Der allwissende Erzähler

Hallo liebe Leute,

ich schreibe gerade an einem Buch, wo der Erzähler allwissend ist. Dazu habe ich eine zentrale Frage: Muss dieser allwissende Erzähler, wenn er in das Gehirn eines Protagonisten sieht, das im Text unbedingt kenntlich machen? Zum Beispiel durch ein … dachte er. Oder kann er munter darauflosschreiben und abwechselnd schildern was passiert und Gedanken der Handelnden einfach einfließen lassen? Ich habe dazu ein Beispiel vorbereitet:

Mir stößt der Satz in der Mitte auf: Was für eine öde Scheiße. Genau genommen ist er falsch, denn der Erzähler beschreibt vorher und nachher Tatsachen. Der betreffende Satz aber entspringt direkt aus dem Hirn des Protagonisten. Ich meine, gelernt zu haben, dass das ein Perspektivfehler ist. So ähnlich wie ein Achsensprung beim Film. Aber es kann sein, dass ich auch gelesen habe, dass diese Art zu schreiben, modern ist. Sprich, dass es immer häufiger gemacht wird. Und dadurch natürlich auch größere Akzeptanz findet, als noch vor ein paar Jahren. Wie steht ihr dazu? Wie handhabt ihr das?

Vielen Dank im voraus,
Tilmann

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Die öde Scheiße würde ich schon begleiten mit: dachte er, Hans, Susi, etc. Denn ansonsten wäre es die Empfindung des Erzählers.

Edit: Vorausgesetzt, die vorhergehende Passage ist auktorial, was ich vermute, denn wo wäre sonst das Problem?

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Dein Textschnippsel ist für mich einfach die personale Erzählform, solange du die ganze Szene lang in der Perspektive dieser Figur bleibst. Der Perspektive treu zu bleiben ist dann alles, was du brauchst, um nicht jedes Mal “dachte er” beizupacken. Das ist dem Leser dann schon klar.

Zum auktorialen Erzähler würde es, wenn du sowas schreibst wie: “Was für eine Öder Scheiße, dachte er und ahnte nicht im Ansatz, wie viel schlimmer es noch kommen sollte.”

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Als falsch würde ich ihn nicht bezeichnen, aber als unvollständig.
Es ist richtig, dass er in deinem Beispiel erst die allgemeine Situation wiedergibt. Dann gibt er die Gedanken des Prota wieder. Deshalb muss m.M.n. der Satz heissen: ‘Was für eine öde Scheiße, ärgerte sich der Prota.’ Danach sind es dann weitere Gedanken des Prota, die der Allwissende verrät. Das ist kein Stilbruch, der Allwissende kennt ja alles. Indem du anhängst, wer da denkt, findet sich der Leser zurecht.

Der Allwissende sieht/hört/… alles und kennt auch, was kommen wird. Märchen sind meistens aus der Sicht eines Allwissenden geschrieben. Dass es mehr und mehr beliebt wird in diesem Stil zu schreiben, bezweifle ich allerdings. Es besteht dabei die Gefahr, dass der Erzähler als rechthaberischer Besserwisser eher negativ beim Leser durchschlägt. Ich gestehe: Mein Fall ist diese Erzählform gar nicht.

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Ich würde den Ausschnitt auch eher als personale Sicht sehen. Im Grunde sind die Aussagen doch seine persönlichen Ansichten, die ggf. nicht unbedingt der Wahrheit entsprechen müssen (ob die Angst mitvögelte, kann er nicht wissen, nur vermuten). Beim auktorialen Erzähler ist das Behauptete die Wahrheit (welche die Protagonisten ggf. anders interpretieren).

Von daher stösst mir das Was für eine öde Scheiße nicht auf, allerdings das er im Folgesatz. Wenn es seine Gedanken sind, sollte es auch *…musste ich alleine im Hotelzimmer verbringen *heißen.

Ich finde ja alleine schon toll, dass es in Gernsbach stattfindet, habe ich dort viele Sommer mit unseren Pferden verbracht.

Zu dem “was für eine öde Scheiße” denke ich mir, dass es in Kursiv eher passen würde. Wenn eben bis dahin schon bekannt wurde, dass der Erzähler mehr sehen und hören kann als andere.
Sprachlich ist das in vielen Romanen “in”. Arno Strobel verwendet das häufig.

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Dein Beispiel @DuaneHanson ist vollständig auktorialer Erzähler, ausgenommen, das du nicht erwähnst, wer hier denkt. Wichtig für den Schreibenden ist, dem Leser bewusst zu machen dass erzählt wird oder die Gedanken eines Protas wiedergegeben wird. Das sollte entsprechend jeweils kenntlich gemacht werden.
Solche Passagen in kursiv zu setzen ist leider eine schlechte Angewohnheit geworden (ich hasse das). Der Schreibende kann durch einen guten Kontext klarstellen, was da gerade, von wem, wiedergegeben wird.

Ich habe schon verstanden, dass er das denkt. Allerdings müsste der vorherige Text in Ich-Erzählung sein, damit das so funktioniert. Du hast ja den Erzähler genommen, der mit Abstand auf das Geschehen blickt. Hier könntest du tatsächlich … dachte er… ergänzend hinzufügen.

Wenn du einzelne Passagen in Ich-Form schreibst, angenommen der Proragonist, dann würde ich es wie hier schon angesprochen in kursiv setzen. Das machen die Besteller Autoren auch so und ist meines Erachtens nach gut gelöst.

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Muss nicht, es trägt aber für den Leser zum besseren Verständnis des Textes bei.

In diesem Fall würde ich auf jeden Fall ein *dachte er *einfügen, anderenfalls weiß man nicht, ob ‘was für eine öde Scheiße’ jetzt die Meinung des Erzählers oder die des Protas wiedergibt.

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Innerer Monolog ist zunächst mal kein “Fehler”.

Hier ist das Problem. Ich hatte auch schon mal eine Rückmeldung von einem Lektor, der einen direkten inneren Monolog
als Einwurf des Erzählers mißverstanden hat. Die Lösung war in dem Fall ein Wechsel auf indirekten inneren Monolog.
Dafür ist aber das Beispiel zu kurz.

Jedenfalls hat es nicht direkt mit der Erzählperspektive zu tun, meine war limited 3rd. Hauptsache, es wird für den
Leser klar, wer das Denken übernimmt.

Glücklicherweise gibt es ja kein Gesetz, wie du deine Geschichte zu schreiben hast. Höchstens Konventionen. Und da würde ich Stolpervogel zustimmen:

Für mich als Leser war sofort ersichtlich, dass der gesamte Textabschnitt (inklusive “Was für eine öde Scheiße”) aus Sicht des Protagonisten geschildert wurde. Der Tonfall hat das m.E. sehr gut deutlich gemacht. Anders wäre es evtl., wenn man den Rest des Abschnitts aus einer neutralen Erzählperspektive heraus formulieren würde. Dann müsste man das ggf. verdeutlichen:

Wäre aber langweiliger :wink:

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Es gibt auch beim auktorialen Erzähler verschiedene Erzählperspektiven.

  1. Die des auktorialen Erzählers
  2. Die der jeweiligen Figur, in die der Erzähler hineinkriecht.

Wenn die ersten Sätze des Beispiels aus Sicht des auktorialen Erzählers verfasst sind, dann muss die öde Scheiße einer figurativen Perspektive zugewiesen werden. Ansonsten ist es die Sicht des Erzählers.
Wäre sie figurativ, dann gibt es kein Problem, weil sie sich nicht ändert.
Aus diesem kurzen Textabschnitt geht das nicht eindeutig hervor.
Wär nett, wenn sich der Fragesteller mal dazu äußern würde. Es gibt mittlerweile eine Menge Antworten auf seine Frage. :wink:

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Ja, @Manuela K., da hast du völlig recht. Ich hatte tatsächlich anhand des Schreibstils angenommen, dass es sich um den von dir beschriebenen Typus 2 des auktorialen Erzählers handelt. In dem Fall wäre ein “dachte er” m.E. überflüssig. Wenn dem nicht so wäre, müsste das schon deutlich gemacht werden.

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Kann nicht. Er wartet doch im Hotelzimmer! :laughing: :laughing: :roll_eyes:

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Dazu heute (8.2.) in den Känguru-Comics:

https://www.zeit.de/kaenguru-comics-marc-uwe-kling-bernd-kissel

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