In der Tat steht zwischen deinen Zeilen mehr als in diesen. Das kann gut sein, muss aber nicht unbedingt, denn du überlässt hier viel der Interpretation der Lesenden. Da sind mitunter Missverständnisse vorprogrammiert, wenn du nicht vorher oder nachher ein paar hard facts preisgibst. (W-Fragen stellen und entscheiden, ob die Antworten der Geschichte dienlich sind oder aber ihr Fehlen hinderlich)
Die Sequenz ist aber sehr empathisch und einfühlsam beschrieben, doch gleitest du bisweilen immer wieder ins mystische ab. Wenn das Absicht ist, dann ist es gut, wenn nicht wieder ad hard facts. Der fast lyrische Rhythmus gefällt mir sehr. Wenn du in dem Stil bleiben willst, dann liess mal Mary Shelley parallel dazu. Oder Droste-Hülshoff. Oder Kleist. (Mich jedenfalls hat das sehr an deren Metrik erinnert.)
Ahhh alles was ich gerade umformuliere wird zu Reimen…. Ich glaub das Grauen hat mir Prunksitzungskekse in den Rachen geworfen….
Könnt ihr mich nochmal kurz schütteln, damit die Satzmelodie nicht weiter abdriftet???
(Ach und versteht man es so? Also nicht wörtlich, es soll schon Interpretationsraum behalten aber halt nicht ganz so viel wie am Anfang)
Der Riss
Sie waren mir dankbar dafür, dass ich ihnen einen Ort gab, an den sie mit ihren Schmerzen gehen konnten. Nicht nur den körperlichen, sondern auch den verborgenen seelischen Schmerzen. Der körperliche Schmerz, so schien es, war tolerierter, seelischen Qualen wurden jedoch in Schubladen versteckt und in sich drin begraben, hinter all dem Kram, der am Tage aufgelaufen war. In gewisser Hinsicht war ich ihr Therapeut, wenn auch wider Willen, anscheinend jedoch so gut, dass sie meist zurückkamen. Dabei, so muss ich zugeben, sagte ich wenig und hörte viel.
Nachdem sie mein Zimmer verlassen hatten, schüttelte ich ihre Geschichten ab, als wären sie kleine Sandkörner, die der Wind auf meine Haut geblasen hatte. Natürlich verklemmte sich hier und da ein Korn unter meinen Fingernägeln oder blieb in meinen Haaren hängen. Doch im Großen und Ganzen nahm ich ihre Geschichten nicht mit. Ja, im Großen und Ganzen konnte ich meine Welt vor ihrem Schmerz schützen.
Doch an einem Montag im Januar, es war kalt und ich erinnere mich, dass eine Krähe vor meinem Fenster im Schnee pickte, trat S. in mein Zimmer.
Das Erste, was mir an ihr auffiel, war wohl ihre Schönheit. Mir ist die Oberflächlichkeit bewusst, doch möchte ich ehrlich bleiben. Obwohl sie ungeschminkt war, waren ihre Wangen rosig und auf ihrer Lippe saß, wie zufällig gemalt, ein kleiner brauner Fleck.
„Ich weiß nicht, ob ich hier richtig bin. Es heißt, Sie können Schmerzen nehmen?“, fragte sie und wartete auf meine Antwort.
„Das wird mir nachgesagt“, antwortete ich so diplomatisch und vage wie möglich. Was sollte eine so junge Frau zu mir führen?
Ohne mich anzuschauen begann sie zu reden und so änderte sich Wort für Wort mein bisheriges Leben.
„Vor kurzem stand ich auf einer Lichtung“, sagte sie. „Es war Nacht und unendlich still.“
Sie sprach leise, kaum hörbar und mit ihrem linken Zeigefinger malte sie dabei kleine Kreise auf den Tisch.
„Ich hörte kein Rascheln und die Bäume warfen böse Schatten, wie Gefährten aus einer anderen Welt.“
Ihre Stimme zitterte, doch wirkten ihre Worte gewählt, poetisch beinahe und zwischen ihren Sätzen hingen lange Pausen.
„Ich weiß, da war etwas Anderes. Etwas, das mich lähmte, ich konnte keinen Schritt mehr tun. Ich war bewegungslos und doch war ich getrieben. Meine Luft, sie wurde knapp und mein Herz, es war auf einmal schwer. Wie ein Hammer schlug es in meiner Brust und konnte doch nicht raus. Mir war ganz eng und meine Gedanken waren mir nicht meine eigenen. So stand ich da und wartete - auf mein Schicksal vielleicht.“
„Dann trat was zu mir, es kam aus den Schatten, ich kann es nicht beschreiben und wenn ich es müsste, würde ich sagen, so wars das Grauen selbst.“ Sie zögerte, als würde sie an dem Gesagten zweifeln. „Sie denken bestimmt, ich bin von Sinnen. Auf meine Weise bin ich das wohl. Obwohl ich glaube, dass es bloß ein Traum war, hat es sich an mir festgekrallt, hat mir die Haut zerrissen, ist in mich gekrochen und brodelt dort tief in mir drin. Sobald es dunkel wird, kriecht es aus den Ritzen, es lässt mich Schmerzen spüren, und es würgt mich immer zu. Vielleicht ist es der Wahnsinn oder gar die Hölle, doch das Grauen lässt mich nicht in Ruh.“
Ihr Leid war offensichtlich, woher es kam, war mir jedoch nicht klar. Bislang kannte ich das Grauen nur in menschlicher Struktur, in Träumen und Gedanken war es mir so plastisch nie begegnet. Ja, ganz naiv sprach ich mit ihr als wäre sie ein Kind und doch war ich der Unwissende. „Wenn Sie möchten, können Sie Ihre Träume hier ablegen“, sagte ich und dachte, dies wäre schlau „mitsamt dem Schmerz und dem Grauen obendrein. Ich passe auf, dass sie Ihnen ja nicht folgen.“
Sie warnte mich, doch ließ ich mich nicht beirren. „Ein Traum, der kann uns nicht verletzten, ist nur ein Traum der nach der Nacht zerbricht. Die Angst vorm Dunkeln, liegt uns Inne. Doch sie ist unbegründet und sie hält sich nicht. Ja, auch ein Schatten ist und bleibt ja nur ein Schatten und bei Dunkelheit fehlt auch nur Licht.“
„Ich glaube, Sie haben nicht verstanden“, antwortete sie und zeigte mir den Riss auf ihrer Haut. Ich sah sie an und alles wurde finster, da kroch was raus und es hat mich gegraut.
Seitdem sie fort ist, höre ich nun die Stille rufen. Wenn niemand spricht und ich alleine bin. Und im Traum steh ich dort auf dieser Lichtung. Und die Schatten kreisen zu mir hin.
Waren nicht meine eigenen
Es war das Grauen selbst.
Und die Schatten kriechen zu mir hin
Ansonsten viel besser. Gut verständlich. Weiterhin mystisch und mit eigenem Stil.
Gefällt mir
Liebe @HannahK
Ich hoffe, du kannst meine Korrekturen annehmen. Ich tue mich als Anfänger immer schwer damit, andere zu kritisieren, so als ob es mir nicht zustünde.
Ich würde „… und wartete auf meine Antwort.“ streichen, es sei denn, sie musste tatsächlich lange warten.
Ich würde „etwas“ schreiben.
Ist mir zu vage. Ein Tier? Ein Nebel?
Ansonsten gefällt mir die zweite Version schon besser.
Koebes: Du bist ein Leser und das schon lange. Da ist es egal, ob du erst kurz schreibst oder nicht. Ganz im Gegenteil: Die Leser sind die, die entscheiden, ob eine Story gut und flüssig ist, ob sie sie lesen wollen. Nicht der Autor. Von daher kannst du ruhig kritisieren.
Natürlich darfst Du das kritisieren - ich frag Euch ja!
Warum machst du da einen Absatz und unterbrichst die wörtliche Rede, denn sie geht doch weiter?
Das finde ich noch ein klein wenig dünn. Vor allem der erste Satz mit der Stille.
Ansonsten finde ich die Version gut. Wie bei der ersten, denkt mein Kopf, dass ein alter Baum spricht. Ein großer Baobab oder so. Etwas Heiliges. Dann bin ich wieder im Zimmer.
Uuuuh! Das ist eine Ansage, ich bin baff. So weit kann wohl nur eine Frau denken. @EffEss, ich knie mich nieder vor dir!
Tschuligom. Wollt dich nicht erschrecken.
, nee hast du nicht. Ich schreibe gerade über einen Jungen, der in den Bäumen lebt und unsichtbar (von den Menschen nicht beachtet und vergessen ) mit ihm verschmilzt.
Sehr gut.
Ein paar Mal „was“ durch „etwas“ ersetzen. Kleinere Unachtsamkeiten, aber insgesamt wow! Nur das Ende ist zu fix… da will Lovecraft übernehmen und dann das nicht fassbare Grauen etwas -aber nicht zu viel- in Form gießen. Quasi noch ein paar Minuten mehr, wo die Hölle übernimmt… bevor sie den Erzähler ratlos aber mit einer neuen Erkenntnis alleine lässt.