sollte das Thema in diesem Forum falsch angelegt sein, bitte um entsprechende Verschiebung; ich habe nichts entsprechendes ausmachen können*
Ich befinde mich zur Zeit in der Vorplanung einer Adaption eines Klassikers der Weltliteratur. Die Geschichte soll in der Gegenwart oder einer möglicherweise nahen Zukunft liegen.
Bisher habe ich immer die Erzählperspektive des personalen Erzählers gewählt. In diesem Fall trage ich mich mit den Gedanken, den auktorialen Erzähler heranzuziehen.
Meine Gründe:
mal was Neues ausprobieren
es wird in Richtung Krimi, wenn nicht sogar Thriller gehen und ich dachte mir, für den Erzählrahmen täte eine Außenschau gut.
viele Charaktere, die allesamt wichtig sind; dadurch viele Perspektiven, welche die Erzählung verwirrend machen könnten.
Habt ihr Erfahrungen mit dem auktorialen Erzähler gemacht? Was sind für euch die Vor- und die Nachteile?
Das größte Problem wird wohl sein, dass viele Leute den auktorialen Erzähler gerade als unmodern betrachten.
Meine Erfahrung als Leser: das kann funktionieren mit super Ergebnissen.
Voraussetzungen: Die Geschichte muß gut sein und es muß gut gemacht sein.
Bestes Beispiel: Dune von Frank Herbert fällt mir spontan ein, es gibt aber auch noch andere.
Das befürchte ich auch. Der auktoriale Erzähler hatte zum Ende des 19. Jahrhunderts bis weit ins 20. Jahrhundert hinein Hochkonjunktur. Heute gilt er als etwas altbacken. Aber das heißt nicht, dass es ausgeschlossen ist, dass Du ihn benutzen kannst. Du musst ihn nur ein wenig „aufpeppen“ und ihn seinen Stärken gemäß einsetzen.
Eine gute auktoriale Erzählweise kann entstehen, wenn die Erzählstimme ein bisschen was Besonderes, z.B. Humor einfließen lässt. Da kommt es natürlich immer darauf an, ob dies zur Thematik passt. Ob z.B. ein Krimi eine humorvolle Note bekommen soll - das kannst nur Du selbst entscheiden.
Hilfreich kann ein auktorialer Erzähler im Fantasyroman sein, weil man so von Anfang an ungewöhnliche Lebewesen einführen kann, ohne dass es unnatürlich wirkt. Tolkien macht das z.B. im Hobbit. Allerdings würde ich Tolkien nicht mehr als modern bezeichnen. Er hat den Hobbit in den 1930er Jahren geschrieben. Trotzdem ist der Einstieg einfacher, wenn man aus der Sicht eines auktorialen Erzähler einen Hobbit beschreiben kann und dies nicht aus der Sicht eines Hobbits selbst tun muss, der in der aktuellen Handlungssituation wahrscheinlich gar nicht über die Besonderheiten seiner eigenen Spezies nachdenken würde.
Ein moderneres Beispiel finden wir bei Terry Pratchett und seinen Scheibenwelt-Romanen. Das folgende Beispiel stammt aus dem Jahr 2003 (Jahr der Veröffentlichung des Originals):
Sehr deutlich ist bei der auktorialen Erzählweise die Einmischung des Erzählers („gemütlich frühstücken“, „schnell trocknende Hexen“ etc.). Wenn man die geschickt einsetzt, kann man auch heute noch mit der auktorialen Erzählweise punkten, auch wenn sie an sich als unmodern gilt.
Noch eine Sache, die mir an dieser Erzählweise gut gefällt, auch wenn ich sie selbst noch nicht angewendet habe: Das Spiel mit den unterschiedlichen Ansichten der verschiedenen Figuren. Da der Leser beide Seiten kennt, die Figuren aber jeweils nur eine, kann so ein lustiger Gegensatz entstehen. Als Beispiel fällt mir auf Anhieb dazu nur Margaret Mitchells „Vom Winde verweht“ ein. Dort gibt es eine Szene, in der Charles Hamilton Scarlett O’Hara einen Heiratsantrag macht. Er ist wirklich in sie verliebt, sie stimmt der Verbindung nur aus Berechnung zu:
Auch wenn die Erzählweise - wie viele Dinge - einer gewissen Mode unterliegt, würde ich eine bestimmte Erzählweise nicht von vornherein ausschließen, nur weil sie als unmodern gilt. Allerdings würde ich mich genau mit dieser Erzählweise beschäftigen und all ihre Stärken und Schwächen herausfinden, um sie optimal einsetzen zu können. Gerade ein humorvoller Unterton wirkt nur, wenn man ihn auch den ganzen Roman über durchhalten kann. Sonst enttäuscht man die Leser nach kurzer Zeit.
Der auktoriale Erzähler ist vor allem schwieriger hinzukriegen als der personale Erzähler.
Beim personalen Erzählstil schaut man der Perspekivfigur über die Schulter, und die Darstellung der Figur und der Erzählton fallen in eins.
Der auktoriale Erzähler ist gewissermaße eine weitere Figur, aber eine, die außerhalb des Geschehens steht und es “von oben” betrachtet; die Darstellung der handelnden Figuren muss also noch einmal durch die “Persönlichkeit” eines Erzählers gebrochen werden – eine Ecke mehrn also, um die man denken muss.
Und dass es wenig gute zeitgenössische Vorbilder gibt, macht es nicht leichter.
*dachte sie schnell, indem ein Gedanke ihr durchs Hirn zog. *
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Ich stellte mir einen Erzähler aus dem Off eigentlich einfacher vor, weil man nicht im Auge behalten muss, aus wessen Sicht die Szene gerade beschrieben wird. Ich habe es allerdings auch noch nie ernsthaft mit ihm versucht.
Hmm, ich hab grad den gegenteiligen Eindruck. Man muss noch genauer aufpassen, die Perspektiven nicht zu mischen.
Damit ein auktorialer Erzähler nicht langweilt… sollte er irgendwie interessant sein und sich auch im Tonfall von den „echten“ Charakteren abheben.
Ich fürchte, ein guter auktorialer Erzähler wird extrem schwierig zu realisieren sein. Alles wissen, zwischendurch dezent behilflich sein, letztlich trotzdem nicht der spoilernde (ich mag das Wort) Spielverderber werden. Puh…
Wäre vielleicht mal ne nette Übung: mit auktorialem Erzähler schreiben und ihn, wenn „alles fertig“, komplett entfernen. Wenn der Text immer noch funktioniert, ist das wahrscheinlich ein gutes Zeichen…