Der pfeifende Gast
Die Stille, in der Kindheit nicht verstanden, die Ruhe in der Jugend nicht ertragen, damals, niemals still und immer ruhelos.
Zwei Worte, die für mich durch den permanenten Besuch meines pfeifenden Gastes eine andere Bedeutung haben.
Die Stille sitzt stumm neben mir, sie wird immer wieder ausgepfiffen. Ich kann sie seit einiger Zeit nur sehr selten hören. Die Ruhe kommt auch immer weniger zu Besuch, weil sie sich nicht immer wieder vom pfeifenden Gast anpfeifen lassen möchte.
Ein Ozean im Kopf, voll Gedanken, voll Ideen und einem unhöflichen, rastlosen und vor allem pfeifenden Gast.
Ein Gast ohne Benehmen, er kam ohne Einladung. Er pfeift immer, ein endlos lauter Monolog, inhaltlich leer, aber immer präsent. Ein Gast, der keine Zeiten kennt und sogar auf diese pfeift.
Ein Gast, der mich fesselt, mich an sich drückt und niemals in Schweigen verfällt. Je mehr ich mich versuche, von ihm abzuwenden, desto lauter wird er.
Er ist wie ein Pfeifen aus dem Inneren, wie Lärm, der nie verhallt. Wende ich mich von ihm ab, so kommt er wieder und wird sich dabei noch lauter darüber Beschweren.
Selbst im Sturm einer der seltenen stillen Nächte, wenn mich die Ruhe besucht, macht er mir die Ruhe zum Feind, so dass mich an diesen Nächten sogar der Schlaf meidet. Kommt mich dann der Schlaf besuchen, so ist er immer noch sehr scheu und stört sich an jedem noch so kleinen Geräusch, vor allem in den ersten Nächten.
Die Nächte und Tage mit Ruhe sind selten, da der pfeifende Gast kein Benehmen kennt. Er kommt immer dann, wenn es ihm passt. Seine Brüder Stress und Hektik laden ihn auch immer wieder ein. Ihre Schwester Erschöpfung kommt meist Tage später noch dazu. Und da es ein Familientreffen ist, darf der Neffe Schmerz nicht fehlen. Er kennt zwar den Ort, kommt aber selten direkt vorbei. Meist besucht er vorher noch andere Teile und stößt dann über den Nacken oder die Stirn hinzu.
An diesen Tagen versuche ich die Stille zu suchen, leider ist sie nicht so stark um den pfeifenden Gast, samt Familie, zu verdrängen, dazu ist sie zu höflich.
Wenn ich sie aber dennoch für ein paar Stunden zu besuch hatte, gab sie mir genug Kraft, um mich mit der Familie des pfeifenden Gastes zu beschäftigen.
Ich vermisse Ruhe und Stille, die ich als Kind nie ertragen hatte und durch den Alltag besucht mich die Stille noch weniger, als die kurzen Momente mit der Ruhe.