinge hin und her, um Botengänge für ihre Ausbilder zu erledigen. So kurz vor Einbruch der Dunkelheit besannen sich die weisen Magi darauf, dass es mehr als nur verstaubte Bücher im Leben gab. Sie ließen sich frische Kleidung besorgen, Bäder mit heißem Wasser vorbereiten, und die aufgetürmten Pergamenthaufen sortieren, die sich im Laufe des langen Tages angesammelt hatten.
Der Rest der Insel lag verschlafen da, selbst im Dorf war niemand zu sehen. Über der Anlegestelle lag Nebel, und der Blick aufs Meer endete nach wenigen Bootslängen vor einer grauen Wand.
Der einzige Wanderer, der an diesem Abend im nahen Wald unterwegs war, sammelte Nüsse für den Winter. Er kümmerte sich dabei nicht um den blassen Wolkenstreifen, der dicht über den Baumkronen in Richtung Turm segelte. Eichhörnchen machten sich nicht viel aus dem Zusammenhang zwischen Wind und Wolkenbewegung, deshalb war eine Verdunklung des Himmels nichts Ungewöhnliches. Selbst wenn kein Lufthauch zu spüren war.
Der Wolkenstreifen hatte ebenfalls nichts mit Nagetieren zu schaffen. Er wurde mal schneller, mal langsamer, und strebte dann auf eine bestimmte Stelle im Wald zu, um schließlich und plötzlich innezuhalten.
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Viele Grüße
Mario