Hallo zusammen!
Ich stoße heute Abend zum ersten Mal auf diese Community und bin angenehm überrascht von ihrer Vielseitigkeit. Da möchte ich doch gleich etwas beitragen! Es folgt ein erster Textausschnitt einer Kurzgeschichte zum Thema „Tradition und das Individuum“ von (nur) 300 Wörtern, meine erste Annäherung an das Episch-Prosaische, welche gerne genau unter die Lupe genommen und kritisiert werden soll. Besonders wenn es um die verständliche Darstellung verschiedener Bezugsverhältnisse geht wie in Abschnitt zwei, bin ich für Anregungen und Vorschläge offen. Vielen Dank für eure Zeit!
Der Schalter
Rot und rostig stand das Garagentor in der Einfahrt. Dutzende Male musste es sich jeden Tag öffnen und schließen; es erfüllte seinen Zweck. Und es öffnete sich jeden Tag auch ein paarmal für den alten Hausmeister des dazugehörenden Häuserkomplexes. Der war zwar schon etwas behäbiger, seine alten Glieder machten nicht mehr richtig mit, konnte allerdings neben seinen anderen Aufgaben auch die eine recht gut erfüllen: Jeden Tag, etwa um dieselbe Uhrzeit, kam er hinunter, erledigte dies und jenes und betätigte beim Verlassen der Tiefgarage einen unscheinbaren Schalter, der sich in einer kleinen Aussparung in der Wand hinter einem Fahrradständer versteckte. Um ihn zu erreichen, kämpfte sich der alte Mann durch Aluminiumständer, Karbonlenker und Metallspeichen. Später musste er dann Mal für Mal die Fahrräder wieder so herrichten, wie sie da zuvor gestanden hatten.
Wie auch über seine sonstige Arbeit hatte sich darüber noch nie jemand beschwert, und es war auch noch nie dazu gekommen, dass dieser Schalter Schlechtes verursacht hätte. Im Gegenteil: Niemand, nicht einmal der Hausmeister selber, vermochte zu sagen, was er auslöste – einen geheimen Mechanismus? Tief verborgen in dem alten Wohngebäude? Oder handelte es sich bloß um eine technische Belanglosigkeit?; vielleicht war der Schalter an kein System mehr angeschlossen, und man hatte ihn einfach vergessen. Dem Alten war das egal. Er betätigte ihn dennoch, weil er die Gewohnheit seines Vorgängers wahren wollte. Dieser hatte damals schließlich jeden Tag dasselbe getan, den Nachfolger allerdings nie von der Bedeutung des Hebels unterrichtet.
Die Unscheinbarkeit, mit welcher sich jener Schalter umgab, war für den gegenwärtigen Hauswart weniger eine Bestätigung von dessen Irrelevanz als ein Beweis des Gegenteils. Und daran hielt er fest: Jemand musste den Schalter dort in voller Absicht angebracht haben.